Im Zuge der Corona-Krise hat das öffentliche Interesse an der Biotechbranche schlagartig zugenommen. Zugleich setzen Investoren verstärkt auf Firmen, die mögliche Therapien und auch Impfstoffe gegen Covid-19 entwickeln. Nachhaltig kommerzielle Therapieansätze sind jedoch weiterhin in anderen Krankheitsfeldern zu finden.

Unabhängig davon, wann die Coronapandemie überwunden ist, steht eines bereits jetzt fest: Die Einschätzung der Pharma- und Biotechindustrie in Politik und Öffentlichkeit ist dabei, sich im positiven Sinne zu verändern. Diagnostikspezialisten wie auch Therapie- und Impfstoffentwickler werden als Unternehmen wahrgenommen, die eine Schlüsselrolle spielen, wenn es darum geht, diesen gesellschaftlichen Notstand zu beheben.

Covid-19 als Beschleuniger neuartiger Technologie

Dabei hat sich die Biotechnologie in der Praxis längst zu einem wichtigen Sektor entwickelt. Die Hälfte aller neu zugelassenen Medikamente entsteht in den Labors von Biotechfirmen. Die Corona-Krise eröffnet beispielsweise den Impfstoffentwicklern die Chance, in Zukunft mit weiteren prophylaktischen Impfstoffen schneller den Markteintritt zu schaffen. Unternehmen und staatliche Behörden haben in den vergangenen Monaten eine bislang ungekannte Intensität in der Kooperation zur Lösung der Pandemie entwickelt. Darauf kann auch der gesamte Biotechsektor aufbauen, wenn es darum geht, Arzneien auf der Grundlage neuer Technologien zeitnah durch die Zulassungsverfahren zu bekommen.

Die mRNA-Technologie ist ein gutes Beispiel. Sollte der von dem US-Unternehmen Moderna entwickelte Covid-19-Impfstoff noch in diesem Jahr die Zulassung erhalten, wäre es das erste marktreife Produkt für das Unternehmen. Mit dem genbasierten mRNA-Verfahren lassen sich etwa Proteine herstellen, die bei Patienten aufgrund genetischer Defekte im Erbgut nicht vorhanden sind.

BB Biotech ist seit 2018 in Moderna investiert, weil wir vom langfristigen Erfolg der mRNA-Technologieplattform als Ganzes überzeugt sind. Viele andere klinische Projekte gegen Covid-19 sind für uns kein Anlass, in diese Aktien zu investieren, denn die meisten Biotechunternehmen dürften kaum nachhaltig rentable Geschäftsmodelle in der laufenden Pandemie realisieren. Ein wesentlicher Faktor dafür ist der gesellschaftliche Druck, in einer Pandemie nicht die Gewinnmarge zu optimieren, sondern einer Vielzahl Personen zu niedrigen Kosten ein Medikament zur Verfügung zu stehen.

Wir setzen dagegen auf Arzneien gegen chronische sowie bislang nicht oder kaum behandelbare Krankheiten. Dazu zählen Bereiche der Onkologie und die seltenen, meist genetisch bedingten Erkrankungen. Wir sind davon überzeugt, dass die individualisierte Krebsmedizin in naher Zukunft etliche neue Produkte hervorbringt, die die Behandlung revolutionieren. Dank der Fortschritte in der Genforschung lassen sich genau bestimmte Mutationsmuster einzelner Patientengruppen immer besser und präziser adressieren. Bei den seltenen erblich bedingten Erkrankungen können genetische Medikamente Defekte im Erbgut dauerhaft beheben.

Für drei Unternehmen aus unserem Beteiligungsportfolio - Alnylam, Macrogenics und Myovant - stehen hier im Dezember Entscheidungen der US-Behörde FDA für die Zulassung von Arzneien an. Andere Portfoliofirmen werden im zweiten Halbjahr 2020 Resultate aus Wirksamkeitsstudien und zulassungsrelevanten Studien veröffentlichen. Vertex Pharma ist wiederum ein Musterbeispiel für die Erfolgs- story einer unserer aktuellen Kernbeteiligungen. Mit inzwischen vier zugelassenen Arzneien gegen zystische Fibrose besetzt der US-Konzern eine Nische bei einer Stoffwechselstörung in den Lungengeweben, die unbehandelt zum Tod führt.

Zahl der Börsengänge von Biotechs wird steigen

Wir sind davon überzeugt, dass die anhaltende Wachstumsdynamik des gesamten Biotechsektors in den kommenden Monaten und Quartalen die Zahl der Börsengänge und Kapitalerhöhungen vorantreiben wird. Dazu kommt die weiterhin attraktive Sektorbewertung. Zugleich gehen wir davon aus, dass die aktuelle Pandemie dazu führt, dass die in den vergangenen Jahren geführte politische Debatte um niedrigere Medikamentenpreise im US-Präsidentschaftswahlkampf weniger zur Sprache kommt, unabhängig davon, wer am Ende gewinnt. Hält man sich alle diese Faktoren vor Augen, bietet sich Anlegern jetzt ein sehr guter Zeitpunkt zum Einstieg.

 


Daniel Koller:
Head Investment Team BB Biotech

Koller ist seit 2004 bei Bellevue Asset Management und seit 2010 Leiter des Investment-Teams von BB Biotech. Nach dem Studium der Biochemie an der ETH Zürich promovierte er in Biotechnologie an der ETH und der Cytos Biotechnology AG. Die 1993 gegründete Bellevue Group ist eine unabhängige, auf Asset Management fokussierte Schweizer Finanzboutique.