Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, fordert gesetzliche Nachbesserungen zugunsten von Kleinanlegern Von Stefan Rullkötter

Börse Online: Was erwarten Sie von der heutigen Hauptversammlung der Postbank?
Klaus Nieding: Die Hauptversammlung der Postbank AG dürfte von Wut und Enttäuschung, aber auch von Resignation geprägt sein. Für die verbliebenen Postbank-Aktionäre ist es ein Schlag, dass die Deutsche Bank nach dem Squeeze-out den erneuten Börsengang ihrer Tochter bevorzugt. Da fragt sich jeder Aktionär natürlich, was diese Farce soll. Zudem beträgt die Barabfindung je Aktie lediglich 35,05 Euro - das erscheint den meisten Aktionären nicht gerecht.

Was kritisieren Sie konkret an den Plänen der Deutschen Bank?
Vorher hatte es immer geheißen, die Postbank sei vollständig in die Deutsche Bank integriert. Von Integrationskosten in Höhe von mehr als fünf Milliarden Euro war einmal bei einer Hauptversammlung der Deutsche Bank AG die Rede. Außerdem stellt sich die Frage, ob die Auskünfte, wonach die Postbank angeblich vollständig in den Deutsche-Bank-Konzern integriert sei, zutreffend waren oder nicht. Wenn dem so wäre, dürfte es jetzt ja ausgesprochen schwer fallen, die Postbank aus dem Deutsche-Bank-Konzern auszugliedern.

Welche rechtlichen Möglichkeiten haben die Postbank-Aktionäre, wenn sie herausgedrängt werden?
Den Betroffenen verbleiben zwei Möglichkeiten: Entweder Sie stimmen dem Squeeze-out zu und akzeptieren die Barabfindungskomponente von 35,05 Euro - oder sie stimmen dagegen und lassen die Rechtmäßigkeit der Höhe des Pflichtangebotes gerichtlich überprüfen. In letzterem Fall bin ich hinsichtlich einer Entscheidung zu Gunsten der Aktionäre weit skeptischer, als dies bei der seinerzeitigen Höhe des freiwilligen Übernahmeangebotes der Fall war. Ich gehe davon aus, dass die Deutsche Bank dieses Mal Ihre Hausaufgaben gemacht hat.

Sind Kleinanleger bei Squeeze-outs ausreichend gegen den Firmenübernehmer geschützt?
Die Übersichtlichkeit und Transparenz hat sich durch das Spruchstellenverfahrensgesetz zwar grundsätzlich verbessert. Vorher gab es unzählige Vorschriften, nun ist das Ganze in einem Gesetz vereinheitlicht. Zudem gilt das Spruchverfahren immer für alle betroffenen Aktionäre, also nicht nur für die, die klagen. Doch insgesamt hat das Spruchverfahren großen Verbesserungsbedarf. Überlange Verfahrensdauern von mehreren Jahren sind gerade für Kleinaktionäre nicht tragbar. Sinnvoll wäre es auch, im Spruchverfahren unabhängige Prüfer einzusetzen, die eine angemessene Abfindungshöhe vorschlagen.

Sind die Gerichte Großaktionären, die Firmen übernehmen, in den vergangenen Jahren zu sehr entgegengekommen?
Der Bundesgerichtshof hat in den vergangenen Jahren mehrfach Großaktionäre an entscheidender Stelle gestärkt. Etwa, indem er die sogenannte Wertpapierleihe für zulässig erklärt hat. Damit kann ein Hauptaktionär recht einfach die Beteiligungshöhe von mindestens 95 Prozent für den Squeeze-out erreichen - selbst wenn er dauerhaft deutlich darunter liegt. Das ist eine Benachteiligung der freien Aktionäre. Diese Umgehung des entscheidenden Paragrafen 327 Aktiengesetz und folgende lag sicher nicht im Sinne des Gesetzgebers.


Was muss sich ändern, um die Balance zwischen Großaktionären und Kleinanlegern wiederherzustellen?
Es liegt vieles im Argen, besonders beim Übernahmerecht muss nachgebessert werden. Es geht nicht, dass Minderheitsaktionäre mit unattraktiven und unangemessenen Übernahmeangeboten abgespeist werden. Die Offerten genügen zwar dem vorgeschriebenen Minimum, sie nützen jedoch ausschließlich dem Großaktionär. Das kann es doch auf Dauer nicht sein. Die Idee des verpflichtenden Übernahmeangebotes ist es zudem, die Aktionäre einer Gesellschaft davor zu schützen, dass sie plötzlich einem Mehrheitsgesellschafter gegenübergestellt sind und möglicherweise ihre Einflussnahme auf die Gesellschaft abnimmt. Um etwaige Nachteile auszugleichen, gibt es nach dem Übernahmegesetz (WpÜG) die Pflicht, bei Erreichen von 30 Prozent der Anteile an einer börsennotierten AG allen anderen Aktionären ein angemessenes Kaufangebot für Ihre Anteile zu unterbreiten, Auf die genannten 30 Prozent bezieht sich die Anregung der DSW, künftig zum Schutze der Privatanleger eine zweite Angebotsschwelle bei 50 Prozent aufzunehmen.