Mit welchen Angeboten wollen wichtige deutsche Onlinebroker 2016 punkten? In unserem Roundtable-Gespräch diskutieren sie die großen Branchentrends. Von Brigitte Watermann und Markus Hinterberger

Anlageberatung per Robo-Advisor, volldigitale Kontoeröffnung ohne Unterschrift - die Zukunft des Online-Brokerage diskutierten die Verantwortlichen von fünf namhaften Anbietern im BÖRSE ONLINE Broker-Roundtable. Ihre Services wollen sie künftig noch mobiler machen und sich engagieren, dass mehr Leute in Wertpapiere investieren. Der Broker-Roundtable ist wie jedes Jahr auch der Startschuss für unsere renommierte Leserwahl zum "Onlinebroker des Jahres", die bereits zum 17. Mal stattfindet.

Börse Online: Herr Deglow, die Kunden der Comdirect Bank haben in den ersten neun Monaten 2015 so viel getradet wie nie zuvor. Wird 2015 insgesamt ein gutes Trading-Jahr für Deutschlands Onlinebroker?


Sven Deglow: Es wird sogar ein besonders gutes Trading-Jahr!
Martin Krebs: Bei der ING-DiBa läuft die Entwicklung zum Glück immer sehr ähnlich.
Niklas Helmreich: Auch bei Flatex verzeichnen wir ein sehr gutes Trading-Jahr. Die Volatilität am Anfang des Jahres hat gut getan bei den Trades, speziell im CFD-Markt. Unsere Kunden handelten bislang im Schnitt 30-mal im Jahr - das werden wir 2015 noch toppen.

Wie läuft es denn bei der bald vereinigten Consorsbank und DAB Bank mitsamt Hellobank Austria, Herr Friedrich?


Kai Friedrich: Bei uns deuten alle Zeichen auf ein Rekordjahr hin. Die Kunden, die bereits aktiv sind, handeln dieses Jahr noch mehr. Aber ob das so nachhaltig ist, muss man sehen. Eigentlich müssten sich angesichts der Minizinsen ja viel mehr Leute für Wertpapiere interessieren, aber das sehen wir als Branche derzeit leider noch nicht.

Wirklich? Selbst die Sparkassen machen inzwischen doch Werbung dafür, dass ihre Kunden mehr Aktienfonds kaufen sollten.


Krebs: Die führen ihre Depots oft bei uns. Spaß beiseite: Unsere Wertpapierkunden haben häufig eine Sparkasse als Referenz-Bankverbindung.

Landen die Sparkassenkunden denn auch bei ?


Jürgen von der Lehr: Natürlich. Die große Aufgabe für uns alle gemeinsam hier ist es, die Menschen für das Wertpapiergeschäft nachhaltig zu begeistern. Die Digitalisierung wird dabei helfen, Barrieren zu verringern und die Menschen besser zu informieren und über sinnvolle Geldanlage aufzuklären.

Auf Seite 2: Tag der Aktie von der deutschen Börse





2015 gab es erstmals im Rahmen der Aktion "pro Aktie" den Tag der Aktie, veranstaltet von der Deutschen Börse. Mehrere von Ihnen hier am Tisch haben die Aktion ins Leben gerufen und den Tag der Aktie mit FreeBuys unterstützt. Gibt es 2016 eine Neuauflage des Tags der Aktie?


Deglow: Die Aktion war sehr erfolgreich und ist daher 2016 wieder für 16. März geplant.
Friedrich: Es wäre schön, wenn wir noch ein paar Mitstreiter finden würden, wie steht es denn mit Flatex?
Helmreich: Ja, wir werden daran teilnehmen.
von der Lehr: Maxblue wird ab sofort als neuer Partner fester Bestandteil der Aktion "pro Aktie". Daher werden wir beim nächsten Tag der Aktie natürlich wieder mit dabei sein.

Mit attraktiven Angeboten und Tools dürften sich Kunden für Wertpapiere begeistern lassen. Die etablierten Direktbanken bekommen hier Druck von jungen Fintechs - sehen Sie diese als Bedrohung oder als Chance?


von der Lehr: Entscheidend ist, wie wir Banken uns mit Innovationen beschäftigen. Die Fintechs empfinde ich als einen Weckruf für die Branche. Design, bequemere und schnellere Services für die Kunden, darüber haben sich die Banken vor fünf Jahren weniger Gedanken gemacht als heute. Fintechs sind nicht nur Herausforderer für Banken, sondern auch Partner, wenn es darum geht, Innovationen und Services schnell umzusetzen.

Bei der Comdirect hat man ja auch oft den Eindruck, sie sei das Inhouse-Fintech der Commerzbank. Stimmt das?


Deglow: Ja, so fühlen wir uns auch teilweise. Wenn man zurückblickt auf die eigene Gründungsphase, gibt es eine Menge Parallelen zu heutigen Fintechs. Sie sind für uns eine Chance und ein Kreativitätspool für die Branche. Wir gehen Kooperationen ein, wo es sinnvoll ist. Vieles entwickeln wir aber auch immer noch selbst.

Wie fühlt es sich denn an, von der eigenen Mutter Commerzbank gerne mal kopiert zu werden? Da bringt die Comdirect etwa ein Girokonto mit Zufriedenheitsgarantie. Und ein halbes Jahr später gibt es das dann auch bei der Mutter.


Deglow: Wenn man kopiert wird, hat man ja offensichtlich etwas richtig gemacht. Wir sind halt die digitale Speerspitze im Konzern und zu dem Zweck auch gegründet worden. Wir können vieles schneller umsetzen und Innovationen schneller vorantreiben als eine Großbank. Aus der Gesamtperspektive greifen wir gemeinsam von zwei Seiten den Markt an - und das bringt in der Summe den Gesamtkonzern voran. Die Konkurrenz, die Sie beschreiben, sehe ich daher nicht.

Die Konkurrenz sitzt nicht nur im eigenen Haus. Auch Institute wie die HypoVereinsbank setzen inzwischen auf den Onlinekanal, bieten Videoberatung und Co. Auch die Sparkassen und Genossenschaftsbanken entdecken das Internet. Sehen Sie das als Gefahr?


Friedrich: Wenn die klassischen Banken es schaffen - und hier setze ich durchaus ein Fragezeichen -, dass sie ihre Organisation von innen ändern und digitaler und moderner werden, dann haben sie eine Chance.

Auf Seite 3: Mehr über digitale Kontoeröffnung





Moderner und kundenfreundlicher wird derzeit bei Ihnen die Kontoeröffnung gemacht. Wird Video-Ident, also die Kontolegitimation vor der Videokamera, zum Standard?


Deglow: Video-Ident bieten wir seit etwa einem Jahr an. Bei uns können Kunden das Konto unkompliziert innerhalb von wenigen Minuten komplett digital eröffnen und dann auch sofort nutzen. Wir sind die erste Bank, die den Prozess der Kontoeröffnung und des Kontowechsels vollständig digital abbildet.

Auch bei der Anlageberatung gehen Ihre Häuser neue, automatisiertere Wege. Bei der Comdirect gibt es den "Anlageassistenten", mit dem sich Kunden relativ einfach ein Depot zusammenstellen können. Und bei Maxblue startet jetzt der "AnlageFinder", ein sogenannter "Robo-Advisor". Was hat der denn eigentlich drauf?


von der Lehr: Das Tool erstellt - auf Basis von kundenspezifischen Daten wie Anlagehorizont, Alter, Risiko-Affinität - individuelle Portfolios für Anleger, die ihre Anlageentscheidung ohne persönliche Beratung treffen möchten. Es ist sowohl für erfahrene Anleger als auch für Börseneinsteiger geeignet, die mit Lernlektionen unterstützt werden. Der Anlagefinder weist den Kunden auch auf mögliche Risiken hin, wie etwa auf eine zu starke Konzentration in einzelnen Branchen, und zeigt Anlagealternativen auf. Für unsere Kunden ist er kostenlos.

Die Consorsbank bietet als eine der wenigen Direktbanken unabhängige Anlageberatung per Telefon. Wie steht es hier mit einem Robo-Advisor?


Friedrich: Den haben wir mit unserem Anlageplaner bereits vor einigen Jahren eingeführt. Aber natürlich schauen wir uns das Thema weiter an. Wenn wir hier noch einfachere Lösungen schaffen, kann es gelingen, mehr Leute an die Wertpapieranlage heranzuführen. Es ist ja paradox und irrational, dass die Leute trotz der derzeitigen Zinssituation nicht in Wertpapiere investieren. Mittelfristig wird sich in der Beratung ein Mischmodell durchsetzen - ob per Robo-Advisor, am Telefon oder physisch mit einem Berater vor Ort.
Krebs: Erfolg mit solchen Modellen wird haben, wer eine emotional ansprechende Lösung findet. Der Kunde muss überzeugt davon sein, dass sein Geld gut aufgehoben ist. Es ist relativ einfach, Sparanlagen zu verkaufen, wo man als Kunde de facto dank der Einlagensicherung eine Staatsgarantie von inzwischen 100 000 Euro hat. Bei Wertpapieren spielt Vertrauen eine große Rolle.
Deglow: Aber es wächst eine Generation heran, für die es völlig normal ist, per Mobilgerät oder Internet zu kommunizieren. Bei uns haben sich die Zugriffszahlen über mobile Endgeräte im Trading seit dem Jahr 2013 vervierfacht. Schon heute sieht ein Viertel der Deutschen Video-Chat-Beratung als gleich gute oder bessere Alternative zur persönlichen Beratung.

Auf Seite 4: Der Handel über mobile Endgeräte





Wie viel Geschäft läuft denn tatsächlich schon über mobile Endgeräte? Bislang war der Trend doch, dass sich die Leute zwar unterwegs informieren, aber eher vom stationären PC aus handeln.


Helmreich: Das kommt auf das Produkt an. Bei uns laufen im normalen Kassageschäft zehn bis 15 Prozent über mobile Endgeräte, bei CFDs geht es in Richtung 20 Prozent.
Krebs: Dafür, dass der Kanal noch relativ neu ist, läuft schon sehr viel Geschäft darüber. Allerdings sind die mobilen Endgeräte vor allem ein bevorzugter Informationskanal.

Gestatten Sie uns einen kurzen Schwenk ins Nachbarland Österreich. Dort ist mit Brokerjet gerade der zweitgrößte Broker vom Markt gegangen. Haben Sie davon profitiert?


Helmreich: Das war für uns eine schöne Sonderkonjunktur, wir haben etwa 5000 Depots bei unserer Österreich-Tochter gewonnen - hoffentlich vor allem tradingaffine Kunden.
Friedrich: Hoffentlich irren Sie sich - und die sind alle zu unserer Hellobank Austria gewechselt.

Wollte die ING-DiBa nichts vom Kuchen abhaben - das wäre doch die Gelegenheit gewesen, dort mit einem Depot zu starten?


Krebs: Tagesgeld bieten wir in Österreich ja schon an. Wir schließen nicht kategorisch aus, dass wir dort die Produktpalette irgendwann mit dem Depot noch erweitern.

Aus einem anderen Nachbarland, den Niederlanden, kommt , der auch hierzulande als Preisbrecher auftritt. Müssen Ihre Orderkosten runter?


Helmreich: Wir als Anbieter mit Fünf-Euro-Flatfee merken schon, dass nun noch jemand da ist, der sich sehr günstig positioniert. Einen Anlass, unser Preismodell nach unten anzupassen, sehen wir aber nicht. Man muss das Angebot der Konkurrenz auch genau anschauen, es ist nicht für jeden geeignet. So müssen sich Anleger bei Degiro selbst um die Versteuerung ihrer Erträge kümmern.

Auf Seite 5: Angebote für die Zukunft





Blicken wir bei Ihren Angeboten in die Zukunft. Mit welchen Ideen wollen Sie 2016 Kunden gewinnen und binden?


von der Lehr: Auf der Wertpapierseite werden wir unser Angebot an Ordertypen weiter komplettieren. Auch Robo-Advice werden wir weiterentwickeln, um noch mehr Menschen an die Online-Geldanlage heranzuführen. Hierzu zählen zum Beispiel Funktionalitäten zur Risikoanalyse und Peer-to-Peer-Vergleiche. Für erfahrene Anleger werden wir das mobile Handeln mit der neuen Maxblue-App transparenter und bequemer machen. Darüber hinaus werden wir auch die nicht mehr zeitgemäßen Gebühren für Limitänderungen abschaffen.

Gibt es bald auch Tagesgeld bei Maxblue?


von der Lehr: Ja, das wird es geben. Auf dem aktuellen Zinsniveau ist das vielleicht noch nicht so spannend, aber wenn man mal ein paar Jahre weiterdenkt, kann es für Kunden ein Faktor sein, dass er dann bei uns auch Geld "parken" kann und dafür nicht zu einem Wettbewerber gehen muss.

Welche Neuerungen hat Comdirect in petto?


Deglow: Ein Schwerpunkt bei uns wird der Ausbau mobiler Anwendungen sein. Außerdem werden wir im Wertpapierbereich unseren Anlageassistenten weiter ausbauen. Und Anfang 2016 werden wir Sparpläne auf Einzelaktien einführen.

... auch wenn eine vernünftige Anlagestrategie anders aussieht?


Krebs: Dieser Meinung war ich auch mal, musste mich aber eines Besseren belehren lassen. Aktiensparpläne sprechen die Leute emotional an, und dann beginnen sie hoffentlich, sich mit der Wertpapieranlage weiter zu beschäftigen. Wir alle müssen bei den Kunden das Bewusstsein schärfen, dass wir wirklich günstige Produkte anbieten, mit denen sie Geld verdienen können. Wer etwa ETFs für 4000 Euro kauft und zehn Jahre liegen lässt, zahlt dafür einmalig zehn Euro. Im Rahmen unserer Fonds-&-ETF-Aktion nicht einmal die. Das ist ein Euro pro Jahr. Dafür kann man sonst in Frankfurt gerade mal eine halbe Stunde im Börsenparkhaus parken!

Mit welchen Neuigkeiten werden ING-DiBa und Flatex aufwarten?


Krebs: In unsere bestehende Kontostands-App werden wir das Brokerage integrieren. Daraus folgt ein verbessertes Messaging-System, damit sich Kunden gezielt Informationen als Push-Nachricht schicken lassen können. Wir werden zudem unsere Watchlist überarbeiten und daran arbeiten, unser gesamtes Infoangebot für Mobilgeräte noch besser darzustellen.
Helmreich: Ein Trader, der nicht tradet, hat gerade keine Ideen. Bei uns steht daher die digitale Trading-Begleitung im Vordergrund - wir wollen über Streaming von Infos Ideen liefern. Daneben werden wir unser rudimentäres Sparplanangebot auf bis zu 1500 ausbauen, davon 400 ohne Gebühren. Auch auf der Einlagenseite wollen wir Gas geben und mittelfristig Tages- und Festgeld anbieten.

Ihre Schwester, die BIW-Bank, bei der sich rechtlich die Einlagen und Depots der Flatex-Kunden befinden, verlässt aber bald den Einlagensicherungsfonds! Weshalb das?


Helmreich: Durch den Austritt sparen wir uns in der Gruppe jährlich rund zwei Millionen Euro Sicherungskosten. Künftig gilt bei uns die gesetzliche Einlagensicherung von 100 000 Euro pro Kunde - 95 Prozent der Flatex-Kunden liegen mit ihren Einlagen ohnehin unter dieser Marke.

Herr Friedrich, welche neuen Angebote planen Ihre Häuser?


Friedrich: Die Consorsbank wird Konsumentenkredite anbieten. Außerdem können unsere Kunden seit wenigen Tagen online physisches Gold handeln, ähnlich wie es die DAB Bank schon macht. Auch die Starpartner-Programme bei ETFs und bei verbrieften Derivaten wird es bei der Consorsbank geben. Wir werden bald auch eine App für CFDs haben. Für die Videolegitimation bei der Kontoeröffnung bieten wir 2016 eine vollintegrierte Lösung inklusive Umzugsservice.

Und wie geht es mit der Fusion von Consorsbank und DAB weiter?


Friedrich: Am 31. Dezember um 23.59 Uhr wird die DAB Bank juristisch ein Teil von BNP Paribas, genau wie es die Consorsbank ist. Ab Mitternacht gibt es dann zwei Marken unter diesem Dach. Gegen Ende 2016 wird es eine Markenharmonisierung geben - mehr kann ich leider noch nicht sagen.