Bei der Deutschen Bank brennt es lichterloh. BÖRSE ONLINE sprach mit dem Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Uni Hohenheim, Prof. Hans-Peter Burghof, über die Lage bei Deutschlands größtem Geldhaus, mögliche Staatshilfen und die Herkulesaufgabe von Deutsche-Bank-Boss John Cryan.

Herr Prof. Burghof, bei der Deutschen Bank sind am Montag erneut Gerüchte um eine mögliche Kapitalerhöhung aufgeflammt. Braucht die Deutsche Bank frisches Geld?


Eigentlich sollte jedes Geldhaus über einen Kapitalpuffer verfügen, der über jeden Zweifel erhaben ist. Alleine die Tatsache, dass über einen möglichen Kapitalbedarf bei der Deutschen Bank spekuliert wird, wäre also schon ein Hinweis, dass die Deutsche Bank frisches Geld benötigt.

Die Spekulationen über einen möglichen Kapitalbedarf halten sich ja nun hartnäckig. Also braucht die Deutsche Bank frisches Kapital?


Wenn es Fragezeichen hinter dem Eigenkapitalpuffer gibt - und diese Fragezeichen gibt es ja - dann ist die Antwort: Ja.

Von welcher Höhe reden wir hier?


Das ist angesichts der aktuellen Lage kaum zu kalkulieren...

...weil zum Beispiel in den USA derzeit noch gar nicht absehbar ist, ob die Deutsche Bank tatsächlich eine Strafe von umgerechnet rund 14 Milliarden Euro wegen Tricksereien auf dem Immobilienmarkt zahlen muss, oder ob es doch weniger werden?


Ja. Die Höhe der Rechtsrisiken ist derzeit völlig unkalkulierbar. Dazu kommt, dass die Ertragslage für die Deutsche Bank wie für andere deutsche Geldhäuser derzeit schwierig ist. Denken Sie nur an die Niedrigzinspolitik der EZB und das rasante Wachstum der Online-Banken.

Auf Seite 2: Staatshilfe für die Deutsche Bank: Ja oder Nein?





Laut einem Medienbericht soll die Bundesregierung nicht bereit sein, der Deutschen Bank mit Staatshilfen unter die Arme zu greifen. Hätten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble denn überhaupt eine Wahl, wenn es hart auf hart käme?


Grundsätzlich muss gelten: In einer Marktwirtschaft muss jeder seine Probleme selbst lösen. Das gilt selbstverständlich auch für Banken. Doch das ist die ordnungspolitische Theorie. In der Praxis ist die Deutsche Bank so systemrelevant wie eine Bank überhaupt nur sein kann.

Wir haben nach der Finanzkrise in Europa zwar einen Abwicklungsmechanismus geschaffen, um marode Geldhäuser zu entsorgen. Aber bislang ist dieser Abwicklungsmechanismus noch nie in Kraft gesetzt worden, auch in den südeuropäischen Ländern nicht, in denen es tatsächlich entsprechende Krisenfälle gegeben hätte. Es ist vor diesem Hintergrund daher fraglich, ob man nun ausgerechnet bei der Deutschen Bank ein Exempel statuieren wollte.

Neben den Sorgen um einen möglichen Kapitalbedarf und den milliardenschweren Rechtstreitigkeiten kämpft die Deutsche Bank ja noch mit zahlreichen weiteren Problemen. Die IT-Infrastruktur gilt als veraltet, die Strategie im Privatkundengeschäft ist unklar. Trauen Sie dem neuen Bankchef John Cryan zu, dass er die Probleme bald in den Griff kriegt?


Ich kenne Herrn Cryan nicht persönlich und weiß natürlich nicht, was er leisten kann. Aber die Herausforderungen bei der Deutschen Bank sind sehr groß. Dafür braucht es Zeit. Und die würde ich ihm gerne geben. Im Übrigen stammen viele der Probleme, auf die John Cryan eine Antwort finden muss, ja nicht aus seiner Amtszeit, sondern wurden unter seinen Vorgängern oder Vorvorgängern heraufbeschworen.

Auf Seite 3: Wie viel Geduld brauchen Aktionäre noch?





Aber die Kritik an Cryan auch bei Investoren ist zuletzt deutlich lauter geworden. Wie viel Zeit hat er noch, um erste Erfolge vorzuweisen?


Wenn es nach den Aktionären geht, muss die Bank rasch wieder sehr profitabel sein. Nur: Realistisch ist das angesichts der vielen Problemfelder nicht. Denn selbst wenn er wollte, kann Cryan keine größeren Risiken eingehen, um möglicherweise höhere Renditen einzufahren. Für eine solche Strategie fehlt schlicht die nötige Kapitalunterlegung. Auch die IT lässt sich nicht in wenigen Monaten auf Vordermann bringen. Da braucht es eher Jahre. Und die Neuausrichtung des Geschäftsmodells ist auch keine Sache von ein paar Monaten.

Aktionäre werden also noch viel Geduld bei der Deutschen Bank brauchen?


Sehr viel Geduld. Aber die gute Botschaft ist: Die Börse honoriert Perspektiven. Wenn bei der Deutschen Bank der Bergkamm erreicht ist, dürfte der Kurs wieder nach oben drehen.