Neben Warren Buffett und Benjamin Graham, den wohl bedeutendsten Value-Investoren, haben mich auch andere, in Deutschland nicht so bekannte Aktienprofis geprägt. Einer von ihnen: Professor Bruce Greenwald von der Columbia University. Von Greenwald lernte ich unter anderem, dass es sich lohnt, bei Unternehmen genauer hinzuschauen, die hässlich, versteckt oder enttäuschend sind ("ugly, obscure, disappointing").

"Moment", werden Sie sagen, "heißt Value-Investing nicht, in hochwertige Unternehmen zu investieren und sich langfristig über schöne Wertsteigerungen zu freuen?" Ja, das heißt Value-Investing. Auch. Aber nicht nur. Es gibt genug Value-Investoren, die gezielt in extrem billige Titel investieren, auch wenn diese weit davon entfernt sind, den Titel Qualitätsaktie zu erhalten. Oft halten diese Investoren die Aktien kürzer und nicht so lang wie Warren Buffett die meisten seiner Investments.

Diese hässlichen Entlein sind oft ausgebombte Titel, die Anleger sehr stark enttäuscht haben. Die Bewertung ist deswegen völlig im Keller. Value-Investoren setzen hier darauf, dass die schlechte Stimmung um diese Unternehmen den Preis noch unter den niedrigen Wert gedrückt hat. Sie setzen darauf, dass die Geschäfte irgendwann wieder anziehen oder dass ein Käufer das Unternehmen übernimmt und ausschlachtet. Zum richtigen Preis kaufen Value-Anleger eben auch schlechte Unternehmen.

Gerade jetzt kann es sich lohnen, nach hässlichen Aktien Ausschau zu halten. Ganz einfach weil die Alternativen rar sind. Der Bullenmarkt ist acht Jahre alt. Zwar können Sie auch jetzt noch in Qualitätstitel investieren. Noch sind wir hier nicht in einer Blase. Aber es wird schwer werden, damit Überrenditen zu erzielen. Hässliche Entlein findet man derzeit vor allem in Europa und den Schwellenländern. Suchen muss man nach Aktien mit hohem Kursverlust über drei Jahre, einem sehr niedrigen Kurs-Buchwert-Verhältnis, Kurs zu bereinigtem Buchwert (ohne Goodwill) oder Kurs zu Nettoumlaufvermögen. Wirklich Schnäppchen zu finden ist also nicht ganz einfach. Noch schwerer ist das Investment in abgestürzte Aktien aber aus psychologischer Sicht.

Wenn Sie zum Beispiel in die zehn billigsten Aktien des Euro Stoxx 600, gemessen am Kurs-Buchwert, investieren und diese drei Jahre halten, werden Sie insgesamt fast immer eine schöne Überrendite erzielen. Aber ein, zwei oder drei Firmen werden auch "hopsgehen". Niemand weiß vorher, welche das sein werden. Dann sind zehn, 20 oder 30 Prozent des investierten Kapitals weg. Das halten nur wenige Anleger durch, ohne den ganzen Ansatz fallen zu lassen und alles zu verkaufen. Erfolgreich ist nur, wer durchhält. Denn die übrigen Titel erleben in der Regel zum Teil große Kurssteigerungen - 50 oder 100 Prozent sind bei stark heruntergeprügelten Aktien keine Seltenheit.

Wer sich die Nervenstärke für häss-liche Unternehmen zutraut, kann in Deutschland bei den Vorzugsaktien von RWE anfangen. Auch Uniper, die Abspaltung von Eon, ist nicht uninteressant. Vor allem Europas Banken notieren aber auf Enten-Niveau. Nicht enden wollende Rechtsstreitigkeiten, Zinsprobleme, digitale Konkurrenz - momentan gibt es nur schlechte Nachrichten. Aber das wird auch irgendwann enden. Ein Korb von Deutscher Bank, Commerzbank, HSBC, Banco Santander und Royal Bank of Scotland streut das Risiko für Privatanleger.

Hinweis: Die von Max Otte beratenen Fonds Max Otte Vermögensbildungsfonds und PI Global Value Fonds sind in oben genannte Titel investiert.

Der in Princeton promovierte Ökonom lehrt nach Tätigkeiten an den Hochschulen Worms, Boston und Würzburg heute an der Universität Graz und ist als Vermögens- und Fondsberater tätig. Er ist Mitbegründer des Instituts für Vermögensentwicklung und des Zentrums für Value Investing. Otte schreibt an dieser Stelle jeden Monat über die aktuelle Börsenentwicklung und Leitlinien für erfolgreiches Anlegen.

Prof. Dr. Max Otte ist Herausgeber des wöchentlichen Börsenbriefes DER PRIVATINVESTOR (www.privatinvestor.de) und Gründer sowie Hauptgesellschafter der IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH.