Der Unterschied der Länder zeigt sich hauptsächlich in klaren wirtschaftspolitischen Entscheidungen und ihrer effektiven Umsetzung. Vietnam weist hier beeindruckende Ergebnisse vor. Natürlich spielt das politische System eine große Rolle. Entscheidungen können leichter getroffen und Reformen einfacher umgesetzt werden, wenn die Politiker keine Rücksicht auf Wiederwahlen oder unwillige Lokalregierungen nehmen müssen. Trotz allem ist Vietnams Exporterfolg außergewöhnlich: In den zurückliegenden 20 Jahren sind seine Exporte doppelt so schnell gewachsen wie die Chinas. Besonders in jüngster Zeit ließ Vietnam den Wettbewerb hinter sich. So wundert es nicht, dass alle Welt dort investieren möchte. Die starken ausländischen ­Kapitalzuflüsse - allein die Direktinvestitionen betragen rund 20 Milliarden US-Dollar jährlich - halten die Währung stabil, Inflation und die Zinsen bleiben niedrig. Der daraus resultierende Konsumboom ist derzeit einer der stärksten im gesamten Schwellenländeruniversum.

Gleichzeitig hat das Anlegerinteresse an Indonesien in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen. Der Zinsunterschied zwischen Indonesien und den USA hat viele spekulative Gelder angezogen. Jetzt, wo die Regierung in Jakarta einen deutlich populistischeren Kurs eingeschlagen hat, sind diese spekulativen Investitionen unter Druck geraten, und es wird zunehmend schwierig, die Rupiah stabil zu halten. Dies wird voraussichtlich zu einer höheren Inflation führen, was die Regierung wiederum veranlassen könnte, den heimischen Konsumenten mit noch stärkeren Preisinterventionen als bisher unter die Arme zu greifen. So wird sich das Investitionsklima vermutlich nicht verbessern. Indonesiens Regierung unterstützt die Verbraucher auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Die großen Exportunternehmen bleiben fern oder verlassen das Land, um sich in anderen asiatischen Staaten niederzulassen.

Insgesamt hat Indonesien in den vergangenen Jahren bei der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Landes keine Fortschritte gemacht. Eines der Hauptprobleme ist das dezentrale politische System mit drei Regierungsebenen, welche die Wirtschaftspolitik nicht gut koordinieren. Die schlechte lokale Umsetzung von politischen Initiativen der Zentralregierung, große regionale Unterschiede in Bezug auf Arbeitsgesetze und eine ausufernde Korruption haben für ausländische Unternehmen ein schwieriges Umfeld für den Aufbau von erfolgreichen Produktionsstandorten in Indonesien geschaffen - trotz des Fortschritts der aktuellen Regierung beim Bürokratieabbau.

Die Divergenz in der wirtschaftlichen Entwicklung zwischen dem früheren asiatischen Tiger Indonesien und dem neuen Shootingstar Vietnam hat sich auch in den Aktienmärkten widergespiegelt. Indonesien bleibt seit zwei Jahren deutlich hinter dem Gesamtuniversum der Schwellenländer zurück, während das Land nach der Asien-Krise in den Jahren 1997 und 1998 für über ein Jahrzehnt stets besser abgeschnitten hatte. Das enttäuschende Wirtschaftswachstum und die zunehmende Bedeutung staatlicher Unternehmen zulasten von Privatunternehmen sind die wichtigsten Erklärungen für Indonesiens Underperformance bei Aktien. Der Schritt zu einer populistischeren Politik und die erhöhte Anfälligkeit in Zeiten einer geldpolitischen Normalisierung durch die US-Notenbank erklären, warum sich die Underperformance zuletzt beschleunigte.

Unterdessen hat sich der vietnamesische Aktienmarkt sehr gut entwickelt, vor allem seit dem Sommer 2017, nachdem die Regierung ein neues klares Bekenntnis zum Privatsektor, zu Privatisierungen und einer Liberalisierung der Wirtschaft abgelegt hatte. Solange die politische Divergenz zwischen Vietnam und Indonesien andauert, dürften sich auch die gegensätzlichen Performancetrends der beiden Aktienmärkte fortsetzen.

Maarten-Jan Bakkum: Bakkum verantwortet bei NN Investment Partners (NN IP) die makroökonomische Analyse der Schwellenländer und den Top-down-Investmentprozess für Schwellenländeraktien. Er besitzt einen Masterabschluss in Lateinamerika-Studien und studierte anschließend internationale Wirtschaftsbeziehungen. NN IP ist der Asset-Manager der NN Group mit Sitz in Amsterdam, die insgesamt rund 240 Milliarden Euro für institutionelle Kunden und Privatanleger weltweit verwaltet.