In Italien gibt es mal wieder eine Regierungskrise. Die 66. Regierung seit dem Zweiten Weltkrieg steht vor dem Ende. Der kleine Koalitionspartner Italia Viva von Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi kündigte im Streit mit Fünf-Sterne-Bewegung und Sozialdemokraten (PD) am Mittwoch seine Unterstützung auf und zog zwei Ministerinnen aus dem Kabinett ab. Damit hat die seit 2019 vom parteilosen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte geführte Regierung keine ausreichende Mehrheit mehr im Parlament. Hintergrund ist ein Streit um Mittel aus dem europäischen Wiederaufbaufonds. Renzi will zusätzliche Gelder aus dem ESM-Rettungsfonds beantragen. Das lehnt die populistische, lange europakritische Fünf-Sterne-Bewegung jedoch vehement ab. Als mögliches Szenario galten zunächst Verhandlungen und die Fortsetzung der Koalition, mit oder ohne Conte. Sollten sich die bisherigen Partner nicht einigen, dürfte Präsident Sergio Mattarella wegen der Corona-Krise versuchen, eine Regierung der nationalen Einheit aufzustellen. Als Kandidatin für die Führung einer solchen Regierung wird die Ex-Präsidentin des Verfassungsgerichts Marta Cartabia gehandelt, aber auch der frühere EZB-Chef Mario Draghi ist im Gespräch. Neuwahlen will, außer den Ultrarechten, letztlich keine Partei.

Die Börse in Mailand reagierte gelassen, der Bruch der Regierung hatte sich angedeutet. Bei aller Instabilität waren sich die diversen Regierungen in den vergangenen Jahren in einem einig: Sie haben den Einfluss des Staates auf die Wirtschaft kräftig ausgebaut. Beispielsweise beim größten Stahlwerk Europas im süditalienischen Taranto. Es ist verantwortlich für Umweltschäden, Krankheiten, Todesfälle - und produziert nur Verluste. Dennoch ist Rom vor Weihnachten bei der AM InvestCo, zu der das Stahlwerk gehört, eingestiegen und zahlt 1,1 Milliarden Euro für einen Anteil von 60 Prozent an der bisher von ArcelorMittal kontrollierten Firma. Die geplante Investition zur "Rettung" der über 10.000 Arbeitsplätze soll zum Teil mit Mitteln des europäischen Wiederaufbauprogramms finanziert werden.

Auch die seit 2017 unter staatlicher Zwangsverwaltung stehende, defizitäre Fluggesellschaft Alitalia soll wieder mal gerettet werden. Dafür wird eine Gesellschaft namens Alitalia ITA gegründet, und mit drei Milliarden Euro ausgestattet. Die Pandemie bietet die Chance, marode Firmen mit Staatshilfen am Leben zu halten. Die EU-Kommission soll die Hilfen für die Zombie-Firmen durchwinken und nicht so genau hinschauen.

Die seit 2012 bestehende Golden-Power-Regelung zum Schutz strategischer Firmen wurde auf fast die gesamte Wirtschaft ausgeweitet. Damit könnte Rom etwa die geplante Übernahme des Nutzfahrzeugherstellers Iveco durch die chinesische FAW verhindern. Doch auch Unternehmen aus der EU sollen ausgebremst werden. Ob das mit EU-Recht vereinbar ist, scheint die Parteien nicht zu kümmern. Für Aufsehen sorgte auch der Fall des ProSiebenSat.1-Anteilseigners Mediaset. Die Rechte des französischen Mediaset-Großaktionärs Vivendi wurden per Gesetz eingeschränkt. Und Ex-Premier Romano Prodi bedauert, dass Rom nicht beim Autokonzern Fiat Chrysler eingestiegen ist, der gerade mit der französischen PSA Peugeot Citroën fusioniert. Es brauche ein Gegengewicht zum französischen Staat, der an dem neuen Konzern beteiligt ist.

Eine Art Staatsfonds

Verlängerter Arm der Wirtschaftspolitik ist die mehrheitlich staatliche Förderbank Cassa Depositi e Prestiti (CDP).Das 170 Jahre alte Institut ist der größte Investor an der Börse in Mailand, hatte Ende 2019 Beteiligungen im Wert von fast 23 Milliarden. Nun stattete die Regierung die CDP mit weiteren 44 Milliarden für den Erwerb neuer Beteiligungen aus. Dabei sind schon 13 der 50 größten Unternehmen Italiens und viele andere Firmen ganz oder teils in staatlicher Hand. CDP-Chef Fabrizio Palermo hat mit Wirtschaftsminister Roberto Gualtieri und der staatsnahen Bank Intesa Sanpaolo dafür gesorgt, dass die Mailänder Börse von der LSE an die französisch dominierte Euronext verkauft wird. Die CDP ist künftig mit 7,3 Prozent an Euronext beteiligt. Dass Rom so aktiv werden kann, verdankt es der Nachsicht der EU und europäischen Hilfsmaßnahmen. Außerdem kauft die EZB praktisch unbegrenzt italienische Staatsanleihen. Damit kann sich Italien plötzlich wieder günstig refinanzieren.

Auch beim Aufstieg des Zahlungsdienstleisters Nexi, dessen Aktienkurs sich seit Börsengang im April 2019 verdoppelte, spielte die CDP eine führende Rolle. Palermo betrachtet es als Aufgabe, nationale Champions zu schaffen. Die CDP sieht sich als eine Art Staatsfonds, der sich an börsennotierten und nicht börsennotierten Firmen beteiligt. Sie will nicht näher definierte "strategische Interessen" des Staates wahren.

Die Förderbank darf sich aber nicht an Banken beteiligen und auch nicht an Unternehmen, die rote Zahlen schreiben. Da steigt der Staat direkt ein, wie bei Alitalia oder diversen Banken, etwa der Monte dei Paschi di Siena (MPS), die 2017 vor der Pleite gerettet wurde. Das zu 64 Prozent staatliche Haus braucht dringend eine Kapitalerhöhung. Rom will die Bank mit weiteren Milliarden aufhübschen und drängt die HVB-Mutter Unicredit, sie zu übernehmen.

Unterdessen schmiedet die CDP neue Konzerne. Sie wird Hauptaktionärin der monopolistischen Netzgesellschaft, die aus dem Netzgeschäft von Telecom Italia und Open Fiber gebildet werden soll. Und sie steht vor dem Einstieg bei der Autobahngesellschaft Autostrade per l’Italia. Deren Hauptaktionär, der zu 30 Prozent von der Familie Benetton kontrollierte Infrastrukturkonzern Atlantia, ist bereit, seine Beteiligung zu verkaufen. Internationale Investoren machen sich zunehmend Sorgen wegen des Staatseinflusses. Rom muss aufpassen, sie nicht zu vergrätzen.
 


INVESTOR-INFO

Schroder ISF Italian Equity

Konzentriert aufs Land

Der Fonds investiert in ein konzentriertes Portfolio von zurzeit 30 italienischen Unternehmen. Zu den größten Positionen zählen die Bank Intesa Sanpaolo, Halbleiterhersteller STMicroelectronics, Versorger Enel und Zahlungsdienstleister Nexi. Der Fonds ließ in den vergangenen Jahren die Konkurrenz meist hinter sich. Binnen zehn Jahren gab es im Schnitt eine Rendite von rund sechs Prozent per annum. Interessante Beimischung.

Berenberg Eurozone Focus

Gestreut im Währungsraum

Der Fonds gehört auf Ein- wie Mehrjahressicht zu den besten Produkten für Aktien der Eurozone. Neben Standardwerten kommen kleine und mittlere wachstumsstarke Firmen ins Portfolio. Mit einem Anteil von zwölf Prozent sind italienische Titel im Berenberg-Fonds zurzeit höher gewichtet als in anderen Produkten der Kategorie und im Vergleichsindex. Regional größere Anteile haben aktuell lediglich Unternehmen aus Deutschland, den Niederlanden und Frankreich. Guter Weg, um sich etwas Italien ins Depot zu holen.