Das Impftempo steigt, die Inzidenzen sinken, und die Unternehmen übertreffen in der derzeit laufenden Berichtssaison reihenweise die Erwartungen, was Umsatz- und Gewinnentwicklung angeht. Kein Wunder also, dass sich die Börsen insgesamt auf hohem Niveau halten. Basis dafür ist die voranschreitende Wiederbelebung der Volkswirtschaften, gestützt von Konjunkturprogrammen dies- und jenseits des Atlantiks und verstärkt vom Optimismus der Investoren.

"Dieser Optimismus hat zwei Standbeine: Entlastung und Unterstützung", heißt es dazu in einer Studie des französischen Vermögensverwalters Clartan. Einerseits Erleichterung durch den Erfolg der Impfstoffe, "die den Mobilitätsprozess in den entwickelten Ländern sichern", andererseits die monetäre und fiskalische Unterstützung. Besonders in den USA ist diese sehr massiv, angestoßen von der Regierung unter Präsident Joe Biden. Etwas weniger wird in der Eurozone ausgegeben. Interessant ist jedoch dabei, dass die Beihilfe in beiden Regionen eine kurzfristige Komponente umfasst - zur Unterstützung von Verbrauchern und Unternehmen - sowie eine längerfristige Komponente für Investitionen in die Infrastruktur, die in einem Umfang vonstatten gehen, den man seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat.

Laut Clartan gilt daher: Sofern sich die gesundheitliche Situation nicht wieder verschlechtert, was nicht auszuschließen sei, ist die Pandemie am Markt derzeit wohl verdaut.

Nicht geheuer


Trotzdem ist vielen angesichts der inzwischen hohen Kurse nicht mehr geheuer. Für manche gleicht die Börsendynamik einer Überhitzung, die nur noch wenig Raum für weiter steigende Indexstände lässt. Eine Korrektur sei daher überfällig. Dem steht jedoch entgegen, dass die Gewinnveröffentlichungen des ersten Quartals eine überwältigende Anzahl positiver Überraschungen aufweisen. Gleichzeitig fielen die Reaktionen an der Börse so aus, wie man es erwarten durfte. Das ist insgesamt ein positives Zeichen.

Ein gutes Beispiel hierfür sei Microsoft, heißt es bei Clartan. Trotz eines Umsatzanstiegs von 19 Prozent und einem Gewinnplus von 44 Prozent fiel die Aktie nach Bekanntgabe der Zahlen, weil die Markterwartungen dann doch höher gewesen waren.

Den gegenteiligen Effekt sah man beispielsweise beim Zahlungsdienstleister Worldline. Hier stieg der Kurs, obwohl der Umsatz um neun Prozent fiel. Grund dafür war, dass die Erwartungen nicht enttäuscht wurden, weil das Unternehmen in seinem Ausblick davon ausgeht, dass man ab dem zweiten Quartal wieder schwarze Zahlen schreiben wird. Alles eine Frage der Erwartungen also. Klar ist daher jetzt aber auch, dass es nach der anfänglichen Marktrally, durch die so ziemlich alles gestiegen ist, schwieriger geworden ist, gute Gewinne einzufahren. Inzwischen kommt es auf eine gute Aktienauswahl an. Die Qualität des Unternehmens und Bewertungskriterien sind jetzt wichtiger denn je.

Gut gemischt


Dabei muss man nicht zwangsläufig Substanzaktien allen Wachstumstiteln vorziehen. Beide Investmentstile haben ihre Berechtigung, wenn denn die Kriterien Qualität und Bewertung passen. Eine Diversifizierung in beiden Bereichen schützt zudem vor Euphorie, die immer wieder auftreten kann. Denn das zeichnet die aktuelle Marktverfassung eben auch aus: Die Rotation zwischen den Branchen, Sektoren und letztlich auch den Einzelwerten ist enorm.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com