Es gibt ja Börsianer, die finden, dass die Entwicklung der Zinsen in den zurückliegenden Wochen fatale Signale für den Aktienmarkt geliefert hat. Vor allem die USA sind dabei gemeint: Als dort die Rendite zehnjähriger Anleihen an die Marke von 3,0 Prozent heranrückte, rutschten die Aktien an der Wall Street drastisch ab - als ob diese drei Prozent Zins eine Art rote Linie darstellten. In der Folge gaben dann auch die europäischen Märkte nach - siehe DAX - sowie die Kurse in Fernost. Immerhin: Zuletzt erholten sich die Kurse wieder.

Vielleicht erscheinen Anleihen ab jenen ominösen drei Prozent für viele Anleger wieder als rentable Anlagealternative, gerade in Relation zu den stark gestiegenen und teils überbewerteten Aktien. Wirklich beantworten lässt sich dies aber wohl erst dann, wenn klarer wird, wohin die US-Notenbank Fed künftig tendiert in Sachen Zins. Janet Yellen hat die US-Wirtschaft bekanntlich lange und gut gesteuert. Wird ihr Nachfolger Jay Powell nun genauso gute Arbeit leisten? Zuletzt war die Inflation recht nah an das Ziel der Zentralbank von zwei Prozent herangerückt. Das ist gut, gleichzeitig aber eine echte Herausforderung. Wie wird die Fed darauf reagieren, gerade auch weil die steigenden Löhne für einen gewissen Inflationsdruck sorgen? Das Risiko, dass die Fed überdreht, ist jedenfalls gestiegen.

Ironischerweise haben die Märkte ja in einem Moment korrigiert, in dem die meisten Analysten und Strategen die Entwicklung der Weltwirtschaft immer optimistischer einschätzten und ihre Prognosen nach oben revidiert haben. Und es waren auch nicht die üblichen Risiken, die für das Minus gesorgt haben, also Geopolitik, Rohstoffpreise, Unternehmensergebnisse oder die hohe Verschuldung in China. Nein, es war der Zins. Nur der Zins. Vielleicht ist dies ein Faktor, den viele noch nicht recht auf der Rechnung hatten, der jetzt erst einmal eingeschätzt werden muss - was weiteres Hin und Her an der Börse zur Folge hätte.

Bisher ging man ja davon aus, dass die Fed den Zins in diesem Jahr wohl dreimal erhöhen wird. Inzwischen jedoch scheinen auch vier oder fünf Schritte nicht unwahrscheinlich. So oder so hat das dann - früher oder später - deutliche Auswirkungen auf die Geldmenge. Ihr Wachstum lässt ja nun schon seit einiger Zeit nach. Was nicht weiter schlimm ist. Gefährlich wird es erst, wenn es keinen Zuwachs mehr gibt, sondern wenn die Geldmenge schrumpft. In der Vergangenheit war es dann jedenfalls so, dass eine Rezession in der Folge kaum mehr zu vermeiden war - mit dem entsprechenden Abschwung am Aktienmarkt.

Grundlegend ist die Situation für die kommenden Monate dennoch positiv. Die Weltwirtschaft wird 2018 wohl stark wachsen, was Preissteigerungen nahe den Inflationszielen der Zentralbanken und ein kräftiges Wachstum der Unternehmensgewinne ermöglicht. Für die Aktienmärkte ist dies ein gesundes Fundament. Statt Liquiditätsschwemme und Negativzinsen wird es allerdings seitens der Geldpolitik künftig weniger Rückenwind geben. Höhere Inflationsraten und Zinsen stellen kurz- bis mittelfristig die größten Herausforderungen dar. Erfreulich: Immer mehr Menschen profitieren vom Börsenaufschwung. Die Anzahl der Aktionäre und Besitzer von Aktienfonds ist mit zehn Millionen Bundesbürgern so hoch wie seit 2008 nicht mehr. Aber vielleicht ist das ja auch ein Warnsignal?

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com