Nun will auch die hannoversche Talanx-Gruppe ihren Kunden spätestens Ende 2017 nur noch Produkte verkaufen, die ohne einen Garantiezins auskommen. Mit Marken wie Neue Leben, HDI Leben und Targo Leben gehört der Konzern zu den fünf größten Anbietern von Lebensversicherungen in Deutschland. Sie folgen mit der Umstellung der Produktpalette dem dringenden Rat der Aufseher. "Die Finanzaufsicht BaFin hält die Versicherer an, sich zu überlegen, ob sie die klassischen Produkte noch anbieten können", sagte Branchenexperte Lars Heermann von der Kölner Ratingagentur Assekurata am Mittwoch zu Reuters. "Richtig überraschend ist der Schritt daher nicht."

Marktführer Allianz und Ergo hatten als erste Lebensversicherungen auf den Markt gebracht, die nur noch den Erhalt der Beiträge am Ende der Laufzeit garantieren, ihnen aber nicht jedes Jahr eine garantierte Verzinsung gutschreiben. Die Allianz bietet weiter auch die "klassischen" Policen an. Sie kommen im Neugeschäft aber nur noch auf einen Marktanteil von 20 Prozent. "Wir gehen davon aus, dass sich dieser Anteil in den nächsten Jahren noch einmal halbieren wird", sagte Allianz-Leben-Vorstand Alf Neumann Reuters kürzlich. Generali (AachenMünchener, Cosmos Direkt) will über kurz oder lang gar keine Policen mit lebenslangen Garantien mehr verkaufen.

Denn sie sind für die Kunden immer weniger lukrativ - und für die Lebensversicherer kostspielig. In den 1990er Jahren hatten sie zeitweise vier Prozent im Jahr versprochen. Das lässt sich am Kapitalmarkt kaum noch erwirtschaften, weshalb die Aufsicht die Versicherer zwingt, Milliarden dafür beiseite zu legen. Talanx sprach am Dienstagabend von "kapitaleffizienten" Produkten, die künftig in den Vordergrund gerückt werden sollen. "Mit den Maßnahmen stärken wir die deutschen Lebensversicherer für ein anhaltend herausforderndes Marktumfeld", erläuterte Vorstandschef Herbert Haas. Das Geschäft mit den deutschen Privatkunden ist ohnehin das Sorgenkind des Konzerns.

Für die lebenslangen Garantien müssen die Lebensversicherer nach den neuen "Solvency-II"-Regeln ab 2016 viel mehr von ihrem knappen Eigenkapital hinterlegen. "Im jetzigen Zinsumfeld sind die Garantien extrem teuer", sagte Heermann. Weil die Versicherer das Geld der Kunden dafür extrem konservativ anlegen müssen, müssen diese auch bei der Rendite Abstriche machen. "Je höher die Garantie, desto geringer ist die Chance, höhere Renditen am Kapitalmarkt zu erwirtschaften", erläutert der Assekurata-Experte. Die neuartigen Policen könnten daher auch für die Kunden von Vorteil sein.

Von den fünf größten Lebensversicherungs-Gruppen hat nur die genossenschaftliche R+V bisher keine neuen Konzepte für die herkömmlichen Lebensversicherungen im Angebot. Beim Wiesbadener Versicherer machten klassische Policen 2014 noch 44 Prozent der gebuchten Beiträge aus. Eine Abkehr davon plane R+V nicht, sagte R+V-Leben-Chef Frank-Henning Florian zu Reuters. Garantien seien für die meisten Kunden wichtig. "R+V bietet daher die gesamte Produktpalette an - und wird dies auch weiterhin tun." Für risikobereitere Kunden gebe es fondsgebundene und Index-Policen, die sich stärker an den Aktienmärkten orientieren. "Wer weiter die klassischen Lebensversicherungen anbieten will, braucht einen sehr leistungsfähigen Deckungsstock dafür", sagt Heermann.

Reuters