Das auf Altersvorsorge spezialisierte Berliner Start-up Fairr hat alle Fondsanteile aus seinen Riester-Depots verkauft. Das Geld wurde komplett in Cash umgeschichtet. Einen entsprechenden Bericht des Nachrichtenportals wiwo.de bestätigte ein Fairr-Sprecher gegenüber boerse-online.de. Die Kunden wurden über den Schritt, der bereits am 12. März erfolgt war, erst am 20. März in einer Mail informiert: "Eine verlässliche Risikomodellierung ist unter den derzeitigen Ausnahmebedingungen nicht möglich", hieß es in den Schreiben, die wiwo.de einsehen konnte. Daher sei die Entscheidung getroffen worden, "dass in der derzeitigen Phase mit großen Marktschwankungen im Rahmen des aufsichtsrechtlich vorgeschriebenen Risikomanagements das Risiko minimiert wird. Im Sinne der Risikosteuerung wurde deshalb zunächst aus den Aktienmärkten in Cash umgeschichtet, bis besser kalkulierbare Parameter wieder eine tragfähige Risikomodellierung ermöglichen." Es handelte sich ausschließlich um Anteile an Aktien-ETFs, Fairr investiert nicht in aktiv gemanagte Fonds.

Der Riester-Fondssparplan ist das Kernprodukt von Fairr. Bei solchen Fondssparplänen zahlen Kunden monatlich Geld ein, das vor allem in Aktien, aber auch festverzinsliche Wertpapiere (Anleihen) fließt. Ab Ruhestandsbeginn fließt dann eine lebenslange Rente. Obendrauf gibt es die staatliche Förderung nach den Riester-Regeln. Auch andere Anbieter - wie DWS, Union Investment und Deka - bieten derartige Sparpläne an und haben es insgesamt immerhin auf gut drei Millionen Verträge gebracht. Sie gerieten in den letzten Jahren aber in gewisse Schwierigkeiten. Bei Riester-Renten müssen die Anbieter garantieren, dass zu Ruhestandsbeginn wenigstens die Summe aus eigenen Einzahlungen der Kunden und staatlichen Zulagen erhalten ist (Beitragsgarantie). Sind die festen Zinsen bei Anleihen aber extrem niedrig oder sogar negativ wie derzeit, ist es schwierig, diese Garantie auch bei größeren Investments in schwankungsanfälligere Aktien sicher einhalten zu können. Oft lagen die Aktienquoten von Riester-Fondssparern daher deutlich niedriger als von ihnen eigentlich erwünscht: Gerade Aktien sollten ihnen erhoffte Renditechancen bringen, von denen sie in der Praxis nun aber kaum profitieren konnten.

Der Sparplan von Fairr war hier eine Ausnahme. Er zeichnete sich bislang durch vergleichsweise niedrige Kosten (mit einer Renditeminderung durch Kosten von nur rund einem Prozentpunkt über 30 Jahre laut Musterproduktinformationsblatt) und vor allem eine sehr hohe Aktienquote aus. Noch 20 Jahre vor Auszahlungsbeginn sollte das Geld der Sparer zu 100 Prozent in Aktien investiert sein. Zehn Jahre vor Rentenbeginn hätte die Aktienquote laut den Plänen vor den aktuellen Umschichtungen bei 45 Prozent gelegen. Diese Quoten sollten für die Kunden gleich sein, jeweils nur in Abhängigkeit der verbleibenden Zeit bis zum Auszahlungsbeginn. Für Depotverwaltung und auch für die Absicherung der Beitragsgarantie ist bei Fairr die Hamburger Sutor Bank, eine Privatbank, zuständig. Über einen möglichen Wiedereinstieg äußerte sich der Fairr-Sprecher nicht.

Eine Umfrage von boerse-online.de unter anderen Anbietern ergab, dass keiner von ihnen komplett aus Aktien herausgegangen ist. Union Investment, die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken und Marktführer bei Riester-Fondsparplänen, hatte in der Finanzkrise ab 2008 denselben Ansatz gewählt wie Fairr, was damals zu heftigen Kundenprotesten geführt hatte. Inzwischen wurde der Mechanismus geändert. Nach Angaben eines Union-Sprechers wurden Ende vergangener Woche 300.000 Kunden umgeschichtet. 90 Prozent des Depotbestandes seien in den Rentenfonds "Unieurorenta" geflossen, zehn Prozent seien im "Uniglobal Vorsorge" verblieben, der überwiegend in Aktien investiert ist. Ob und wann es zu einer Rückschichtung komme, hänge vom Depotwert, der Restlaufzeit, dem Zinsniveau und der Börsenlage ab. Alberto Del Pozo, Leiter Altersvorsorge beim Branchenzweiten DWS, erklärte, die Riester-Verträge seines Hauses würden börsentäglich und kundenindividuell gesteuert. Generell hätten sich in der Krise die Aktienquoten verringert. Bei der Deka, der Fondsgesellschaft der Sparkassen, heißt es zum Riester-Produkt "Deka Zukunftsplan" (es basiert auf vier Dachfonds mit unterschiedlichen Risikoklassen), ein großer Teil der Verträge sei in defensivere Fonds umgeschichtet worden. Bei einer Veränderung der Marktlage könne eine "Reallokation in chancenreichere Fonds" erfolgen.

Aktualisierung: Der Fairr-Sprecher hat seine Stellungnahme so ergänzt: "Eine dauer­hafte Anlage in Cash, das soge­nannte Cash-Lock, ist nicht vorge­sehen. Eine Wieder­anlage ist wahr­schein­lich, sobald die Schwan­kungen der Berechnungs­grund­lagen (vor allem der Zinsen) abge­nommen haben und wieder eine trag­fähige Risiko­model­lierung ermög­lichen. Zu welchem Zeitpunkt das der Fall ist, kann in der aktuellen Situation noch nicht abge­schätzt werden. Der Anlage­ausschuss der Sutor Bank kann als Zwischen­schritt zur Umschichtung zunächst auch eine schritt­weise Erhöhung der Aktien­quote vornehmen."