von Axel Retz

"Getürktes Wachstum, getürktes Geld, getürkte Jobs, getürkte Finanzstabilität, getürkte Inflationszahlen und getürkte Einkommenszuwächse", brandmarkte US-Hedgefondsmanager Paul Elliot Singer in seinem neuesten Quartalsbrief an seine Investoren. Und er stellte die Frage, wie lange die Regierungen damit wohl noch durchkommen werden.

Dass sich Mr. Singer, der laut Forbes zu den reichsten 400 Amerikanern gehört, dermaßen ereifert, ist nicht verwunderlich. Verwunderlich ist vielmehr, dass es bis jetzt so wenige sind, die Kritik an den ihnen aufgetischten Daten üben. Offiziell ist die Arbeitslosenquote auf 5,8 Prozent gesunken. Aber: Der Anteil der US-Bürger im arbeitsfähigen Alter, die auch tatsächlich einer geregelten Arbeit nachgehen, fiel in den vergangenen 14 Jahren von 64,2 Prozent auf 59,2 Prozent, womit die sgn. Erwerbstätigenquote heute auf dem Stand von Mai 1978 liegt. Hinzu kommt, wie der Hedgefondsmanager ausführt, dass viele Vollzeitjobs durch Teilzeitjobs ersetzt und gut bezahlte Stellen in schlecht vergütete umgewandelt wurden. "Wir glauben nicht, dass der Optimismus (zur US-Wirtschaft) berechtigt ist und wir glauben, dass viele der Daten frisiert oder irreführend sind", schlussfolgerte der Finanzprofi.

Dass ich Mr. Singers Annahmen teile, wissen Sie. Und ich hege den klammheimlichen Verdacht, dass das sehr, sehr viele andere ebenfalls tun. Aber während ein sinkendes Schiff auch sinkt, wenn seine Passagiere das nicht wahrhaben wollen, sinken Börsen eben nicht, solange ihre Passagiere am Offenkundigen vorbei sehen. Aber wehe, wenn einmal ein Big Player mit dem Verkaufen den Anfang macht …

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Euro-Rettung: Aufschwung, dass die Schwarte kracht

Dass die Eurokrise so gut wie überwunden ist, hat sich ja mittlerweile zu einer Art Mantra aus Brüssel entwickelt. Und keine Woche vergeht, in der uns nicht neue Fortschritte vermeldet werden. Sehen wir uns einfach einmal ein paar Charts an, die allesamt von www.querschuesse.de stammen:



Wie das italienische Statistikamt ISTAT am Montag bekanntgab, sank der saisonbereinigte Output der italienischen Industrie im September erstmals unter das Tief der sgn. Finanzkrise. Und während Europa und vor allem EZB vor der Deflation zittern, hat Italien sie bereits. Denn zuletzt ist die Entwicklung der Verbraucherpreise erstmals wieder negativ geworden. Erstmals seit 1959!



Aus Griechenland kommen auch recht eindeutige Daten. Dort fiel die Anzahl der Baugenehmigungen im August d. J. landesweit auf nur noch 865 zurück, was im Vergleich zum Vorjahresmonat einem Minus von 19,9 Prozent entsprach. Um diese Entwicklung richtig einordnen zu können, ist der Blick auf 2005 ganz aufschlussreich. Damals wurden 97.641 Baugenehmigungen erteilt. Und wie Sie im Chart erkennen, markieren die jetzigen Augustzahlen den tiefsten Stand der gesamten Datenreihe. Wohin die gloriose "Rettungspolitik" der Troika geführt hat, wissen Sie ja zumindest bei den Arbeitslosenzahlen. Aber nicht minder sehenswert ist die Entwicklung der Arbeitnehmerentgelte.



Im Vergleich zum zweiten Quartal 2009, also in genau fünf Jahren, fielen die Realeinkommen der Arbeitnehmer bis zum zweiten Quartal des laufenden Jahres um 39,7 Prozent. Natürlich, so die Ausführungen aus Brüssel und Berlin, um das Land wieder wettbewerbsfähiger zu machen. Wie gut das funktioniert hat, zeigt sich in der Entwicklung der Produzentenpreise, im Chart aufgetragen gegen den deutschen PPI:



Sie sehen: Das Athen aufgezwungene Lohndumping hat zu keiner nennenswerten Absenkung der Herstellerkosten geführt; im Vergleich zu Deutschland ist Griechenlands Wettbewerbsfähigkeit eine Katastrophe. Und ein Beleg für die Erfolglosigkeit der "Rettung" durch die Troika. Und da wir letztlich über Menschen und nicht über Zahlen reden, nun ein weiterer Chart, der das Sparverhalten der Griechen (verfügbare Einkommen minus Konsumausgaben/Mieten) zeigt.



Sie sehen: Die privaten Haushalte leben buchstäblich von der Substanz (soweit im Einzelfall überhaupt vorhanden). Und wenn Brüssel oder die Bundeskanzlerin verlautbaren lassen, dass Griechenland in seinem Reformeifer nicht nachlassen dürfe, dann kann man sich nur wundern, mit welcher scheinbaren Gelassenheit das bis jetzt verdaut wurde.

Die Erfolge der "Euro-Rettung" und der EZB-Politik sind "bemerkenswert". Und sieht man sich die abgebildeten Charts an, kann man nur zu der Schlussfolgerung gelangen, dass uns von Politik und Medien zur verbesserten Lage der Krisenländer einfach ziemlicher Bockmist verkauft wird. Und nun lassen wir mal die nächste Rezession kommen. Nach ihr droht, wenn nicht endlich Vernunft in die Betonköpfe einzieht, Europa ein anderes zu sein.

Auf Seite 3: Wall Street: Megaphon Nummer zwei



Wall Street: Megaphon Nummer zwei

In der vergangenen Woche hatten wir wieder einmal den Blick auf das riesige charttechnische "Megaphon" des Dow Jones gerichtet, dass der Index auf Monatsbasis nun erstmals nach oben durchbrechen konnte. Auf Tagesbasis haben wir es nun im S&P 500 ebenfalls mit dieser Formation zu tun, die häufig auch als "expandierendes Dreieck" oder "broadening top" bezeichnet wird.



Quelle: www.private-profits.de

Potentiell ist dieses Chartmuster gefährlich. Und da der Kurs am Dienstag wieder genau an die obere Begrenzungslinie gestoßen ist, ist eine gewisse Vorsicht anzuraten. Gegen drohendes Ungemach spricht bis jetzt der Momentum-Indikator, in dem sich nicht einmal ansatzweise eine negative Divergenz findet. Aber das kann sich rasch ändern.

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DAX mit Verkaufssignalen

Interessant werden dürfte das dann natürlich sofort auch für den DAX werden, der gestern im Tageschart unter die steile, seit Mitte Oktober etablierte Aufwärtsgerade gefallen ist.



Quelle www.private-profits.de

Aber auch der heutige Tag hat es in sich. Denn auf Tagesbasis hat der DAX nun in fünf Handelstagen im Candlestickchart gleich zwei Verkaufssignale gegeben.



Quelle: www.private profits.de

Am Donnerstag und Freitag entstand hier ein sgn. Dark Could Cover"-Muster, während Montag, Dienstag und gestern zusammen einen "Evening Star" bildeten. Wichtig ist nun, dass die Bullen zum Handelsende heute Abend ein Plus vermelden können. Ansonsten wird es etwas herbstlicher.

Viel Erfolg und beste Grüße

Axel Retz

Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt die Portale www.private-profits.de und www.moneyversum.de .

Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt die Portale www.private-profits.de und www.moneyversum.de .