Doylestown liegt 55 Kilometer nördlich von Amerikas sechstgrößter Stadt Philadelphia. Als 1745 der Namensgeber dort "William Doyle’s Tavern" eröffnete, begann die Geschichte der Kleinstadt an der Ostküste, in der heute mehr als 10.000 Menschen wohnen.

Einer von ihnen ist Thomas Hofmann, seit mehr als 20 Jahren Abonnent von €uro am Sonntag, der sich in Doylestown schnell wohlgefühlt hat. Der Mediziner, der zu den allerersten Abonnenten dieser Zeitung gehört, zog vor 23 Jahren nach Amerika und lebt nun überwiegend in den Staaten mit seiner amerikanischen Frau und den beiden Kindern. In Deutschland, wo der 52-Jährige aus Hessen regelmäßig länger zu Besuch ist, wohnt er in vierter Generation im Haus seiner Familie. Seine Vorfahren haben das Bauernhaus in einem 200-Seelen-Dorf im hessischen Landkreis Vogelsberg im Jahr 1735 gebaut - zehn Jahre, bevor William Doyle seine Taverne eröffnete.

Für die Bank ist er Amerikaner


Obwohl Hofmann die meiste Zeit in Amerika verbringt, bleibt die Verbindung nach Deutschland eng. Das erste Aktiendepot - bei der Volks- und Raiff­eisenbank - baut er via Web heute noch aus. Für die Bank ist Hofmann Amerikaner. Sohn (12) und Tochter (14) investieren inzwischen auch schon. Facebook und Starbucks waren vor sieben Jahren die ersten Titel, für die sich die Tochter entschied. Der Sohn legte in Apple und Wirecard an.

Die Diskussion um mögliche Mani­pulationen des Zahlungsdienstleisters Wire­card aus Aschheim bei München sieht Hofmann als Privatanleger gelassen: Von außen ließen sich die Vorgänge ohnehin kaum richtig bewerten. Seit Jahren beobachtet er, wie die Kreditkartenriesen Visa, American Express und Mastercard mit hohen Renditen ihre Positionen als Schnittstelle bei Bezahlvorgängen nutzen. Dass es mit Wirecard auch eine deutsche Firma geschafft hat, beeindruckt Hofmann.

Über das Geschehen bei dem Unternehmen sei er als Privatanleger mit der €uro am Sonntag bestens informiert, sagt er. Dank App ist die Zeitung auch in Pennsylvania sofort nach Erscheinen des Hefts für ihn verfügbar. Den Kurs­teil nutze er "sehr intensiv". Denn eine ähnlich aktuelle Präsentation deutscher und europäischer Aktien mit den wichtigsten Kennzahlen gebe es selbst im ­Internet nicht.

Die Aktienempfehlungen "Hot Stock" und "Wunschanalyse" findet Hofmann im Kursteil "gut platziert". Sie lockerten die Strecke auf. Die Aktie von Dentsply, eines Zulieferers der Dentalindustrie, kaufte der Hesse nach einer Empfehlung als "Hot Stock".

In der amerikanischen Kleinstadt leben die Hofmanns in einem Haus mit Garten, im dem eine große US-Flagge weht. Dort hat der Mediziner auch das Büro seiner eigenen Firma. In dem vor sechs Jahren gegründeten Unternehmen Quorum Pharma beschäftigt Hofmann, der oft von zu Hause aus arbeitet, drei Mitarbeiter.

Die Firma entwickelt unter anderem ein Medikament zur Behandlung von Mukoviszidose, das Patienten inhalieren. Schon zuvor hat der Mediziner viele Jahre in der Forschung gearbeitet. Quorum gründete er mit dem ange­sparten Kapital aus dieser Zeit. An Bord sind auch Investoren, darunter ein Mediziner aus München. Mit seiner Firma will sich Hofmann seinen Freunden auch als Unternehmer beweisen.

Ähnlich wie für den Aufbau seiner ­beruflichen Laufbahn nutzt Hofmann auch als Anleger ein privates Netzwerk. Mit dem Steuerberater seiner Mutter und dem Redaktionsleiter des US-Börsendiensts Bloomberg in Frankfurt tauscht sich der Mediziner seit mehr als 25 Jahren über Investmentthemen aus. Als er damit begann, lebte Hofmann noch in Deutschland und schrieb gelegentlich für die Deutschland-­Ausgabe von Motley Fool, der in den USA populären Investmentgemeinschaft.

Warren Buffett als Vorbild


Sparsamkeit ist für den Unternehmer eine Tugend. Hohe Reisekosten werden in seiner Firma "nicht toleriert". Und als Privatanleger meidet Hofmann klassische Fonds, weil die Verwaltungsgebühren "viel zu hoch" seien. Für den Kauf von Aktien und der günstigen börsengehandelten Fonds (ETFs) wird Geld angespart, bis der Betrag für ein Investment ausreichend groß ist. In der Regel sind das ein bis 1,5 Prozent des Gesamtdepotwerts. "Ich sollte konzentrierter arbeiten, um weniger, dafür größere Investments zu machen", räumt Hofmann ein.

Zu den Aktien, die sich aus früheren Gesprächen mit den beiden Freunden ergaben, gehören unter anderem die ­Papiere des deutschen Rückversicherers Munich Re. Auch weil die legendären Gründer der US-Beteiligungs­gesellschaft Berkshire Hathaway und Munich-­Re-Aktionäre Warren Buffett und Charlie Munger zu den Vorbildern des Hessen gehören. Allerdings weicht Hofmann gelegentlich von der Strategie klassischer Value-Investoren, die selten in Technologiewerte investieren, ab.

Zu den erfolgreichsten Langfrist-­Investments des Deutschamerikaners gehören die Aktien von Adobe. Die Papiere des Entwicklers des PDF-Formats und der Fotobearbeitungssoftware Photoshop, die seit 23 Jahren in Hofmanns Deutschland-Depot liegen, glänzen mit 2.500 Prozent Wertzuwachs - steuerfrei. Ursprünglich waren es Aktien des Grafiksoftware-Spezialisten Macromedia, der 2005 für 3,4 Milliarden Dollar von Adobe übernommen wurde. Hofmann hatte 4.000 Mark in Macromedia investiert, lange vor Einführung der Kapitalertragsteuer 2009.

Ebenfalls ein Top-Renditebringer in seinem Depot ist der schwäbische IT-Systemhausbetreiber Bechtle mit 655 Prozent Plus in elf Jahren. Facebook lieferte in sieben Jahren mehr als 900 Prozent Gewinn. Bei den Papieren, die weniger als zwei Jahre im Depot liegen, sind Amazon, die Fast-Food-Kette Chipotle Mexican Grill und Microsoft Top-Performer.

Dicke Flops dagegen sind die Aktien des Bayer-Konzerns, von Siemens-Konkurrent General Electric und Celera Corporation, die Firma des bekannten US-Genomforschers Craig Venter. Flops verkauft Hofmann in der Regel nur dann, wenn aus steuerlichen Gründen zum Jahresende Verluste realisiert werden müssen.

Das Depot ist ein Teil von Hofmanns Altersvorsorge in den USA, die er dort "vollständig aus eigener Tasche" aufbringen muss. Der Geldstrom aus Dividenden sei der Grundstock für weitere Investments. Ereignisse mit großer Wirkung, wie die Auswirkungen der globalen Finanzkrise 2009 und 2010, sitzt der €uro-am-Sonntag-Leser geduldig aus - danach werden einzelne Positionen ausgebaut.

Geld aus Aktienverkäufen nutzt Hofmann auch, um seine Lebensqualität zu verbessern. Gegenwärtig sei das jedoch nicht notwendig, er lasse das Geld deshalb lieber arbeiten, sagt der Sparfuchs. Die Cashquote in seinem Depot schwanke zwischen fünf und acht Prozent. Dies sei notwendig, um kurzfristig auftretende Ausgaben wie etwa Reparaturen am Haus abzudecken.

Das Klagen der Sparer in Deutschland über niedrige Zinsen kann Hofmann als Privatanleger nicht nachvollziehen. Die Aktien vieler krisenerprobter Konzerne böten schließlich mit ihren Dividendenrenditen jährliche Verzinsungen zwischen drei und fünf Prozent.

So erklärt Hofmann auch seinen Kindern das Investieren in Aktien: Als diese sieben und neun Jahre alt waren, konnten sie entscheiden, ob sie ihr Taschengeld, das sie ein Jahr lang gespart hatten, ausgeben oder in Aktien anlegen wollten. Fürs Anlegen gab es vom Vater einen Zuschuss. Das Ersparte, jeweils 400 Dollar, wurde um 1000 Dollar erhöht. Das vereinfachte die Entscheidung der Kinder für Aktien natürlich.

Unlängst, während eines Frühstücks bei Starbucks in Doylestown, erinnerte Hofmann sie an ihre vor Jahren getätigten Investments: "Weil ihr euch damals Gedanken gemacht habt, wie ihr das Geld anlegen wollt, könnt ihr euch mit den Dividenden von Starbucks jetzt zum Beispiel das Frühstück leisten - ohne was dafür zu tun."

Zu Hause ist die Familie aber auch weiterhin im Vogelsberg, das ist Hofmann wichtig. Vor Kurzem wurde das Dach des Bauernhauses renoviert und die Küche neu eingerichtet. Hofmanns Mutter lebt im Nachbarort: "Die Leute sind froh, dass wir in der Region geblieben sind", sagt der vertraute Gast aus Amerika. Es ist eine Gegend mit wenig Industrie und Arbeitsplätzen, dafür viel Landwirtschaft. "Das langsame Internet ist das einzige Handicap, ansonsten schätze ich die Abgeschiedenheit und die Lebensqualität", sagt Hofmann. Einmal im Jahr, im Sommer, ist er auch mit seiner Familie im Vogelsberg zu Besuch.

In der Garage steht ein roter Audi 60 von 1977, in Doylestown fährt Hofmann das gleiche Modell in Weiß. Auch das ist eine Verbindung zwischen dem Vogelsberg in Hessen und Pennsylvania.

Vita:

Thomas Hofmann studierte an der Justus- Liebig-Universität im hessischen Gießen Medizin. Vor 23 Jahren zog der heute 52-Jährige in die USA und arbeitete unter anderem als Leiter der Entwicklung in kleineren Pharmaunternehmen. 2013 gründete er mit Quorum Pharma seine eigene Firma.

Leser-Tipp:
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