Das hört man nicht gern an der Wall Street: Vom Verschieben der Steuerreform ist die Rede. Einigen Republikanern sind die Ideen ihres Präsidenten vielleicht doch zu radikal. Donald Trump plant ja auch die größten Einschnitte, die Amerika seit drei Jahrzehnten erlebt hat. Das Steuersystem soll vereinfacht werden, die Belastung abnehmen. Vor allem die Unternehmensteuer soll dabei sinken: von jetzt 35 auf 20 Prozent. Die Republikaner im US-Senat kündigen da aber Widerstand an. 20 Prozent, sagen sie, könne man sich nicht leisten. Daher wäre es am besten, das ganze auf Eis zu legen. Bis 2019 vielleicht.

Die Reaktion an den Märkten war eine Mischung aus Gewinnmitnahmen und ausbleibender Kauflaune. Klar, die angekündigte Steuerreform war ja auch monatelang ein guter Grund, Aktien zu kaufen. Bliebe sie aus, wären die aktuell doch recht hohen Bewertungen am Aktienmarkt eher nicht gerechtfertigt.

Eine größere Kurskorrektur wäre im Fall eines tatsächlichen Scheiterns der Steuerpläne sehr wahrscheinlich. Allerdings wäre das dann wohl noch einmal eine gute Chance, Aktien nachzukaufen. Denn ungeachtet der möglichen Auswirkungen einer verkorksten Tax-Reform und auch der Implikationen des von den USA gerade abgesagten TPP-Handelsabkommens sind die mittelfristigen Aussichten für die Börse immer noch gut.

So berichten die Unternehmensbeob-achter von FactSet, dass die fast beendete Berichtssaison in den USA das geliefert hat, was schon in den zurückliegenden Jahren der Fall war: Die tatsächlichen Gewinne und Umsätze haben mal wieder die Erwartungen bei Weitem übertroffen. Auch der Ausblick auf 2018 ist positiv - mit oder ohne Steuerreform.

Gleichzeitig geht in den USA die Arbeitslosigkeit weiter zurück. Zuletzt wurde mit einer Quote von 4,1 Prozent ein so niedriger Stand erreicht wie seit 17 Jahren nicht mehr. Der positive Effekt: steigendes Konsumentenvertrauen.

Und es sind ja nicht nur die USA, die für positive Nachrichten sorgen. Beflügelt vom Außenhandel und von steigenden Investitionen vieler Unternehmen hat etwa die deutsche Wirtschaft ihr Wachstumstempo im dritten Quartal erhöht. Gleichzeitig legten in den anderen Ländern der Eurozone die Wachstumsraten bei Bruttoinlandsprodukt, Industrieproduktion, Einzelhandelsumsatz sowie Geschäfts- und Konsumklima im Vergleich zu den Vormonaten weiter zu.

Letztlich bleiben wir also bei unserer Einschätzung: Für eine weitere Aufwärtsbewegung an den Aktienmärkten sprechen neben der gut verlaufenen US-Berichtssaison sowie den robusten Konjunkturdaten in der Eurozone das positive Momentum an den Börsen selbst und die trotz der leichten Kursverluste der zurückliegenden Woche immer noch relativ hohe Risikoneigung. Gleichzeitig sind die relativ hohen Bewertungen noch kein Grund zur Sorge, weil eben die Gewinnentwicklung bemerkenswert robust ist.

Nach dem Erreichen der 13 500 Punkte hat sich der DAX schlicht und einfach auch mal eine Verschnaufpause verdient. Dazu passt, dass - abgesehen von der US-Steuerreform - die Agenda wichtiger Börsenevents bis Jahresende eher dünn ist. Die wirklich wichtigen Notenbanksitzungen liegen ja auch schon hinter uns. Bei den noch offenen Terminen scheint wiederum klar, dass der nächste Fed-Zinsschritt im Dezember gesetzt ist und von der Europäischen Zentralbank wohl keine großen Neuigkeiten kommen dürften. Also dranbleiben.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com