Von den 19 Ländern der Euro-Zone schafften nur Spanien und Zypern stärkere Zuwächse, wie aus den am Freitag veröffentlichten Daten des Statistikamtes Eurostat hervorgeht. "Die deutsche Wirtschaft ist gut in das Jahr 2016 gestartet", betonte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Allerdings geht sei Haus davon aus, dass dieses Tempo nicht gehalten werden kann. Denn es ist auch Sondereffekten wie dem milden Winter geschuldet, zudem bleiben Risiken wie ein EU-Ausstieg Großbritanniens.

"Nach diesem Paukenschlag dürfte das Orchester vorerst wieder leiser spielen", sagte KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner. "Ganz so kräftig wird das Wachstum nicht bleiben, aber hoch genug, damit die Beschäftigung weiter steigt", ergänzte der Europa-Chefvolkswirt der schwedischen Bank Nordea, Holger Sandte. Das Wirtschaftsministerium erklärte, dass vor allem die Bauunternehmen viele Projekte wegen der milden Witterung vorziehen konnten. Dadurch dürfte "die übliche Frühjahrsbelebung etwas schwächer ausfallen".

Impulse kamen im ersten Quartal aus dem Inland. "Die privaten Haushalte und der Staat erhöhten ihre Konsumausgaben zum Jahresbeginn", erklärte das Statistische Bundesamt. Wegen der Rekordbeschäftigung, steigender Löhne und niedriger Inflation sitzt das Geld bei den Verbrauchern locker, während der Staat mehr für Unterbringung und Versorgung Hunderttausender Flüchtlinge ausgibt. Auch die Investitionen legten zu. Sowohl in Bauten als auch in Ausrüstungen wie Maschinen und Fahrzeuge sei deutlich mehr investiert worden. Der Außenhandel lief dagegen nicht mehr ganz so rund, weil die Importe stärker stiegen als die Exporte. Letztere leiden unter der schwächelnden Nachfrage aus großen Schwellenländern wie China und Russland.

EURO-ZONE STICHT USA AUS



Daran dürfte sich so schnell nichts ändern. "Die Exportaussichten werden sich voraussichtlich nur langsam aufhellen", erklärte das Wirtschaftsministerium. Während das Übersee-Geschäft schwächelt, dürfte die Nachfrage aus Europa robust bleiben. So wuchs das BIP der Euro-Zone im ersten Quartal um 0,5 Prozent, während die USA - die weltgrößte Volkswirtschaft - nur auf 0,1 Prozent kamen. "Noch wichtiger ist aber der Rückgang der Arbeitslosenquote auf ein Fünf-Jahres-Tief", führte KfW-Chefvolkswirt Zeuner aus. "Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der private Konsum den Aufschwung weiter tragen kann."

Für das Gesamtjahr rechnet die Bundesregierung mit einem BIP-Anstieg von 1,7 Prozent. Das wäre genauso viel wie 2015. Im kommenden Jahr sollen es dann 1,5 Prozent sein. "Unsere Aufgabe ist es, diesen Schwung für Investitionen in Bildung, moderne Infrastruktur und Innovation zu nutzen", unterstrich Gabriel.

Ein großes Risiko für die deutsche Konjunktur ist der Ausgang des britischen Referendums am 23. Juni über einen EU-Verbleib des Landes. Sollte es zum sogenannten Brexit kommen, schließen die Volkswirte der DZ Bank eine Rezession in Deutschland zum Jahreswechsel nicht aus. Im schlimmsten Falle drohten der deutschen Wirtschaft bis Ende 2017 Wachstumsverluste von bis zu 45 Milliarden Euro. Hauptgrund: Großbritannien - nach den USA und Frankreich drittgrößter deutscher Exportkunde - droht bei einem EU-Abschied ein Konjunkturknick. Bereits im ersten Quartal verlangsamte sich das Wachstum auf 0,4 Prozent. Zudem könnte der weltweite Finanzsektor leiden, sollte es zu Turbulenzen am Aktien- und Devisenmarkt kommen.

Reuters