Diese Steuer trifft in der aktuellen Version die Falschen und schadet der Volkswirtschaft. Sie heißt zwar "Financial Transaction Tax" (FTT) soll aber nur auf Aktienkäufe von Unternehmen mit einer Mindestbörsenkapitalisierung von einer Milliarde Euro erhoben werden und 0,2 Prozent betragen.

Nach der Finanzkrise 2008 sollte eine Finanztransaktionssteuer - im großen europäischen Kontext gedacht - die Verursacher der Krise an den Kosten beteiligen und dazu dienen, eine Wiederholung einer solchen Krise möglichst zu verhindern. Aber schon der "europäische Kontext" fehlt. Denn nur neun von demnächst 27 EU-Ländern befürworten im sogenannten Klub der Willigen diese Steuer. Davon erzielen Slowenien und die Slowakei keine Erlöse und Griechenland bestenfalls zehn Millionen Euro. Dort gibt es nämlich keine beziehungsweise nur wenige Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von einer Milliarde Euro. Die Änderung ihres Steuerrechts kostet sie aber Geld. Deshalb sagt Bundesfinanzminister Scholz ihnen 50 Millionen Euro Transferzahlungen zu, damit sie im Klub bleiben. Denn für das Gesetz sind im Rahmen der vertieften Zusammenarbeit neben Deutschland mindestens neun weitere Länder notwendig. Ich sehe darin den Einstieg in einen Länderfinanzausgleich auf EU-Ebene auf Kosten des deutschen Privatanlegers.

Wie sieht der "europäische Kontext" also konkret aus? Zwei Drittel der Länder sind gar nicht dabei. Die vertiefte Zusammen­arbeit der anderen zehn ist selbst für ein Drittel der Beteiligten reine Symbolik, weil sie eine Steuer auf Nichts einführen. Dies hat Österreich erkannt und lehnt den Scholz-Vorschlag unmissverständlich und zu Recht ab. Die restlichen sechs von 27 Ländern sind für mich eine Splittergruppe in Europa. Ich finde es besser, sie den "Klub der Unwilligen" zu nennen - erst recht jetzt, wenn der Brexit neue Möglichkeiten bietet, den Finanzstandort London auszubauen. Die britische Stempelsteuer gilt nicht für nicht-britische Werte und schon heute finden rund 40 Prozent der Umsätze in deutschen DAX-Werten in London statt.

Weder BMW, Siemens noch Munich Re haben mit ihren Aktien die Finanzmarktkrise befördert. Private Anleger auch nicht! Die Finanzindustrie muss die Steuer zwar abführen, aber bezahlen werden die Aktienkäufer. Diese Steuer wäre schlecht für den deutschen Kapitalmarkt und schlecht für die Aktien­kultur in Deutschland. In Frankreich, das die Steuer 2012 eingeführt hat, weist der eigene Rechnungshof die Regierung darauf hin, dass die spekulativen Aktivitäten des Finanzsektors nicht eingedämmt, sondern nur die Aktiensparer benachteiligt wurden. Und weil die Einnahmen viel geringer als erwartet ausfielen, hat Frankreich sie flugs auf 0,4 Prozent erhöht. Wenn deutsche Politiker sich am im Koalitionsvertrag genannten "europäischen Kontext" festklammern, der inzwischen fehlt, ist dies heute nur ein Beleg dafür, dass es ihnen um Einnahmen und nicht mehr um die Verhinderung von Finanzkrisen geht. ­Scholz rechnet mit rund 1,5 Milliarden Euro für den Bundeshaushalt. Das ist erstens optimistisch und zweitens unvernünftig.

Die Einführung dieser Aktiensteuer hätte negative Folgen. Privatanleger würden riskante Termingeschäfte oder Derivate bevorzugen, institutionelle Investoren würden ihre Investitionen in ausländische Unternehmen umschichten. Der - politisch gewollte - Anreiz der Bürger, ihren eigenen Beitrag zur Altersvorsorge zu leisten, wird konterkariert. Die Finanzierung deutscher Unternehmen wird benachteiligt. Ich fordere die Mitglieder der Bundesregierung und des deutschen Bundestages auf, sich von der Aktiensteuer zu verabschieden und die Arbeiten auf internationaler Ebene einzustellen. Ein Zitat von Bert Brecht könnte ja ein Umdenken bewirken: "Kein Vormarsch ist so schwer wie der zurück zur Vernunft." Der Entwurf für die Finanztransaktion­steuer gehört in die Tonne - egal ob in Brüssel oder in Berlin.