Noch im Oktober 2018 rentierten deutsche Staatspapiere bei 0,56 Prozent. Und alle sprachen davon, dass es mit der Normalisierung der Geldpolitik nun stetig vorangehen müsse. Doch es kam anders. Die Konjunktur machte dem einen Strich durch die Rechnung. Insbesondere das verarbeitende Gewerbe in Europa schwächelt. Es leidet unter dem eingetrübten Welthandel. Auch die Autobranche kommt unter die Räder.

Davor kann auch die EZB die Augen nicht verschließen. Dabei hatte die Notenbank gerade erst begonnen, ihre Geldpolitik zu normalisieren. Zum Jahreswechsel beendete sie ihr Anleihekaufprogramm und eine erste Zinser­höhung rückte mehr oder weniger in greifbare Nähe. "Rolle rückwärts" hieß es dann auf der März-Sitzung. Aktuell schätzt die EZB die Wachstumsaussichten für die Eurozone als schlechter ein als bisher und behält daher ihre lockere Geldpolitik doch noch länger bei.

Die Notenbankeinschätzungen sowie enttäuschende Konjunkturdaten führten dazu, dass die zehnjährige Bundesanleihe erstmals seit drei Jahren kurzzeitig wieder in den negativen Bereich rutschte. Diese Reaktion scheint übertrieben. Was sind neben der Konjunktur­eintrübung und der geldpolitischen 180-Grad-Wende die Gründe für dieses Zins­tief? In der Eurozone fungiert die Bundesanleihe mangels Alternativen mehr oder weniger als einziger sicherer Hafen. Das Brexit-Drama sowie der Handelskonflikt sorgten entsprechend dafür, dass die Anleger stärker bei deutschen Staatsanleihen zugegriffen haben und es auch weiter tun werden. Mit einer Verschuldung von etwa 60 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts ist Deutschland ohnehin ein beliebter Emittent. Und auch wenn die EZB keine neuen Anleihen mehr kauft, behält sie die bereits erworbenen im Bestand und reinvestiert sie bei Fälligkeit.

Niedrigzinsen bleiben also hierzulande ein Dauerbrenner. Gleichzeitig sind die Wachstumsraten gering und die Inflation liegt wieder deutlich unter der EZB-Marke von zwei Prozent. Kein Wunder, dass von einer "Japanisierung" der Eurozone gesprochen wird. Die Rendite der zehnjährigen japanischen Staatsanleihe geht seit knapp 30 Jahren kontinuierlich zurück und liegt schon längere Zeit an der Nulllinie, teilweise sogar im negativen Bereich.

Das Land schlägt sich seit den 90er-Jahren mit niedriger Inflation - jahrelang sogar mit einer Deflation, also einem Umfeld fallender Preise - und schwachem Wachstum herum. Die japanische Notenbank (BoJ) setzt einen bunten Strauß von Maßnahmen ein, die aber ihre Wirkung weitestgehend verfehlen. Ist die Eurozone auch in diesem Umfeld angekommen, aus dem es so schnell kein Entrinnen gibt?

Aktivität im Depot ist gefragt

Trotz vieler Ähnlichkeiten gibt es auch Unterschiede. Bei uns wirken zwar wie auch in Japan säkulare Faktoren wie die demografische Entwicklung und die strukturell abnehmende Produktivität wachstumsbelastend, gesellschafts- und wirtschaftspolitisch beschreitet ­Europa aber andere Wege. Bei den Themen Immigration sowie Ausweitung der Lebensarbeitszeit, insbesondere von Frauen, ist Europa deutlich weiter - genau wie beim Thema robuste Lohnentwicklung. Und zuletzt hat die EZB, auch als Lehre aus der japanischen Erfahrung, viel aggressiver auf die jüngsten Krisen reagiert, als es die BoJ im Zuge der Krise in den 90er-Jahren getan hat.

Man kann insofern von einer Art "Japanisierung" sprechen, dass die EZB vergleichbare Schwierigkeiten hat, von der expansiven Geldpolitik loszukommen. Die Renditen von deutschen Staatsanleihen werden mittelfristig ebenfalls auf niedrigen Niveaus bleiben.

Und obwohl sich aktuell das Konjunkturbild eingetrübt hat, dürfte der sichere Hafen Bundesanleihe weiter gefragt bleiben. Für das Jahr 2019 rechnen wir dennoch mit einem moderaten Anstieg der Renditen zehnjähriger Bundesanleihen weg von der Nulllinie bis auf 0,45 Prozent. Dies rührt daher, dass wir in der zweiten Jahreshälfte von einer Stabilisierung der Wirtschaft ausgehen. Der Weg hin zu auskömmlichen Renditen ist zwar lang und steinig, für Anleger bieten sich dennoch Chancen, wenn sie ihr Depot international aufstellen und dabei auch Nischen oder Unternehmensanleihen in Betracht ziehen.

zum Gastautor:

Christian Kopf, Leiter
Rentenfondsmanagement Union Investment

Christian Kopf leitet seit 2017 das Rentenfondsmanagement von Union Investment mit mehr als 50 Mitarbeitern und gut 60 Milliarden Euro an Kundengeldern. Er ist eines von sechs Mitgliedern des Union Investment Committee (UIC). Das UIC formuliert auf monatlicher Basis die Kapitalmarktstrategie von Union Investment und setzt damit die Leitplanken für die ­taktische Steuerung der Fonds durch die einzelnen Portfoliomanager.