Eigentlich sollen Gesetze Dinge klar regeln und wenig Spielraum für Missverständnisse lassen. Das Masernschutzgesetz sorgt indes, seitdem es am 13. Februar 2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde, für Ärger und Verwunderungen, bei Krankenkassen und deren Versicherten - dabei geht es nicht einmal um Masern, sondern um die Bonusprogramme.

Diese finanziellen Bonbons sind bei vielen Versicherten beliebt. In der Regel funktionieren sie nach dem Prinzip, wer eine Reihe bestimmter Untersuchungen macht, bekommt je nach Anzahl und je nach Krankenkasse einen mehr oder weniger hohen Betrag überwiesen. Nun hat das Bundesamt für Soziale Sicherung als Aufsichtsbehörde der Krankenkassen, die im gesamten Bundesgebiet geöffnet sind, aus dem Gesetz gelesen, dass Krankenkassen bestimmte Untersuchungen einzeln mit einem Bonus honorieren müssen (siehe Tabelle Seite 104).

Verwirrung und Missverständnisse. Was vordergründig gut klingt - schließlich bekommen die Versicherten sofort Geld -, sorgt für einen Flickenteppich in der Bonuslandschaft der Krankenkassen. Viele Kassen, die im ganzen Land geöffnet sind, zahlen pro Maßnahme, die meisten regional geöffneten Kassen haben weiterhin ihre Programme, bei denen mehrere Maßnahmen nötig sind, um einen Bonus zu bekommen. Im Lager der Krankenkassen formiert sich Widerstand. Denn Beträge von fünf Euro zu überweisen, sorgt bei den Kassen für unverhältnismäßig hohe Kosten, die wiederum deren Mitglieder über höhere Beiträge und insgesamt niedrigere Boni zu tragen haben. Ob das Bundesamt für Soziale Sicherung ein Machtwort spricht oder sich mit den Kassen einigt, ist offen. Dabei sind die Boni nur eine Stelle, an der die über 70 Millionen gesetzlich Versicherten merken, dass sich in Sachen Krankenversicherung einiges ändert.

Seit zehn Jahren analysiert €uro die Leistungen der Krankenkassen, und selten wurde mehr gekürzt. Nach Anweisung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn dürfen die Kassen keine hohen Rücklagen mehr bilden. Das sorgt dafür, dass viele Extras, die sonst durch die Rücklagen mitfinanziert wurden, nun gestrichen wurden. "Die Kassen wurden mehr oder weniger enteignet", sagt Thomas Adolph, Inhaber des Portals gesetzlichekrankenkassen.de, mit dem €uro für diese Auswertung zusammenarbeitet.

Dabei gibt es noch immer Kassen, die unterm Strich viel leisten. Nur die Kasse schlechthin, die in allen Bereichen oben liegt, gibt es nicht mehr. So patzen die nach Punkten besten Kassen, die TK, HEK und Securvita, etwa bei der Gesundheitsförderung. Besonders stark ist das Angebot der Kassen im Bereich Naturheilverfahren zurückgegangen, hier zahlten die besten Kassen im vergangenen Jahr noch rund 75 Prozent der abgefragten Verfahren, in diesem Jahr sind es etwa knapp zwei Drittel. Naturheilverfahren sind nach Ansicht vieler Branchenkenner die ersten Bereiche, die gekürzt werden, wenn das Geld knapper wird. Apropos Geld. Der Aderlass der Kassen scheint derart krass zu sein, dass selbst die gestiegenen Beiträge nicht ausreichten, um bei den meisten Kassen das Leistungsniveau des Vorjahres zu halten. Immerhin wurde zum Jahreswechsel bei 37 Millionen der insgesamt rund 56 Millionen Beitragszahler der Krankenschutz teurer. Die beiden größten Kassen TK und Barmer stockten ihre Zusatzbeiträge um 0,5 und 0,4 Prozentpunkte kräftig auf. Versicherte mit einem Bruttomonatseinkommen von 4000 Euro zahlen seit Januar monatlich bei der TK 20 Euro und bei der Barmer 16 Euro mehr. 32 Euro mehr müssen Versicherte mit 4000 Euro Brutto bei der BKK Akzo Nobel Bayern zahlen. Diese nur in Bayern geöffnete Kasse erhöhte ihren Zusatzbeitrag am stärksten. Der Krankenkassenbeitrag setzt sich aus einem Grundbeitrag von 14,6 Prozent des Bruttos und einem Zusatzbeitrag zusammen. Der Gesamtbeitrag wird bis zu einem Monatsbrutto von 4837,50 Euro erhoben, wer mehr verdient, zahlt nur so viel, als würde er dieses Einkommen beziehen, Arbeitnehmer und Arbeitgeber übernehmen jeweils die Hälfte des Beitrags.

Träge Masse.

Doch anders als in der privaten Krankenversicherung können gesetzlich Versicherte immer wieder ihre Kasse wechseln. Erhöht eine Krankenkasse ihren Zusatzbeitrag, haben ihre Mitglieder ein Sonderkündigungsrecht und können binnen weniger Wochen bei einer neuen Krankenkasse versichert sein. Dennoch scheinen die Masse der Versicherten gar nicht wechseln zu wollen, meint Krankenkassen-Experte Adolph. Die hkk als Kasse mit dem bundesweit niedrigsten Beitragssatz konnte in den vergangenen Monaten rund 100 000 neue Mitglieder begrüßen. Das ist im Verglich zu den zig Millionen Mitgliedern, die mehr zahlen müssen, kaum der Rede wert.

Einen Erklärungsversuch, warum so wenige Mitglieder wechseln, liefert die Beratungsgesellschaft Bain & Company. Auch wenn es denkbar einfach sei, die Kasse zu wechseln, hätten viele Krankenkassen erkannt, dass es sich lohnt, ihre Mitglieder an sich zu binden. Laut einer Umfrage der Beratungsgesellschaft von Mitte Februar fahren die Krankenkassen besonders gut, die sich um die Bedürfnisse ihrer Mitglieder kümmern: "Nur so schaffen die Krankenkassen Schritt für Schritt einen nachhaltig loyalen Kundenstamm. Loyale Kunden wiederum bleiben ihrem Anbieter länger treu und empfehlen ihn häufiger weiter. Und das ist ein entscheidender Vorteil im harten Wettbewerb", sagt Bain-Partner Andreas Becker. Am besten gelänge das, indem die Kasse gut erreichbar sei und nahezu jederzeit kompetente Antworten geben könne.

Es gibt einige Kassen, bei denen sich Treue lohnt. Das zeigt unsere Langfristauswertung rechts. Hier haben wir die Ergebnisse unseres Leistungstests der vergangenen zehn Jahre addiert und durch zehn geteilt. Was die Tabelle nicht zeigt: Die Leistungsstärke der Kassen sinkt. Bleibt zu hoffen, dass der Bund keine weiteren Einschnitte für die Kassen plant, sei es bei den Rücklagen oder durch zusätzlichen Aufwand bei den Boni.

So lesen Sie die Tabellen


Damit Sie aus den insgesamt 76 für die Allgemeinheit geöffneten Kassen die für Sie passende Krankenkasse finden, haben wir diese in zwei große Gruppen eingeteilt: In der ersten finden sich bundesweit aktive Kassen, die entweder mit Geschäftsstellen in ganz Deutschland vertreten sind oder für Menschen aus allen Bundesländern online geöffnet sind. Die zweite Gruppe sind regionale Kassen, die lediglich in einem oder mehreren der insgesamt 16 Bundesländer aktiv sind. Bewertet haben wir die Kassen in sieben Bereichen. Die Daten mit Stichtag 15. Februar 2021 stammen von dem Internetportal gesetzlichekrankenkassen.de

Sind Leistungen in einem Budget zusammengefasst (von den Krankenkassen oft "Gesundheitskonto" genannt), hat dies zu Abwertungen geführt und es wurde ein Faktor für das Globalbudget angewendet. Dieser berechnet sich wie folgt: Wird die jeweilige Leistung nicht im gesamten Versorgungsgebiet der Krankenkasse geleistet, wird sie um 50 % abgewertet (Regionalfaktor). Sollten Leistungen nur über ein gemeinsames Budget mit anderen Leistungen erstattet werden, wird die angebotene Leistung pauschal um 40 % abgewertet (Globalbudgetfaktor).

In diesem Jahr hat eine Reihe von Krankenkassen den Fragebogen nicht rechtzeitig beantwortet. Unter den bundesweit geöffneten Krankenkassen waren dies Bertelsmann BKK, BKK TUI und Debeka BKK sowie unter den regionalen Kassen BKK Achenbach Buschhütten, BKK HMR, BKK Pfaff, BKK Public, BKK Schwarzwald- Baar-Heuberg, BKK Textilgruppe Hof und Siemag BKK

Bonus-/Vorteilsprogramme: Es wurde für insgesamt zehn Bonusbereiche abgefragt, ob in diesen jeweils ein (finanzieller) Bonus für Aktivitäten gewährt wird (etwa Mitgliedschaft im Sportverein). Für jeden Bereich gab es einen Punkt, maximal also 10 Punkte (100 Prozent). Zudem wurde gefragt, wie hoch der maximale Geldbonus (keine Sach- oder zweckgebundenen Prämien) ist, den Erwachsene oder Kinder je Jahr erzielen können. Aufgrund der umfassenden und zum Zeitpunkt des Tests noch nicht abgeschlossenen Umstellungen der Bonusprogramme in diesem Jahr mit Einführung der einzelfallbezogenen Boni wird ausschließlich der Quotient der Geldprämienhöhe und die Anzahl der dafür erforderlichen Maßnahmen gewertet, also der durchschnittliche Bonuswert einer absolvierten Maßnahme, nicht aber deren absolute Höhe. Das Ergebnis wird in Prozent angegeben (bei Erwachsenen 25 Euro = 100 %, bei Kindern 20 Euro = 100 %). Bei den Vorteilsprogrammen für kostenbewusstes Verhalten wurde für zwei Bereiche abgefragt, ob es dort für die Mitglieder der jeweiligen Krankenkasse finanzielle Vorteile gibt. Diese werden von einzelnen Kassen gewährt, etwa bei ausschließlicher Nutzung bestimmter Generika oder Hilfsmittel. Je Bereich gab es einen Punkt, also maximal zwei Punkte. Schließlich wurden die Prozentwerte addiert und durch vier geteilt.

Gesundheitsförderung: Hier wird unterstützt, wenn Menschen gesünder leben. Diese Gesundheitsförderung wird in Form von Schulungskursen erbracht. Leistung je Handlungsfeld: Maximal dürfen die Kassen ihren Kunden im Jahr zwei Kurse von Fremdanbietern erstatten. Ist dies der Fall, gab es einen Punkt. Wird lediglich ein Kurs erstattet, gab es nur einen halben Punkt. Ebenfalls mit einem halben Punkt wurde bewertet, wenn auch ein zertifiziertes -Onlineprogramm im Angebot ist.

Prozentuale Erstattung je Handlungsfeld: Sie setzt sich aus der prozentualen Erstattungshöhe pro einzelner Maßnahme und dem maximalen Erstattungsbetrag pro Maßnahme zusammen. Formel: Erstattungsbetrag, multipliziert mit dem Prozentwert, geteilt durch 100. Ab einem Ergebnis von 200 gab es die vollen fünf Punkte, darunter anteilig. Eigenkurse werden aufgrund der kaum vorhandenen Unterscheidung im Gesamtergebnis nur hälftig berücksichtigt.

Besondere Versorgung: Das Ziel ist hier, Patienten mit klar definierten Krankheiten besser zu behandeln. Dazu schließen Krankenkassen mit Kliniken und anderen Gesundheitseinrichtungen Verträge zu speziellen Krankheitsbildern ab. Patienten können so bei bestimmten Krankheiten auf ein mehr oder weniger großes Expertennetzwerk zurückgreifen. In dieser Kategorie wurden insgesamt 78 Indikationen abgefragt. Wird im Versorgungsgebiet von der jeweiligen Kasse ein solcher Vertrag für eine Indikation angeboten, gab es einen Punkt, maximal also 78 (100 Prozent).

Naturheilverfahren: Unterteilt wurde die Bewertung in zwei gleich gewichtete Bereiche. Der erste Bereich bildet mit Homöopathie (Medikamente sowie Therapie), Osteopathie und der Traditionellen Chinesischen Medizin die mit Abstand am häufigsten nachgefragten Naturheilverfahren ab. Weitere elf Naturheilverfahren (beispielsweise die Anthroposophie, Chelattherapie oder auch Irisdiagnostik) bildeten in Summe den zweiten Bewertungsblock und wurden nicht mehr namentlich erwähnt. Maximal konnten in beiden Bereichen jeweils 100 Prozent erreicht werden, die für das Gesamtergebnis zusammengezählt und dann durch zwei geteilt wurden.

Vorsorge: Es werden zehn verschiedene Arten von Vorsorgeuntersuchungen sowie die hausarztzentrierte Versorgung bewertet, die entweder gar nicht oder erst in einem späteren Altersabschnitt als Regelleistung angeboten werden. Je Vorsorgeuntersuchung, die im gesamten Versorgungsgebiet angeboten wird, gibt es einen Punkt. Maximal konnten zehn Punkte erreicht werden. Für das Gesamtergebnis wurde das hier erzielte Ergebnis Vorsorge der jeweiligen Kasse durch zehn geteilt.

Zahnversorgung: Zahnbehandlungen sind teuer; da ist es finanziell besonders vorteilhaft, wenn die Krankenkasse möglichst viele Behandlungen zahlt. Grundsätzlich gilt: Übernimmt eine Kasse eine Behandlung komplett, dann gab es einen Punkt. Die Höhe des Zuschusses zu einer professionellen Zahnreinigung wird rein informativ erwähnt. Maximal waren hier zehn Punkte erreichbar (100 Prozent).

Zusatzleistungen: Kassen bieten auf einigen Gebieten oft auch Leistungen an, die in Art und Umfang das gesetzlich vorgeschriebene Maß übersteigen. Es wurden elf Bereiche betrachtet und bewertet, wobei Haushaltshilfen darin gleich doppelt vorkommen: einmal für Haushalte, in denen auch ältere Kinder leben, und einmal für solche ohne Kinder. Je Zusatzleistung, die im gesamten Versorgungsgebiet von der jeweiligen Krankenkasse angeboten wird, gab es einen Punkt.

Gesamtergebnis: In dieses flossen die sieben aufgeführten Bereiche gleichgewichtet ein. Dabei wurde für jeden Bereich berechnet, wie viel Prozent der Maximalpunktzahl (= 100 Prozent) die jeweilige Kasse erreicht hat. Dieser Wert wurde mittels eines Schlüssels in €uro-Noten umgerechnet. Um die Gesamtnoten besser differenzieren zu können, wurden bei den Noten Nachkommastellen angegeben. Dafür galt folgendes Wertungsschema:

sehr gut (1,0) 100 % - 91,66 %
sehr gut (1,1 - 1,5) 91,65 % - 83,34 %
gut (1,6 - 2,5) 83,33 % - 66,66 %
befriedigend (2,6 - 3,5) 66,65 % - 50,0 %
ausreichend (3,6 - 4,5) 49,99 % - 33,33 %
mangelhaft (4,6 - 5,5) 33,32 % - 16,66 %
ungenügend (5,6 - 6,0) 16,65 % - 0,0 %
Zusätzlich werden in der Kategorie "Beitrags-Rating" die Kassen mit bis zu drei Bonussternen für günstige Beitragssätze ausgezeichnet. Für jeden Stern erhält die Kasse 2,5 Prozent Bonus zusätzlich zu jedem Leistungsergebnis. Die Zusatzprozente sind schon jeweils in den Leistungsbereichen mit eingerechnet. Die Sterne wurden wie folgt vergeben:

Beitragssatz unter 15,2 %:
3 Sterne
ab 15,2 % bis 15,59 %: 2 Sterne
ab 15,6 % bis 15,99 %: 1 Stern
ab 16 %: kein Stern

Langfristauswertung: Wer seine Krankenkasse nicht ständig wechseln will, findet im Kasten auf der Seite 102 die Krankenkassen, die im €uro-Test auch auf lange Sicht (seit dem Jahr 2012) überzeugt haben.

Individuelle Krankenkassensuche: Unser Datenlieferant bietet auf seinem Vergleichsportal gesetzlichekranken kassen.de eine interaktive Suchfunktion. Dadurch haben Interessierte und Wechselwillige die Möglichkeit, exakt die Krankenkassenleistungen herausfiltern, die für sie persönlich besonders wichtig sind. Die Suchmaschine zeigt dann als Ergebnis die Krankenkassen an, die alle individuell gewünschten Leistungen offerieren.

Hier kommen Sie zur Gesamtauswertung des Krankenkassentests.