Rauchen macht süchtig. Das ist bekannt. Weniger bekannt ist die Suchtgefahr, die offenbar von Tabakaktien ausgeht. Dieser Verdacht drängt sich angesichts einer Studie auf, die drei Professoren der London Business School zusammen mit der Credit Suisse durchgeführt haben. Danach legten US-Tabakaktien von 1900 bis 2014 um 14,6 Prozent jährlich zu. Der Gesamtmarkt brachte es nur auf 9,6 Prozent. Ähnliches gilt für britische Tabakaktien, die von Ende 1919 bis 2014 im Jahresdurchschnitt ein Plus von 14,8 Prozent schafften, der Gesamtmarkt hingegen 9,4 Prozent. "Sündigen kann sich bezahlt machen", so das Fazit der Autoren.

Angesichts der Regulierungsmaßnahmen im Kampf gegen das Rauchen und jahrzehntelanger Rechtsstreitigkeiten mit geschädigten Rauchern dürften Skeptiker einwenden, der Vorsprung könnte sich mittlerweile ins Gegenteil verkehrt haben. Doch die Studie dementiert einen nachhaltig negativen Einfluss dieser Faktoren auf die Performance. Das bestätigt auch der NYSE Arca Tobacco Index. Er legte in den vergangenen zehn Jahren um 162,56 Prozent zu, während der S & P 500 um knapp 64 Prozent vorankam. Auch auf Sicht eines Jahres fällt der Kräftevergleich mit plus 14 Prozent gegenüber minus 0,8 Prozent zugunsten des Tabakindex aus.

In einem etwas holprigeren Börsenumfeld sind Tabakaktien offenbar nicht die schlechteste Wahl. Für sie spricht die ansehnliche Dividendenrendite. So kam der MSCI World Tobacco Index Ende Oktober im Schnitt auf 3,85 Prozent. Beim MSCI-World-Index sind es 2,5 Prozent. Ungünstig für Tabakaktien fällt dagegen ein Kurs-Buchwert-Vergleich aus. Hier kommt der Tabakindex auf ein Verhältnis von 16,7, was extrem über den 2,2 für den MSCI World liegt. Auf Basis des geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV) kommen Tabakwerte im Schnitt mit 18,3 gegenüber 16 ebenfalls auf eine etwas höhere Bewertung. Aber das lässt sich mit den hohen Gewinnspannen rechtfertigen. Die bewegen sich laut Finanzdienstleister CSIMarket bei den US-Branchenvertretern bei brutto 45,5 Prozent - eine neue Bestmarke für die Industrie.

Die Fähigkeit zum Erhalt der Gewinnmargen werden die Tabakkonzerne auch künftig brauchen, schließlich dürften die extern aufgezwungen Schwierigkeiten anhalten. Neben der demonstrierten Innovations- und Preisfestsetzungsmacht hilft aber die steigende Zahl der Raucher in den Schwellenländern. Dem Marktforscher Euromonitor zufolge dürfte 2019 jeder zweite Raucher weltweit aus China stammen. Auch Produkte wie E-Zigaretten sorgen für Wachstum. Dieses Segment kam zuletzt auf ein Volumen von sechs Milliarden Dollar. Euromonitor hält bis 2030 sogar 50 Milliarden für möglich.

Auf Seite 2: Zahl der Raucher steigt wieder





Zahl der Raucher steigt wieder



Indes zeichnet sich in den entwickelten Ländern möglicherweise ein Stopp des Raucherschwunds ab. So steuern die USA in diesem Jahr auf den ersten Absatzanstieg seit 2002 zu. Grund: Das durch gesunkene Spritpreise eingesparte Geld werde unter anderem in Zigaretten gesteckt. Auch in Deutschland wird mit positiven Impulsen für den Absatz gerechnet. Geschuldet ist dies den vielen rauchenden Flüchtlingen. Ein Dauerbrenner ist der mit der Marke Marlboro führende US-Zigarettenanbieter Altria Group. Die Aktie ist ein charttechnischer Dauerläufer. Frische Kursrekorde bestätigen den intakten Aufwärtstrend. Der Titel punktet mit 49 Dividendenerhöhungen in 46 Jahren. Das mittelfristig angestrebte Ergebnisplus je Aktie von sieben bis neun Prozent spricht für weiter steigende Ausschüttungen. Wir stufen den Wert auf Kaufen herauf. Mit neuen Rekordkursen glänzte zuletzt auch Reynolds American. Durch die kürzlich vollzogene Übernahme von Lorillard agieren die Nummer 2 und 3 auf dem US-Markt jetzt unter einem Dach. Der Verbund könnte ein Ende der Marktanteilsverluste mit sich bringen.



Mit langfristig überzeugenden Chartbildern kommen die britischen Tabakgesellschaften British American Tobacco und Imperial Tobacco Group daher. Optisch hohe KGVs relativieren sich hier mit einer allgemein noch höheren Bewertung im Bereich nicht-zyklischer Konsum. Zudem punkten beide Titel mit überdurchschnittlich hohen Dividendenrenditen. Verzichten Anleger aus Gewissensgründen darauf, dann ist das nachvollziehbar. Aber die Luft dürfte den sündigen Tabakaktien auch künftig nicht ausgehen.



Auf Seite 3: Tabak auf einen Blick