Wir werden in Deutschland gerade Zeugen, wie Rot-Rot-Grün in unserer Hauptstadt mit dem sogenannten Mietendeckel die Instrumente der sozialen Marktwirtschaft außer Kraft setzt. Zugleich verstehen die SPD-Bundestagsfraktion und einige links regierte Bundesländer das, was sich in Berlin vollzieht, als eine Art Versuchsballon für die gesamte Republik. Es ist deshalb geboten, sich das Modell Mietendeckel und seine absehbar katastrophalen Folgen genau anzuschauen.

Der Mietendeckel, der vom rot-rot-grünen Senat ins parlamentarische Verfahren gebracht wurde, beinhaltet tiefgreifende Eingriffe in die Eigentumsrechte. Das Gesetz sieht vor, dass Mieten für fünf Jahre nicht erhöht werden dürfen. Modernisierungen dürfen künftig nur noch bis zur Höhe von einem Euro pro Quadratmeter auf den Mieter umgelegt werden. In vielen Fällen kann die Miete auch gekürzt werden - und zwar anhand eines komplizierten Ausstattungskatalogs und auf Basis von Miet­obergrenzen, die sich vom Mietspiegel des Jahres 2013 herleiten.

Was auf den ersten Blick für Mieter verheißungsvoll klingt, ist in Wirklichkeit eine Rezeptur, die allen schadet: der Bauwirtschaft, dem Handwerk, dem Vermieter - und auch dem Mieter selbst.

Sanierung und Modernisierung sinken auf ein Minimum


Die Misere beginnt damit, dass die In­stru­mente des Bundes zum Mieterschutz wie die Mietpreisbremse oder die Verlängerung des Betrachtungszeitraums bei den Mietspiegeln vom Mietendeckel abgeräumt werden. Und wenn der verfassungswidrige Mietendeckel - das Land Berlin darf aufgrund der grundgesetzlichen Kompetenz­ordnung keine Gesetze zur Mieten­begrenzung erlassen - schließlich vor Gericht fällt, wird es Jahre dauern, bis Berlin wieder einen rechtssicheren Mietspiegel erhält. Vermieter, die es darauf anlegen, könnten in dieser Zeit über Vergleichswohnungen Mieten besonders drastisch erhöhen.

Das Elend setzt sich fort mit dem absehbaren Verfall des Berliner Wohn­bestands. Der Mietendeckel betrifft in der Hauptstadt 1,5 Millionen Wohnungen. Hier werden Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten auf ein Minimum begrenzt - wenn sie denn überhaupt stattfinden. Denn warum sollte ein Eigentümer umfangreiche und teure Arbeiten in Auftrag geben, wenn praktisch keine Aussicht besteht, dass sich seine Investitionen amortisieren können? Der klima- und altersgerechte Umbau des Berliner Wohnungsbestands steht somit in den Sternen.

Schon bald werden Wohnungs­suchende eine weitere unerwünschte Nebenwirkung des Mietendeckels zu spüren bekommen: den "grauen Markt" für Mietwohnungen. Denn wenn durch ein staatliches Preisdiktat die Miethöhe künstlich begrenzt wird, sich aber viele zahlungswillige Bewerber um wenige Wohnungen bemühen, werden die Preise an anderer Stelle zu zahlen sein. Die Wohnungen werden dann dem eigentlichen Markt entzogen und stattdessen unter der Hand vermietet werden - und dann zu hohen Preisen. Alternativ geht die Wohnung an jenen Mieter, der über die besten Verbindungen zur vermietenden Immobiliengesellschaft verfügt, womit der politischen Patronage und der Günstlingswirtschaft Tür und Tor geöffnet sind.

Die ersten Resultate des Mieten­deckels sind jetzt schon greifbar: Allein aufgrund der Diskussion über das Gesetz hat die Berliner Volksbank - ihr gehören 2000 Wohnungen in Berlin - die Zurückstellung von Modernisierungs- und Sanierungsinvestitionen in Millionenhöhe veranlasst. Laut Branchen­umfrage erwägen 90 Prozent der Unternehmen der Wohnungswirtschaft, im nächsten Jahr die Ausgaben für Sanierung und Modernisierung zu stoppen.

Würde nur die Hälfte der Unternehmen dies wahrmachen, ergäbe sich im Modernisierungsbereich ein Auftrags­einbruch von rund 40 Prozent. Dann würde sich auch ein massiver Verlust an Arbeitsplätzen im Handwerk und im Baugewerbe kaum vermeiden lassen. Weniger Umsatz und entlassene Mit­arbeiter bedeuten weniger Steuereinnahmen - eine Milliarde Euro könnten die Steuerausfälle allein im Jahr 2021 betragen. Hinzu kommen höhere Sozialkosten für den Staat.

Selbstredend versetzt der Mieten­deckel auch dem Neubau einen vernichtenden Schlag. Eigentlich müsste Berlin, wo mehr als 100.000 Wohnungen fehlen, alles dafür tun, um den Neubau anzukurbeln und einer wachsenden Nachfrage endlich ein entsprechendes Angebot entgegenzusetzen. Doch allein das Gerede vom Mietendeckel, das jetzt auch noch um eine von der Linkspartei angefeuerte Diskussion über eine mögliche Enteignung großen Stils "bereichert" wird, hat dazu geführt, dass Bauherren massiv verun­sichert sind.

Ergebnis: Die Zahl der in Berlin genehmigten Wohnungen hat sich im September 2019 im Vergleich zum Vorjahresmonat halbiert. Und die Genossenschaften haben bekannt gegeben, anstelle von 6000 neuen Wohnungen in den nächsten fünf Jahren nur noch 2000 Einheiten errichten zu wollen.

Eine Katastrophe für die private Altersvorsorge


Eine Katastrophe kündigt sich an für private Anleger, die in Berlin eine Wohnung zur Altersvorsorge gekauft haben. Forscher des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) rechnen mit einem massiven Werteverfall der Immobilien um rund 40 Prozent. Das dürfte bei nicht wenigen die gesamte Planung der Altersvorsorge über den Haufen werfen oder gar den finanziellen Ruin bedeuten. Und wenn Immobilienbesitzer ihre Miet- in Eigentumswohnungen umwandeln, um sich den massiven Eingriffen in ihr Eigentum zu entziehen, wird das die Lage für Mieter auf Wohnungssuche in der Bundeshauptstadt weiter erschweren.

Fassungslos macht das Gebaren der Grünen. Sie haben im Senat alle verheerenden Regelungen des Mietendeckels mitgetragen, um dann im Nachhinein ganz plötzlich Risiken für Mieter, Eigentümer und den Klimaschutz zu ent­decken. SPD und Linke haben jedoch schon klargemacht, dass alles ausverhandelt sei; Nachbesserungen sind mithin nicht in Sicht.

Das bezahlbare Wohnen ist eine der zentralen sozialen Herausforderungen. Fatalerweise verkennt Rot-Rot-Grün, dass diese nur gemeinsam mit allen Akteuren am Wohnungsmarkt zu meistern ist. Auf die Agenda gehören mehr Bauland, mehr Dachausbau, schnellere Genehmigungen und weniger Bürokratie. Zudem müssen die Gesetze des Bundes wie die Mietpreisbremse wirksam durchgesetzt und kontrolliert werden. Das Gesetz zum Mietendeckel aber kennt am Ende nur Verlierer.

Kurzvita

Kai Wegner
Landesvorsitzender der CDU Berlin
Der Autor ist baupoli­tischer Sprecher der Unionsbundestags­fraktion und Landesvorsitzender der CDU. Seit 1989 ist er Mitglied der CDU und der Jungen Union in Spandau. Von 1999 bis 2005 war er Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin, dort stellvertretender Vorsitzender der CDU-­Fraktion und wirtschaftspolitischer ­Sprecher. Seit 2005 ist Wegner Abge­ordneter im Deutschen ­Bundestag.