Die Insolvenz des börsennotierten Landwirts trifft Anleihegläubiger und Aktionäre doppelt hart. Denn Verluste aus den Investments lassen sich nur schwer von der Steuer absetzen. BÖRSE ONLINE zeigt, wie es doch gehen kann. Von Michael Schreiber

Helmut Schmidt war nicht nur im politischen Diskurs für seine schnoddrige Art bekannt, sondern auch wenn es um Steuern ging: "Wer die Pflicht hat, Steuern zu zahlen, hat auch das Recht Steuern zu sparen." Diesen Satz des im vergangenen Jahr verstorbenen Altkanzlers sollten sich Anleger der nun insolventen KTG Agrar besonders zu Herzen nehmen. Denn ganz gleich, ob Anleihegläubiger oder Aktionär - wer nicht aufpasst, bleibt auf seinen Verlusten sitzen, ohne sie steuerlich nutzen zu können.

Aber der Reihe nach: Wer die Anleihen - sie notieren derzeit nur noch um die sieben Prozent - über die Börse losschlägt, erzielt einen steuerwirksamen Verlust. Allerdings ist es dann schwierig, bei einem eventuellen Vergleich oder einer Insolvenzquote etwas mehr von seinem Geld wiederzusehen.

Behalten Anleger die Anleihe, drohen steuerliche Probleme. Das gilt nicht nur für KTG Agrar, sondern auch für andere Anleihen von Mittelständlern, die in Insolvenz gegangen sind. Geht es nach dem Bundesfinanzministerium, müssen Sparer, deren Anleihen nicht zurückgezahlt werden, die Verluste allein tragen. Eine Verrechnung der Miesen mit anderen Kapitalerträgen will der Fiskus nicht zulassen, weil die Finanzämter den Totalausfall einer Anleihe im Pleitefall anders werten als deren vorherigen Verkauf. Dieser Kniff ergibt sich aus einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 18. Januar 2016 (Az. IV C 1 - S 2252/ 08/10004:017; Textziffer 60a).

Kunstgriff des Fiskus



Kommt es nach der Pleite eines Mittelständlers nur zu einer teilweisen Rückzahlung der wertlosen Anleihe, rechnen die Beamten mit einem Kunstgriff so geschickt, dass der gerupfte Sparer keinen Verlust hat, den er steuerlich verwerten kann. Die Rechnung geht so: Angenommen, ein Anleger hat für 1000 Euro Nennwert eine Anleihe gezeichnet. Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens erhält er nur noch sechs Prozent davon zurück. Der Kapitalrückzahlung von 60 Euro (sechs Prozent des Nominalwerts von 1000 Euro) werden gleich hohe Anschaffungskosten des Wertpapiers gegenübergestellt. Damit haben Anleger weder einen steuerwirksamen Gewinn noch einen Verlust gemacht. Die übrigen 940 Euro der gezeichneten und nicht zurückgezahlten Anleihesumme sind im Rahmen der Insolvenz perdu. Diesen Betrag stufen die Beamten als "Forderungsausfall in der privaten Vermögenssphäre" ein. Das hat fatale Folgen: Die erlittenen Kursverluste dürfen nicht mit anderen steuerpflichtigen Kapitalerträgen verrechnet werden.

Diese Anweisung aus dem Finanz-ministerium mag zwar juristisch einleuchten, für den Sparer bleibt aber einmal mehr der Eindruck, dass sich der Fiskus mit Spitzfindigkeiten aus der Affäre zieht, wenn es für ihn außer Verlusten nichts mehr zu holen gibt. An den hohen Zinskupons freilich hat sich das Finanzamt vorher gern mit 25 Prozent Abgeltungsteuer bedient.

Der Steuertrick



Trotz der Misere sollten geschädigte Investoren jetzt nicht resignieren, sondern die Steuerplanung selbst in die Hand nehmen. Auf keinen Fall sollte man abwarten, bis Vergleichs- oder Insolvenzverfahren eines gestrauchelten Mittelständlers abgeschlossen sind. Clevere Steuersparer setzen einen privaten Vertrag auf und verkaufen den Mittelstandsbond zum aktuellen Kurs einfach an einen Angehörigen. Die Depotbank bucht den Bond dann in das Depot des Käufers um.

Der Clou: Mit dem Kniff realisieren Anleger keinen Tilgungsverlust, der ihnen steuerlich nichts bringt, sondern einen steuerwirksamen Verkaufsverlust, der mit anderen Kapitalerträgen uneingeschränkt verrechnet werden kann. Der Käufer der havarierten Anleihe kann in aller Ruhe den Ausgang des Insolvenzverfahrens abwarten und am Ende eine Teilrückzahlung kassieren. Liegt die Rückzahlungsquote über dem vereinbarten Kaufpreis für die Anleihe, entsteht allerdings ein steuerpflichtiger Kursgewinn. Und wird weniger erlöst, entsteht der vom Fiskus propagierte, nicht steuerwirksame Verlust im Privatbereich.

Hilfe vom Bundesfinanzhof



Bei den Aktien der KTG Agrar sieht es indes etwas anders aus. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat vergangenes Jahr mit Urteil vom 12. Mai 2015 (Az. IX R 57/13) entschieden, dass wertlos gewordene Aktien - auch wenn der Aktionär Ansprüche auf Ausgleich hat - als Veräußerung anzusehen sind. Damit entsteht also bei KTG Agrar ein steuerwirksamer Verlust. Aktienverluste werden allerdings anders behandelt als Verluste aus übrigen Wertpapieranlagen. Aufgrund einer speziellen Regelung im Einkommensteuergesetz dürfen Aktienverluste nur mit realisierten Aktiengewinnen ausgeglichen werden. Ist das im Verlustjahr nicht möglich, werden die Verluste auf die Folgejahre vorgetragen.