Kapitalflucht, Handelskrieg, Wachstumsabschwächung, Überkapazitäten, Immobilienmarktblase, Umweltverschmutzung, Vergreisung, Einkommensungleichheit - es sind jede Menge negativ besetzte Schlagwörter, die derzeit besonders häufig auftauchen, wenn es um China geht. Auch weil sie in so geballter Form auftreten, ermutigt das nicht unbedingt dazu, über ein Investment im Reich der Mitte nachzudenken.

Aber erfahrene Anleger wissen, dass Kursgewinne nicht nur in einem Glamourumfeld auftreten. Oft ist es sogar andersherum. Und siehe da: Von einem vorangegangenen Einbruch haben sich die in Schwellenländerfonds derzeit fast historisch stark untergewichteten chinesischen Aktien zuletzt merklich erholt. So hat der Index MSCI China seit Mitte Februar 2016 um 36 Prozent zugelegt. Auch 2017 läuft es mit bislang elf Prozent Plus nicht schlecht.

Geht es nach Morgan Stanley, wird sich die positive Entwicklung fortsetzen. Den SSE-Composite-Index, der alle an der Shanghai Stock Exchange gelisteten Unternehmen umfasst, sieht die US-Bank in diesem Jahr auf 4400 Punkte steigen - ein Potenzial von gut 37 Prozent. Die Zuversicht basiert auf der Annahme, dass China eine Finanzkrise vermeiden kann. Die Volkswirte bei Morgan Stanley gehen sogar noch weiter. Sie trauen China den Wandel zu höherer Wertschöpfung und anhaltendem Wirtschaftswachstum zu. Bis 2027 könne das Reich der Mitte ein Bruttonationaleinkommen pro Kopf von 12 900 Dollar erreichen und zu den Volkswirtschaften mit hohem Einkommen vorstoßen.

Skeptikern mag das optimistisch erscheinen. Sie rechnen eher mit Problemen angesichts der - gemessen am Bruttoinlandsprodukt - zwischen 2007 und 2016 von 147 Prozent auf 279 Prozent gestiegenen Gesamtverschuldung. Aber Morgan Stanley verweist auf die zumeist inländische Finanzierung des Schuldenbergs. Hilfreich seien außerdem ein Leistungsbilanzüberschuss sowie die Devisenreserven. Daher geht die Investmentbank langfristig von einer besseren Wertentwicklung als an den Weltbörsen aus. Interessant dabei: In den vergangenen 15 Jahren hängte der MSCI China mit einem durchschnittlichen jährlichen Plus von 13 Prozent nicht nur den MSCI-Emerging-Markets-Index ab, sondern auch den S & P 500.

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Doppelt so schwer wie Europa



Was die Markttiefe angeht, kommen chinesische Aktien inzwischen auf einen Börsenwert von zehn Billionen Dollar. Das entspricht 18 Prozent der weltweiten Marktkapitalisierung und ist fast doppelt so viel, wie Europa auf die Waagschale bringt. Die Zahl der gelisteten Aktien übersteigt jene von US-Unternehmen, sodass Stock-Picker viel Auswahl haben. Wer sucht, findet auch günstig bewertete Titel. So kommt der 40 H-Aktien umfassende Hang-Seng-China-Enterprise-Index für 2017 auf ein KGV von acht.

Bei der Suche nach Favoriten kam es BÖRSE ONLINE aber nicht allein auf die Bewertung an. Vielmehr bekamen jene Ak-tien den Vorzug, die neben einer vernünftigen Bewertung gemessen an den Wachstumsaussichten auch mit einem ansprechenden Chartbild aufwarten können.

Beides ist bei Netease der Fall. Als Anbieter von E-Commerce, Content- und Webportalen sowie von Online- und mobilen Videospielen tummelt sich die Gesellschaft in wachstumsstarken Feldern. Das kommt in Gewinnschätzungen zum Ausdruck, die von 2015 bis 2020 einen Ergebnisanstieg je Aktie von 7,71 Dollar auf 22,56 Dollar beinhalten.

Aussichtsreich positioniert ist auch Anta Sports. Als größter chinesischer Anbieter von Sportbekleidung dürfte das Unternehmen von der wachsenden Sportbegeisterung in China profitieren. Beim Fußball beispielsweise hat die Regierung die Parole ausgegeben, in Zukunft solle ein deutlich größeres Rad gedreht werden als früher.



Mit einem moderaten KGV kommt China Railway Construction daher, was sicherlich auch mit dem Malus zu tun hat, eine Staatsfirma zu sein. Das Bauunternehmen ist vorwiegend im Bereich Eisenbahnbau tätig, baut aber auch Autobahnen und U-Bahnen. Die Gesellschaft gilt auch dank staatlicher Kredithilfen und des vorhandenen Know-how als Profiteur des von China vorangetriebenen Ausbaus einer neuen Seidenstraße, die ein interkontinentales Infrastrukturnetz zwischen China und Europa zum Ziel hat.

Gut sieht es bei Shandong Chenming Paper aus. Das 1958 gegründete Unternehmen verfügt eigenen Angaben zufolge über die weltweit größte Zellstoff- und Papierproduktionsbasis. Ein Größenvorteil, der bei der Expansion helfen dürfte. Nach einer im Vorjahr verbuchten Gewinnverdopplung ist die Bewertung trotz starker Kursgewinne weiterhin moderat. Zudem winkt eine Dividendenrendite von rund sechs Prozent. Klingt gut, bei China-Aktien sollten aber trotzdem nie die Risiken vergessen werden. Stop-Loss-Kurse sind deshalb unverzichtbar.



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