So langsam, aber sicher werden wir uns wohl darauf einstellen müssen: Es kommen andere Zeiten. 2016 war ja noch alles ganz einfach. Da stützte die lockere Geldpolitik der wichtigen Zentralbanken das globale Wachstum. Dazu kamen noch fiskalische und geldpolitische Maßnahmen der chinesischen Regierung. Insgesamt hielt das die Weltkonjunktur gut am Laufen. Und die Börsen ebenso. Nun flaut dieser Rückenwind ab. In den USA bremst die Notenbank Fed, in Europa denkt die EZB zumindest laut darüber nach. Und so scheint es, als ob weltweit das Wirtschaftswachstum vielleicht schon im Frühjahr den Zenit überschritten hat.

Der Schwung lässt etwas nach. Gut zu sehen ist das an den schwächeren Aufträgen in der Industrie. Ebenso lässt der Welthandel leicht nach. Alles auf hohem Niveau wohlgemerkt - eine baldige Rezession scheint unwahrscheinlich!

Interessant ist in diesem Zusammenhang seit einigen Wochen die Rotation an den Börsen. Etwa in den USA: Da verlieren die Techwerte des Nasdaq-Index insgesamt doch deutlich an Wert, gleichzeitig steigen die Notierungen der guten alten Industrieaktien des Dow Jones, ebenso der Finanztitel und der Ölaktien. Üblicherweise treten solche Sektor-Rotationen - raus aus den zyklischen Aktien - tendenziell gegen Ende eines Börsenaufschwungs auf.

Ein Warnsignal also. Wir haben das ja an dieser Stelle oft genug geschrieben. Was könnte da jetzt noch helfen? Vielleicht Donald Trump, der die Konjunktur mit einem Stimulierungspaket ankurbelt? Schwer einzuschätzen, schließlich hat der US-Präsident größte Probleme, seine Agenda gegen vielerlei Widerstände durchzusetzen. Außerdem müsste so ein Paket ein erhebliches Volumen aufweisen, um tatsächlich zu wirken - gerade weil sich die Konjunktur ganz offensichtlich in einer späten Phase des Zyklus befindet. Um es noch einmal zu wiederholen: Es wird schwierig. Wenn man so will, dann stecken die Notenbanken, vor allem die Fed, in einem Dilemma. Der Höhenflug an den Aktienmärkten, die niedrigeren Renditen, die engeren Risikoaufschläge bei Unternehmensanleihen und der schwächere Dollar dürften die Fed bestärken, die Geldpolitik weiter zu straffen.

Das Problem ist nur, dass Wachstum und Inflation eventuell doch deutlicher nachlassen als bisher angenommen. Übereilte Zinserhöhungen könnten daher die Börsenrally radikal ausbremsen. Der Geldfluss, der gerade die Aktienmärkte gestützt hat, in den USA, in Europa, in den Schwellenländern, er könnte versiegen. Das ist das negative Szenario.

Dazu kommt, dass bisher die aktuellen politischen Risiken an der Börse komplett ausgeblendet werden, so als ob wir in der besten aller Welten lebten. Das dürfte sich aber ändern, sobald sich der konjunkturelle Aufschwung definitiv weiter abschwächt und die Zentralbanken sich noch stärker von der ultralockeren Geldpolitik verabschieden. Dann werden auch die normalen Reflexe der Marktwirtschaft wieder zur Geltung kommen und politische Risiken auch am Kapitalmarkt wieder stärker spürbar werden.

Dennoch muss man jetzt nicht panisch alles verkaufen. Denn Tatsache ist auch, dass sich trotz steigender Kurse insgesamt noch keine Euphorie an der Börse eingestellt hat. Solange das so ist, dürfte eine nachhaltige Trendwende nach unten noch auf sich warten lassen. Aber bleiben Sie wachsam!

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com