Ende September melden 108 Staaten und Territorien im Rahmen des automatischen Informationsaustausches Bankkundendaten von ausländischen Anlegern  an deren zuständige Steuerbehörden. Steuerstrafrechts-Experte Philipp Külz erklärt, was das für deutsche Schwarzgeld-Besitzer bedeutet Von Stefan Rullkötter


Euro am Sonntag: Die Zahl der Selbstanzeigen hat vergangenes Jahr den niedrigsten Stand des Jahrzehnts erreicht. Ist diese Jahres wegen der Auswertung von ausländischen Bankkonten und -depots mit einer Trend-Umkehr zu rechnen?
Philipp Külz: Grundsätzlich sollte eine Trend-Umkehr einsetzen. Dass die Finanzverwaltung Auswertungsarbeiten angekündigt, führt allerdings nicht unmittelbar zu einem starken Anstieg von Selbstanzeigen. Betroffene reagieren häufig erst, wenn es in ähnlich liegenden Fällen zu öffentlichkeitswirksamen Ermittlungen kommt. Da eine Selbstanzeige nicht mehr wirksam abgegeben werden kann, wenn die Tat bereits entdeckt ist, kann ich ein Zuwarten nicht empfehlen.

Was sind derzeit die Hauptgründe für eine Selbstanzeige?
Die Gründe sind vielfältig. Viele Betroffene wollen sich mit einer Selbstanzeige von der Angst vor einer möglichen Entdeckung befreien und dementsprechend behördlichen Maßnahmen zuvorkommen. Daneben gibt es aber auch Betroffene, die noch zu Lebzeiten sicherstellen wollen, dass sich ihre Erben nicht mit dem Thema hinterzogener Steuern auseinandersetzen müssen.

In Österreich wird noch viel unversteuertes Geld von in Deutschland Steuerpflichtigen vermutet. Ende September tritt dort die nächst höhere Meldestufe im Rahmen des automatischen Informationsaustausches zu Bankkundendaten (AIA) in Kraft. Was ist hier durch die Betroffenen besonders zu beachten?
Wichtig ist zunächst, dass im Rahmen einer Selbstanzeige alle relevanten Informationen innerhalb der letzten zehn Jahre schonungslos offengelegt werden. Manche Betroffenen neigen dazu, bestimmte Informationen oder sogar einzelne Konten zurückzuhalten bzw. den Beratern nicht zu offenbaren. Da dies zur Unwirksamkeit der Selbstanzeige führt, ist dringend von einer solchen "Scheibchentaktik" abzuraten. Für eine wirksame Selbstanzeige muss alles auf den Tisch, auch wenn die Kontoverbindung vielleicht seit 5 Jahren nicht mehr existiert.

Das baden-württembergische Finanzministerium stellt laut Medienberichten Bürgern, die im Rahmen des Datenabgleichs zu Auslandskonten herausgefiltert werden, noch eine Selbstanzeige-Möglichkeit in Aussicht...
Auf diese Aussage des Ministeriums ist Verlass. Ich habe es in meiner Beratungspraxis noch nie erlebt, dass die Finanzbehörde die Möglichkeit einer Selbstanzeige ausdrücklich zulässt und sich später dennoch auf eine Tatentdeckung beruft.

Ist dies angesichts einer offensichtlich bereits aufgedeckten Steuerstraftat rechtlich überhaupt zulässig?
Eine Steuerstraftat gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als entdeckt, wenn "bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist". Die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeitsprognose dürfen allerdings nicht überspannt werden.

Was bedeutet dies in der Praxis?
Erhalten die Ermittlungsbehörden Kenntnis von einer Steuerquelle, stellt dies für sich allein noch keine Tatentdeckung dar. Welche Umstände dazukommen müssen, ist im jeweiligen Einzelfall konkret zu beurteilen. Nur das Wissen der Finanzbehörde, dass eine bestimmte Person etwa ein Konto in Österreich hatte, reicht nicht, um eine Tatentdeckung anzunehmen. Hierfür wäre beispielsweise ein konkreter Abgleich mit der Steuerakte und die Feststellung, dass die betreffenden Erträge nicht versteuert wurden, erforderlich.

Ist es ein Fehler, zu warten, bis ein entsprechendes Schreiben des Finanzamts eintrifft?
Sofern die Finanzverwaltung auf die Möglichkeit zur Selbstanzeige hinweist, kann diese Option auch noch wahrgenommen, wenn bereits ein Brief vorliegt. Da die Zusammenstellung der erforderlichen Unterlagen aber Zeit in Anspruch nimmt, sollte zeitnah reagiert werden. Daneben besteht beim Zuwarten das gesteigerte Risiko, dass die Finanzbehörden von einer Tatentdeckung ausgehen - in diesem Fall wäre ein Sperrgrund gegeben und eine Selbstanzeige unwirksam. Es ist keinesfalls sichergestellt, dass alle Finanzbehörden zunächst freundliche "Aufforderungsschreiben" schicken.

Welche Folgenhaben die verschärften Konten-Kontrollen für Selbstanzeigen?
Mit Blick auf den Informationsaustausch wird es sicherlich den typischen Selbstanzeigenfall künftig kaum mehr geben. Das betrifft Anleger, die ein Konto im Ausland haben und die dortigen Erträge nicht deklarieren. Allerdings nehmen die Fälle mit Unternehmsbezug massiv zu.

Welche Steuerart betrifft dies besonders?
Vor allem im Bereich der Umsatzsteuer oder der Lohnsteuer kommt es häufig zu Korrekturen bei den Steueranmeldungen. In diesem Zusammenhang gibt es vermehrt Diskussionen mit den Finanzbehörden, ob es sich bei der abgegebenen Korrekturerklärung um eine "einfache" Korrektur bzw. bloße Berichtigung oder um eine Selbstanzeige handelt.

Mit welchen Sanktionen müssen Anleger nach einer Selbstanzeige rechnen? Welche Strafen drohen bei Entdeckung?
Bei einer wirksamen Selbstanzeige bleiben sie vollständig straffrei; bei größeren Hinterziehungsbeträgen ist aber zusätzlich ein Geldbetrag zu entrichten. Ansonsten ist die Sanktionierung sehr stark einzelfallabhängig. Ohne das Vorliegen einer Selbstanzeige ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab einem Hinterziehungsvolumen von mehr als einer Millionen Euro Haft zu verhängen, sofern keine besonderen Umstände vorliegen. Ab wann es zu Bewährungsstrafen kommt, kann man nicht pauschal sagen. Sofern wir über Beträge im fünfstelligen Bereich reden, kommen aber durchaus erhebliche Sanktionierungen in Betracht.

Können auch Kinder betroffen sein, deren verstorbene Eltern Auslandskonten hatten?
Das ist häufig der Fall. Der Erbe ist sogar verpflichtet, unrichtige Steuererklärungen des Verstorbenen umfangreich zu korrigieren - ansonsten macht er sich selbst strafbar. Dies gilt auch, wenn das Konto zum Todeszeitpunkt bereits aufgelöst war.

Welche Probleme kann es in dieser Konstellation geben?
Schwierigkeiten ergeben sich in erster Linie dann, wenn der Betroffene die steuerlichen Nachzahlungen nicht leisten kann. Aber auch dann hat das Offenlegen von steuerlichen Altlasten eine erheblich strafmildernde Wirkung. Daneben gibt es bei solchen Erbfällen häufig Schwierigkeiten mit der Datenlage (auch der Hauptwissensträger ist nicht mehr da) und es werden Schätzungen erforderlich. Insofern empfiehlt sich immer das Hinzuziehen eines Experten.

Passt das Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige noch in der heutigen Zeit?
Das Instrument der Selbstanzeige ist in der heutigen Zeit auf jeden Fall noch legitim und hat Zukunft. Die Einschränkungen der letzten Jahre haben sicherlich die Hürden erhöht, führen aber keinesfalls dazu, dass die Abgabe einer Selbstanzeige unmöglich geworden ist.

Zur Person: Philipp Külz ist Partner der Sozietät Ebner Stolz in Köln. Der frühere Staatsanwalt berät in wirtschafts- und steuerstrafrechtlichen Fragen.

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