Die nächsten Monate werden uns viel über die Form der kommenden globalen Erholung sagen. Trotz überschwänglicher Aktienmärkte bleibt die Unsicherheit im Hinblick auf Covid-19 allgegenwärtig. Deshalb wird, ungeachtet des Verlaufs der Pandemie, der bisherige weltweite Kampf gegen das Virus wohl noch lange Zeit Einfluss auf Wachstum, Beschäftigung und Politik haben.

Fangen wir mit den möglicherweise guten Nachrichten an. In einem optimistischen Szenario werden die Aufsichtsbehörden bis Ende 2020 zumindest zwei Covid-19-Impfstoffe der ersten Generation zugelassen haben. Dank spezieller regulatorischer und finanzieller Unterstützung von staatlicher Seite gehen diese Impfstoffe noch vor Abschluss der klinischen Studien am Menschen in Produktion. Unter Annahme ihrer Wirksamkeit werden Biotechunternehmen bis Ende 2020 bereits etwa 200 Millionen Dosen zur Verfügung stellen können und für die Produktion von weiteren Milliarden Impfdosen alles auf Schiene gebracht haben.

Mit etwas Glück werden die Bürger reicher Länder, die eine Impfung wollen, diese bis Ende 2021 auch erhalten. In China werden bis dahin praktisch alle geimpft sein. Einige Jahre später wird dies auf den Großteil der Weltbevölkerung zutreffen, auch auf Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern.

Dieses Szenario ist glaubwürdig, ob es allerdings auch verwirklicht wird, gilt noch lange nicht als sicher. Das Coronavirus könnte hartnäckiger sein als gedacht, und die Impfstoffe der ersten Generation könnten nur kurze Zeit wirksam sein oder schlimmere Nebenwirkungen haben als erwartet.

Selbst vom optimistischen Szenario kann aber nicht notwendigerweise auf eine rasche Rückkehr zum Einkommensniveau von Ende 2019 geschlossen werden. Es kann Jahre dauern, bis eine postpandemische Expansion - so sie überhaupt eintritt - im Gefolge einer tiefen Rezession die moderne Definition von Erholung (Rückkehr zum ursprünglichen Pro-Kopf-Einkommen) erfüllt.

Obwohl durch die Pandemie das riesige Problem der Ungleichheit in den Industrieländern hervorgehoben wird, leiden arme Länder weitaus mehr. Viele Schwellen- und Entwicklungsländer werden noch jahrelang mit Covid-19 zu kämpfen haben und mit der realen Möglichkeit eines verlorenen Jahrzehnts der Entwicklung konfrontiert sein.

Schließlich verfügen nur wenige Regierungen über die Möglichkeit, fiskalische Nothilfe in dem Umfang zu leisten, wie es die Vereinigten Staaten, Europa und Japan tun. Länger anhaltende Rezessionen in Ländern niedrigeren Einkommens werden wahrscheinlich zu einer Epidemie der Schulden- und Inflationskrisen führen.

Tiefe Wunden und dauerhafte Narben werden bleiben

Allerdings könnte die Covid-19-Krise auch in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften tiefe Wunden und dauerhafte Narben hinterlassen. Aufgrund der Bedenken hinsichtlich einer erneuten öffentlichen Gesundheitskrise oder einer weiteren Pandemie könnten Unternehmen zurückhaltender sein, wenn es um Investitionen und die Einstellung neuer Mitarbeiter geht.

In einer kürzlich auf dem jährlichen Jackson-Hole-Symposium präsentierten Arbeit argumentieren Julian Kozlowski, Laura Veldkamp und Venky Venkateswaran, dass die langfristigen kumulativen Kosten der Pandemie in den USA wohl zehnmal höher sein werden als die kurzfristigen Effekte. Dies teilweise aufgrund eines lang anhaltenden erhöhten Unbehagens in der Bevölkerung. Jeder Mensch, dessen Eltern oder Großeltern die Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre miterlebten, weiß, dass diese einschneidende Erfahrung ihr Verhalten lebenslang beeinflusste.

Die wichtigste Aufgabe der politischen Entscheidungsträger besteht darin, zu versuchen, die massive anhaltende Unsicherheit zu verringern und gleichzeitig den am stärksten betroffenen Personen und Wirtschaftssektoren weitere Nothilfe zukommen zu lassen. Dennoch wird die durch Covid-19 geschürte Unsicherheit die Weltwirtschaft, auch nachdem das Schlimmste vorüber ist, wohl noch lange belasten.

Copyright: Project Syndicate

Kenneth Rogoff:
Professor an der Harvard-Universität

Seit 1999 lehrt der Ökonomieprofessor an der US-Eliteuniversität Harvard. Von 2001 bis 2003 war er Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF). Internationale Beachtung fand 2010 sein Buch "Dieses Mal ist alles anders: Acht Jahrhunderte Finanzkrisen". Rogoff gilt zudem als einer der besten Schachspieler der USA und trägt den Titel eines Großmeisters.