Man kann es gar nicht oft genug wiederholen: Die jüngste Rally an der Wall Street, die so manchem Anleger nicht recht geheuer ist, sie kommt nicht von ungefähr. Nein, sie wird schlicht durch einen wirklich ungewöhnlich starken Anstieg der Gewinnprognosen gestützt.

Dabei muss man wissen, dass besagte Gewinnprognosen sehr häufig einem typischen Muster folgen. Die ersten Schätzungen der Aktienanalysten fallen meistens zu optimistisch aus. Schrittweise werden die Prognosen dann reduziert. Dieses Muster zeigte sich in den Jahren 2012 bis 2016 ganz gut. 2017 jedoch war anders, ganz anders: Die Gewinnschätzungen blieben im Jahresverlauf stabil. Da wurde nichts nach unten revidiert. Und am Jahresende war es so, dass die ursprünglichen Prognosen sogar übertroffen wurden. Sehr ungewöhnlich.

Schnee von gestern, könnte man jetzt argumentieren. Doch immerhin erklärt diese Abweichung vom üblichen Muster, warum es im Jahresverlauf nur so mickerige Korrekturen am Aktienmarkt gab. Und jetzt kommt’s: 2018 wird wohl auch ungewöhnlich werden. Oder besser gesagt: Es ist schon jetzt ungewöhnlich.

Gestützt durch die US-Steuerreform, den steigenden Ölpreis und das starke ökonomische Umfeld wurden die Gewinnprognosen zu Jahresbeginn sprunghaft um volle vier Prozentpunkte angehoben. Das ist enorm. Und es erklärt die noch steilere Rally im noch jungen Jahr.

Allerdings könnte sich dieser ungewöhnliche, eklatante Sprung nach oben im Verlauf des Jahres als Hypothek erweisen - nämlich dann, wenn die Prognosen nach dem altem Muster zurückgenommen werden sollten. So nach dem Motto: Was hoch steigt, fällt tief. Es könnte so kommen, muss aber nicht.

Aber so oder so wird das Jahr 2018 wohl zu einer echten Herausforderung für Aktienanleger. Letztlich wird es darum gehen, die Wirtschaftsdaten "richtig zu lesen", um ein eventuelles Kippen bei den Unternehmensgewinnen rechtzeitig zu erkennen - und damit einem Kippen der Aktienmärkte zuvorzukommen.

Die zurückliegenden Tage lieferten dafür einen guten Vorgeschmack. Am Freitag gab es neue Daten aus den USA, die man so oder so deuten kann: positiv, im Sinne von "weiter so", oder eben negativ, ab jetzt "Vorsicht!"

Zwischen Oktober und Dezember 2017 wuchs die US-Wirtschaft nämlich nur noch mit einer auf das Jahr hochgerechneten Rate von 2,6 Prozent, nachdem es im Sommer noch 3,2 Prozent waren. Eine deutliche Verlangsamung also. Geht man ins Detail, fällt jedoch auf, dass gewisse Teilbereiche überraschend gut waren, etwa die 3,8 Prozent Zuwachs bei den Konsumentenausgaben. Andererseits fielen die Bestellungen für langlebige Güter (ohne Flugzeuge) mit einem Minus von 0,3 Prozent eklatant schlecht aus.

Mal sehen, wie sich das alles in den kommenden Tagen auf die Börse auswirkt. Wenigstens kündigte US-Präsident Donald Trump während des Weltwirtschaftsforums in Davos keine neuen Strafzölle an, nachdem er schon die Einfuhr von Kühlschränken und Solarzellen mit Sanktionen belegt hatte. Auch die Aussagen von US-Finanzminister Steven Mnuchin, dass ein starker Dollar im Sinne der USA sei, könnte wieder für mehr Stabilität sorgen. Denn der zuletzt viel zu schnell erstarkte Euro ist eine Bürde für die Europäische Zentralbank, dämpft er doch die - gewollte - Inflation im Euroraum.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com