In Griechenland hat das Linksbündnis Syriza die Wahlen überraschend klar gewonnen. Kommt die Eurokrise jetzt mit Wucht zurück?
Das bleibt unwahrscheinlich. Griechenland hat ja nicht für einen Euro-Austritt gestimmt - vor allem ein derartiges Szenario könnte dafür sorgen, dass die Eurokrise mit Macht zurückkommt. Die Griechen wollten in erster Linie die Sparpolitik abwählen. Das macht die künftigen Verhandlungen der Kreditgeber, u.a. Deutschland, mit der neuen griechischen Regierung viel schwieriger. Aber die europäischen Politiker waren in ihrer Krisenbekämpfung in der Vergangenheit sehr kompromisswillig, auch dieses Mal werden sie sich in irgendeiner Form durchwursteln: weiterhin Geld für das Euro-Mitglied Griechenland und Kontrolle durch die EU und EZB, aber weniger Sparen. Das dürfte dann die Märkte beruhigen - zumal die globalen Anleger die Berliner Sparvorgaben als Konjunkturbremse empfinden.

Aber Syriza-Chef Alexis Tsipras will die Verträge mit den Gläubigern über die milliarden-schweren Hilfsprogramme neu aufrollen. Wie besorgt sind Sie, dass sich die Lage in den nächsten Wochen und Monaten wieder zuspitzen könnte?
Teil eines Brüsseler Politikpakets werden möglicherweise weitere Anpassungen bei den Kreditmodalitäten sein: längere Laufzeiten und niedrigere Zinsen insbesondere für die Kredite, die die EU gewährt hat. Ein breiter und massiver Schuldenschnitt ist unwahrscheinlich. Auch Herr Tsipras wird erkennen, dass er viele Wahlversprechen so nicht umsetzen kann - wenn er weiter in der Eurozone bleiben möchte. Und das scheint der Fall zu sein.

Auf Seite 2: Was die Entwicklung für den Euro bedeutet


Was bedeutet die Entwicklung für den Euro?
Kurzfristig kann der Euro zwar weiterfallen, aber unsere Volkswirte glauben, dass wir bereits ein Unterschießen seines fundamentalen Wertes haben. Er sollte daher auf mittlere Sicht wieder steigen.

Der Dax ist in den vergangenen Tagen von einem Hoch zum nächsten geeilt. Nach einer Minus zur Markteröffnung hat der Leitindex sein Rekordjagd wieder aufgenommen. Geht die Rallye also weiter?
Technisch ist der Dax nach der starken Rallye überkauft. Daher sind kurzfristige Kursverluste wahrscheinlich, zumal sich ja auch die Situation in der Ukraine nicht entspannt. Allerdings bleibt der mittelfristige Ausblick für Aktien positiv. Die EZB überschwemmt den Markt mit Liquidität. Der Ifo steigt zunächst einmal weiter, wie wir heute ebenfalls gesehen haben - was dafür spricht, dass die Gewinne insgesamt weiter leicht wachsen werden. Angesichts der fehlenden Anlagealternativen dürfte all dies die Investoren weiter in die Aktien hineinzwingen.


Auf Seite 3: Worauf sich Anleger jetzt einstellen sollten


Also müssen sich Anleger nun wieder auf volatilere Zeiten an den Börsen einstellen?
Die Zeiten sind ja schon volatiler geworden, und es dürfte auch in den nächsten Quartalen bei erhöhten Kursschwankungen bleiben. Die geopolitischen Risiken haben sich erhöht, die US-Notenbank denkt über Zinserhöhungen nach, das globale Wachstum dürfte sich nicht erkennbar beschleunigen. Ich erwarte nicht, dass man sich am Aktienmarkt entspannt zurücklehnen kann und blind auf nachhaltig zweistellig Kursgewinne vertrauen kann.

Und der Goldpreis dürfte sein Comeback weiter fortsetzen?
Zumindest tut die EZB mit ihrem billionen-schweren Kaufprogramm alles dafür.