Herr Prof. Heise, Investoren haben die Frankreich-Wahl mit großer Sorge verfolgt. Nun hat der europafreundliche Emmanuel Macron den ersten Wahldurchgang für sich entschieden und trifft in der Stichwahl in zwei Wochen wie erwartet auf die Euro-Gegnerin Marine Le Pen. Fast alle unterlegenen Kandidaten haben bereits ihre Unterstützung für Macron angekündigt. Sind die Sorgen um ein mögliches Ausscheiden Frankreichs aus der EU jetzt einigermaßen gebannt?

Mit relativ großer Wahrscheinlichkeit wird Emmanuel Macron den zweiten Wahlgang am 7. Mai für sich entscheiden und der nächste französische Präsident werden. Die Gefahr eines Frexits - das Ausscheiden Frankreichs aus der Europäischen Union - dürfte damit erst einmal gebannt sein, denn Macron bekennt sich klar zur EU. Mit Marine Le Pen hingegen wäre nicht nur das deutsch-französische Tandem, sondern das ganze europäische Projekt in ernster Gefahr gewesen. Allerdings ist weiterhin ungewiss, ob der parteilose Macron bei den anstehenden Parlamentswahlen eine Mehrheit für seine Politik bekommt. Sollte ihm dies nicht gelingen, so drohen Handlungsunfähigkeit und Unsicherheit für Frankreich aber auch Europa.

Welche Reaktion erwarten Sie an den Finanzmärkten bis zur Stichwahl in zwei Wochen: Kommt jetzt die große Erleichterungsrallye oder bleibt die Handbremse bis Anfang Mai noch angezogen?

Die Märkte können zwar aufatmen, eine Erleichterungsrallye erwarte ich allerdings weder jetzt noch Anfang Mai. Ein Wahlsieg Macrons dürfte bereits eingepreist sein, nachdem die ausgeschiedenen Kandidaten Fillon und Hamon ihre Anhänger dazu aufgerufen haben, im zweiten Wahlgang für Macron zu stimmen. Die Finanzmärkte dürften hingegen mit Spannung das Ergebnis der Parlamentswahlen im Juni erwarten, bevor sie in Jubel ausbrechen. Macron steht zwar für einen Aufbruch in Frankreich, doch ohne parlamentarische Mehrheit dürfte es ihm schwer fallen, seine ambitionierte Reformagenda durchzusetzen.

Der Goldpreis hat angesichts der wachsenden Sorgen zuletzt spürbar zugelegt. Geht dem Edelmetall jetzt wieder die Puste aus?

Die Wahl in Frankreich ist nur eine der Unsicherheiten, die die Bewertung von Gold nach oben getrieben haben. Auch wenn es hier Erleichterung gibt, bleibt die globale politische Unsicherheit weiterhin hoch, was den Goldpreis stützen dürfte. Schließlich steht die EU immer noch vor großen Herausforderungen. Der wirtschaftspolitische Kurs des US-Präsidenten bleibt weiterhin unklar und geopolitische Spannung (Stichwort Syrien und Nordkorea) schüren Ängste.

Der Euro hat zunächst ebenfalls positiv auf den Wahlausgang reagiert. Welche Entwicklung erwarten Sie hier im Verhältnis zum US-Dollar für die nächsten Monate?

Die Reaktion des Euro-Dollar-Wechselkurses ist nachvollziehbar, denn die Risiken für die Eurozone sind durch den Wahlausgang gesunken. Eine weitere nennenswerte Aufwertung des Euro bis zum Jahresende erwarte ich aber nicht. Die amerikanische Notenbank geht mit der Normalisierung der Geldpolitik schneller voran als die Europäische Zentralbank. Das spricht für einen weiterhin relativ starken Dollar.

Frankreich steht vor großen Herausforderungen. Der Arbeitsmarkt gilt als überreguliert, die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Haushalts-Neuverschuldung lag zuletzt deutlich über dem EU-Zielwert von drei Prozent. Trauen Sie Macron im Falle seiner Wahl zu, Frankreich auch wirtschaftlich wieder in die Spur zu bringen?

Frankreich steht nach vier Jahren einer wechselhaften Wirtschaftspolitik vor großen Herausforderungen. Macrons Reformagenda, welche einen großen Anteil an wirtschaftsliberalen Maßnahmen aber auch Ansätze zur Verbesserung der sozialen Mobilität enthält, könnte erheblich dazu beitragen, die Probleme zu lindern. So hat Macron vor, die Bedingungen für Investitionen und Beschäftigung zu verbessern und den Staatssektor zu verkleinern. Es bleibt zu hoffen, dass das neu zu wählende Parlament Macron bei diesen Reformen unterstützt.

Frankreich ist mit Abstand der wichtigste Partner Deutschlands in der EU. Mit dem scheidenden Präsidenten Francois Hollande hat Bundeskanzlerin Angela Merkel nach anfänglichen Schwierigkeiten in nahezu allen wichtigen Punkten auf einer Linie gelegen. Bei Macron zeichnen sich allerdings in wichtigen Punkten Differenzen ab, etwa in der Frage der Ausgabe von gemeinsamen Euro-Anleihen, die Deutschland entschieden ablehnt. Bekommt die deutsch-französische Achse mit der Wahl Macrons eine Unwucht, die die Lage in der EU weiter spürbar eintrüben könnte?

Es gibt seit jeher deutliche Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland, etwa was die europäische Finanzpolitik angeht. Auch Macron spricht sich offenbar für einen eigenen Haushalt der Eurozone und etwas flexiblere Budgetregeln aus. Trotz dieser Meinungsunterschiede böte eine Wahl Macrons aber eine große Chance für die weitere Entwicklung der EU und der Eurozone. Die deutsch-französische Achse wäre gestärkt, und EU-Reformen könnten vorangetrieben werden. Das ist vor allem angesichts der Austrittsentscheidung der Briten von großer Bedeutung.