Der US-Dollar dient traditionell in volatilen Zeiten als sicherer Hafen und Zufluchtswährung. Jedoch notiert er nun nahe einem Zehnjahrestief, und dies scheint erst der Beginn seines Abstiegs zu sein. Wir schätzen, dass der Dollar auch in der zweiten Jahreshälfte seinen schwachen Kurs beibehalten und weiter abschwächen wird. Daher rechnen wir für Ende 2018 mit einem Euro/US-Dollar-Kurs von 1,30. Viele verschiedene Gründe sprechen für einen solchen Verlauf.

Die Geldpolitik der US-Notenbank (Fed) ist nun weitgehend in den Kursen berücksichtigt worden, während die Normalisierung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), der Bank of England (BoE) und der Bank of Japan (BoJ) noch nicht oder gerade erst begonnen hat. Die EZB und die BoJ setzen sogar die quantitative Lockerung weiter fort!

Die europäische und die japanische Wirtschaft sind in ihrem Konjunkturzyklus weniger fortgeschritten als die US-Wirtschaft, was ihnen einen Vorteil gibt. Hinzu kommt, dass beide Regionen aktuell Leistungsbilanzüberschüsse von rund drei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts aufweisen. Die wirtschaftlichen Fundamentaldaten deuten vor dem Hintergrund des Zwillingsdefizits in den USA (Haushalts- und Handelsdefizit) auf eine Aufwertung des Euro und anschließend des Yen gegenüber dem Dollar an. Die Ankündigung von Donald Trump, Importzölle auf Stahl und Aluminium zu verhängen, verstärkt diesen Trend, da diese Maßnahme indirekt darauf abzielen dürfte, den Dollar zu schwächen, und diese Dynamik somit beschleunigt.

Die Kosten für die Absicherung des USD-Risikos haben sich seit dem vierten Quartal 2017 deutlich erhöht, was Investitionen in US-Treasuries von europäischen oder japanischen Investoren verteuert. Um bessere Renditen zu erzielen, investierten die Anleiheinvestoren aus Europa und Japan in US-Staatsanleihen, da die Renditen der zehnjährigen Bundesanleihen und zehnjährigen japanischen Staatsanleihen (JGB) negativ waren. Aufgrund der Kosten für eine Absicherung bei Euro/US-Dollar und Japanische Yen/US-Dollar ist eine solche Diversifizierung jetzt deutlich weniger interessant, vor allem angesichts positiver Renditen von Bundesanleihen (und irgendwann von JGB). Die Staatsanleihekäufe der EZB und der BoJ lagen über dem Nettoemissionsvolumen, während die Treasury-Käufe der Fed das Nettoemissionsvolumen nie übertrafen. Diese Situation zwang europäische und japanische Käufer von Staatsanleihen wie Versicherungen und Pensionsfonds, ihr Engagement in ausländischen Anleihen, im Wesentlichen US-Treasuries, zu erhöhen. Die Normalisierung der Geldpolitik der EZB könnte daher für Aufwärtsdruck auf die europäischen Renditen sorgen und den Euro stützen.

Die europäischen und japanischen Aktienmärkte sind nicht so hoch bewertet wie der US-Markt, und ihr Aufwärtspotenzial erscheint größer, wenn man bedenkt, in welcher Phase des Konjunkturzyklus sich diese Regionen derzeit befinden. Diese Dynamik wirkt auf die Nachfrage nach Titeln in US-Dollar und sorgt für Gegenwind auf dem US-Aktienmarkt. Nicht nur die Rhetorik um Trumps "America First" beeinflusst die Dollarkurve, sondern auch die US-Steuerreform. Diese deutet auf eine Erhöhung der Haushaltsdefizite hin, was historisch zu einer Schwächung der US-Währung führte.

Geht das synchrone globale Wachstum weiter und normalisiert sich die Geldpolitik in Europa und Japan graduell, sollten sich die Finanzströme, die in den letzten Jahren als Stütze für den Dollar dienten, umkehren. Die Chinesen haben auch eine tragende Rolle beim Abwärtstrend des Dollar. Die Regierung befürchtet, der Währungsmanipulation beschuldigt zu werden, und lässt daher keine Abwertung des Renminbi zu. Gleichzeitig kauft die People’s Bank of China nicht so viele US-Treasuries wie sonst.

Fabrizio Quirighetti: Quirighetti studierte Wirtschaftswissenschaften und ist Chief Investment Officer (CIO) und Co-Head Multi-Asset bei SYZ Asset Management, wo er seit 2002 arbeitet. Er ist verantwortlich für die makroökonomische Analyse. Die von Eric Syz 1996 gegründete Syz-Gruppe mit Hauptsitz in Genf verwaltet aktuell rund 18,2 Milliarden Schweizer Franken Kundengelder und bietet eine Reihe von Investmentfonds an. Fabrizio Quirighetti