Wer gewinnt die Oberhand an den Märkten? Die Bären? Oder bekommen doch wieder die Bullen die Dinge in den Griff? In den zurückliegenden Wochen gab es sicherlich genügend belastende Faktoren, die für die Bären sprechen. Fundamental wie technisch. Die großen Techaktien beispielsweise, die auch lange zum starken Momentum der Börsen beigetragen haben, sind angeschlagen. Da geht die Sorge vor drastischer -Regulierung um. Es wundert nicht: Zuletzt war die Marktkapitalisierung im Tech-bereich größer als zur Bubble-Zeit Anfang der Jahrtausendwende.

Sollten die großen Techaktien nun als Zugpferde für die Börse ausfallen, müssten andere einspringen. Was gar nicht mal so unmöglich ist. Zuletzt haben zum Beispiel die mittelgroßen und kleinen Werte im Technologiebereich eine Art Führungsrolle übernommen. Gut zu sehen ist das am Nasdaq 100, weil in diesem Index alle Aktien gleich gewichtet sind. Und der lief zuletzt besser als jene Indizes, in denen die Bluechips den Ton angeben.

Ebenfalls einspringen könnten klassische Industrie-Aktien, da zuletzt die Investitionsausgaben für längerfristige Anlage-güter - etwa Maschinen oder Gebäude - deutlich zulegten. Insgesamt ist es nach wie vor so, dass die Gewinnaussichten für die Unternehmen allgemein rosig sind. Es gibt sie also doch, die Argumente, die für ein Comeback der Bullen sprechen.

Damit es aber nicht zu einfach wird, ist auch die Liste der Argumente für die Pessimisten nicht schlecht gefüllt. Hauptargument ist hier nach wie vor der Zins. Genauer gesagt: die strengere Geldpolitik und die Aussicht auf weitere Leitzinserhöhungen gerade in den USA.

Dazu kommen politische Sorgen. Zum einen der Handelsstreit, bei dem China 128 US-Produkte mit Zöllen von 15 bis 25 Prozent belegt hat. Kein Aprilscherz. Das belastete die Märkte noch mal richtig. Zuletzt sah es fast nach Verkaufspanik aus. Da muss jetzt eigentlich eine Gegenreaktion nach oben kommen. Ein weiterer Faktor, der den Börsianern nicht schmeckt, ist die Ernennung von John Bolton zum neuen Sicherheitsberater des US-Präsidenten. Bolton gilt als Radikaler, der auch schon laut über Angriffe auf Nordkorea und den Iran nachgedacht hat. So etwas gehört dann in die Rubrik "Geopolitische Spannungen". Auch nicht gerade förderlich für die Börsenstimmung.

Was wiegt also schwerer? Das positive Momentum bei der Gewinnentwicklung der Unternehmen oder die nicht mehr so laxe Geldpolitik gepaart mit politischen Unwägbarkeiten? Vielleicht ist dies aber auch die falsche Frage. Vielleicht geht es aktuell eher darum, was zuerst von Bedeutung ist. Und das könnten tatsächlich nun die Gewinnzahlen sein, weil die Berichtssaison in den USA demnächst startet. Hier liegen die Schätzungen für die Steigerung der Profite mit einem Plus von 17 Prozent auf einem sehr hohen Niveau. Das spricht für steigende Kurse, zumal die zurückliegenden schwachen Wochen dafür sorgten, dass der Markt extrem überverkauft ist und die Stimmung gedrückt - beides Kontra-Indikatoren, die für die Optimisten sprechen.

Längerfristig sind Sorgen aber berechtigt. Vor allem die Aktionen und Aussagen der amerikanischen Notenbank Fed muss man als Börsianer im Auge behalten. Die Gefahr, dass hier zu schnell die Geldmenge verknappt wird, ist sicherlich hoch. Und damit auch die Gefahr einer Rezession im späteren Verlauf des Jahres.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com