Bernie Ecclestone hatte einen Nischensport für reiche Enthusiasten in ein Businessimperium verwandelt, das am Schluss rund 1,5 Milliarden Dollar pro Jahr einnahm. "Niemand vermengte den Sport mit dem Business so wie er", schrieb die "Zeit", die ihm den wenig schmeichelhaften Titel "Oberkapitalist" verlieh. "Stets ging er mit der Maximalforderung in Verhandlungen und kam mit dem Doppelten raus." Was war das Geheimnis seines Erfolgs? Er verstand es, all jene Menschen, von denen er etwas wollte, mit Luxus und Geld zu ködern und ihnen das Gefühl zu geben, zu seiner Glamourwelt zu gehören. Viele erlagen diesem süßen Gift, wenn sie bei Rennen plötzlich in der VIP-Lounge saßen, die Fahrer trafen oder von Ecclestone auf seine Jacht eingeladen wurden.

Es gibt viel Widersprüchliches in seinem Leben. Er ist Milliardär, gönnt sich aber sehr wenig. Zwar besitzt er einen Businessjet, eine 59 Meter lange Motorjacht, ein Hotel sowie zwei Häuser im Schweizer Nobelskiort Gstaad. Aber seine Haare schneidet er sich nicht selten selbst, das gehe schneller und koste nichts. Er ist ein Workaholic, für den Urlaub ein Fremwort ist. Als die Queen ihn zum Ritter schlagen wollte, lehnte er ab. Er habe für das Land nichts geleistet, sagte er. Er sei ein Mensch mit vielen Gesichtern, schrieb die "Welt" und zitiert einen Freund: "Man kann Bernie seit vielen Jahren kennen, ohne zu wissen, was wirklich in ihm vorgeht. Er zeigt keine Gefühle, man spürt sie nicht bei ihm." Er sei ein Kauz, der in seiner eigenen Welt lebe. Wer seinen autokratischen Führungsstil kritisierte, dem entgegnete der überzeugte Nichtwähler Ecclestone auch schon mal: "Demokratie ist Zeitverschwendung."

Bernard Charles Ecclestone, den alle Bernie nannten, wurde 1930 in Ipswich, einer kleinen Hafenstadt an der englischen Ostküste, geboren. Sein Vater war Kapitän eines Fischkutters, die Mutter Hausfrau. Das Leben im Elternhaus war eng und bescheiden. Aber bereits als Neunjähriger zeigte er Geschäftssinn: Um Zeitungen auszutragen, stand er um fünf Uhr morgens auf und kaufte oft bereits am frühen Morgen alle Backwaren in der Nähe der Schule auf, um sie quasi als Monopolist mit Profit an seine Mitschüler weiterzuverkaufen. Er selbst aß nichts von dem Gebäck, denn das hätte ja seinen Gewinn geschmälert. Mit 16 ging er von der Schule ab und jobbte bei den örtlichen Stadtwerken. Aber schon früh begeisterte er sich für den Motorsport: Er restaurierte Fahrzeuge, arbeitete für eine Vertriebsvertretung von Motorrädern und verdiente dabei so viel Geld, dass er sich 1957 den kleinen britischen Rennstall Connaught kaufen konnte. Damals träumte er noch davon, selbst Formel-1-Fahrer zu werden. "Das liegt mir im Blut", sagte er. Er wollte mit einem Connaught bei den Rennen von Monte Carlo und Silverstone an den Start gehen - allerdings reichten seine Rundenzeiten nicht aus, um sich zu qualifizieren. So wurde er schließlich Manager, weil er dort bessere Chancen witterte.

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Manager und Rennstallbesitzer



Ecclestone begann damit, verschiedene Teams und Fahrer zu managen. Zum Beispiel den Briten Stuart Lewis-Evans. Als dieser 1958 in Casablanca tödlich verunglückte, zog sich Ecclestone vorübergehend aus der Formel 1 zurück. Aber 1965 kehrte er an die Rennstrecken zurück und war unter anderem für den Österreicher Jochen Rindt zuständig, ein enger Freund Ecclestones. 1970, beim Großen Preis von Monza, starb Rindt. Ecclestone war noch zur Unfallstelle gerannt und hatte vergeblich versucht, den Fahrer aus dem Auto zu ziehen. Es war, wie er später zugab, "der härteste Schlag in meinem Leben".

1972 kaufte Ecclestone den Brabham-Rennstall, was ihm den geschäftlichen Durchbruch bringen sollte, und investierte verstärkt in die Vermarktung der Formel 1, die damals noch eher unorganisiert war. Der clevere Geschäftsmann hatte als Erster erkannt, wie viel Geld mit der Rennserie zu verdienen war. Er gründete 1974 die FOCA, in der sich alle Teams zusammenschlossen, um einheitliche Regeln im Rennbetrieb aufzustellen. 1982 lernte Ecclestone bei einem Rennen in Monza die Kroatin Slavica Radic kennen, ein ehemaliges Armani-Model, 27 Jahre jünger und fast zwei Köpfe größer als er. Er sprach sie an, sie tranken eine Cola in seinem Motorhome. "Ich war so schüchtern", sagte sie später, "ich hatte keine Ahnung, wer er war, und konnte damals zudem kein Wort Englisch." Später flogen sie zusammen nach Las Vegas, auf Bernies Knien ein Wörterbuch Englisch/ Italienisch. Zwei Jahre später kam Tochter Tamara zur Welt, das Paar heiratete in London. Die Ehe, seine zweite, hielt 25 Jahre und verlief nicht sehr harmonisch. 2009 ließen sich die beiden scheiden, und nur drei Jahre später stand Bernie ein drittes Mal vor dem Traualtar, diesmal mit der Marketingchefin der Formel 1, der Brasilianerin Fabiana Flosi, die fast 50 Jahre jünger ist als er.

1987 verkaufte Ecclestone seinen Brabham-Rennstall für fünf Millionen Pfund. "Mr. E", wie er in der Branche genannt wurde, begann nun, hinter den Kulissen des PS-Zirkus die Strippen zu ziehen. Einer seiner berühmtesten Sprüche: "Wir sind nicht so etwas wie die Mafia, wir sind die Mafia." Er handelte als Geschäftsführer der Formula One Group für die Rennställe lukrative Verträge mit den TV-Sendern und Betreibern der Rennstrecken aus, schloss Deals mit Sponsoren und Werbefirmen ab, kaufte Rennstrecken oder organisierte neue Grands Prix für Ölscheichs aus Katar, für Politiker wie Putin oder autokratisch regierte Länder wie Aserbaidschan, die gern bereit waren, ihm für die Ausrichtung der prestigeträchtigen Rennen Millionen zu überweisen.
So entstand ein schwer kontrollierbares und undurchsichtiges Geflecht mit zahllosen Firmen, Verträgen und Rechten sowie unüberschaubaren Geldströmen. Ecclestone hatte bei seinen Deals stets sichergestellt, dass ausreichend Geld in die eigenen Taschen floss. 2016 war Ecclestone raus aus dem Milliardenspiel: Der US-Medienkonzern Liberty Media hatte die Formel 1 gekauft, er wurde entlassen.

Aber noch immer geht er jeden Morgen ins Büro und arbeitet bis zum Abend. Vor allem mit Immobiliengeschäften hält er sich jetzt die Langeweile vom Hals. Auch mit 89 und nach drei Bypassoperationen denkt er noch nicht an Rente. Inzwischen wohnt er mit seiner Frau in Gstaad.