Börse Online: Nach dem Google-Aktiensplit im April 2014 erlebten deutsche Anleger eine böse Überraschung: Auf den Kurswert der eingebuchten "C-Aktien", die keine Stimmrechte verbriefen und eine andere Wertpapierkennnummer aufweisen, führten Depotbanken Abgeltungsteuer ab. Können Sie betroffenen Aktionären Hoffnung machen?

Sahm: Bisher haben weder das Bundesfinanzministerium noch die nachgeordnete Finanzverwaltung eine verbindliche Aussage zur Besteuerung dieses Kapitalmaßnahme getroffen. Aus diesen Kreisen ist aber zu hören, dass bald eine Regelung im Sinne der Aktionäre getroffen werden könnte. Einbehaltene Abgeltungsteuer müsste dann erstattet werden. Nach der überwiegenden Ansicht handelt es sich bei der Kapitalmaßnahme von Google um keine Sachausschüttung, sondern um einen steuerneutralen Aktiensplit.

Sind Anleger steuerlich immer auf der sicheren Seite, wenn neu zugteilte Aktien die identische Wertpapierkennnummer wie die Alt-Papiere haben?

Das ist nur bei steuerneutralen Aktiensplits der Fall, nicht aber bei der Zuteilung von steuerpflichtigen Bonusaktien.

Worauf sollten Anleger bei Zuteilung von neuen Aktien im Rahmen eines Spin-Offs grundsätzlich achten?

Bei jeder Kapitalmaßnahme kommt es auf die rechtlichen Feinheiten an. SpinOffs, bei denen einen Aktiengesellschaft Anteile an einer anderen Gesellschaft ohne Gegenleistung auf ihre Aktionäre überträgt, werden in der Regel steuerneutral behandelt. Das ist stets der Fall, wenn ein Teil eines Unternehmens auf eine neugegründete Gesellschaft übertragen wird und deren Anteile direkt an die bisherigen Anteilseigner ausgegeben werden.

Sind neben Spin-Offs noch andere rechtliche Konstellationen denkbar ?

Aktionären können auch Anteile eines Unternehmens im Rahmen einer Sachausschüttung zugeteilt werden, die ihre Gesellschaft schon länger hält. Die Einbuchung der Aktien ins Depot ist in dem Fall grundsätzlichsteuerpflichtig. Ist die Ermittlung eines Kapitalertrags nicht möglich werden allerdings der Ertrag und die Anschaffungskosten dieser Anteile mit 0 € angesetzt. Von dieser Vermutung ist bei ausländischen Sachverhalten auszugehen. Dies gilt nur dann nicht, wenn dem Aktionär nach ausländischem Recht ein Wahlrecht zwischen Dividende und Freianteilen zusteht.

Warum führen Depotbanken dennoch bei Spin-offs auf den Kurswert der neu eingebuchten Papiere häufig Abgeltungsteuer ab ?

Gerade bei Spin-offs ausländischer Unternehmen könne Banken oft nicht sofort feststellen, ob eine Abspaltung vorliegt. Geldinstitute greifen für die steuerliche Einordnung au privaten Anbieter von Finanzinformationen - wie WM Datenservice - zurück. Im Zweifel unterstellen sie häufig eine steuerpflichtige Sachausschüttung in Form von Aktien - schon um sich keinen Haftungsansprüchen seitens der Finanzverwaltung auszusetzen. Später kann sich dann herausstellen, dass die steuerliche Abwicklung falsch war.

Welche Folgen hat das für die betroffenen Aktionäre ?

Der Kurswert unterliegt dann wie eine Bardividende der Abgeltungsteuer. Das kann zu einem überraschenden Minus auf dem Depot-Verrechnungskonto führen - es fließt bei Abspaltungen schließlich kein Geld, von dem Banken die Pauschalabgabe abführen könnten.

Welche Möglichkeiten hat der betroffene Aktionär sich gegen den unberechtigten Einbehalt der Kapitalertragsteuer zu wehren?

Die Aktionäre können die unberechtigt einbehaltene Kapitalertragsteuer über ihre Einkommensteuererklärung für das betreffende Jahr zurückfordern. Die Steuererklärung kann allerdings erst nach Ablauf des Kalenderjahres erstellt werden, in dem die entsprechende Kapitalmaßnahme stattgefunden hat. Schneller können die Anleger an ihr Geld kommen, wenn sie einen Antrag auf Erstattung der Kapitalertragsteuer bei dem für die Depotbank zuständigen Betriebsstättenfinanzamt stellen. Nicht der Steuerpflichtige muss nachweisen, dass die unentgeltliche Zuteilung der Aktien nicht steuerpflichtig war. Hier ist das Finanzamt in der Beweislast für die Steuerpflicht!