Auch Kanzlerin Angela Merkel und Lufthansa -Chef Carsten Spohr schlossen sich dieser Annahme an. "So etwas geht über jedes Vorstellungsvermögen hinaus", sagte Merkel. Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund der Tat gibt es den Angaben zufolge nicht. Die französischen Ermittler baten ihre deutschen Kollegen um Informationen zu den Lebensumständen des Copiloten Andreas L., der aus dem rheinland-pfälzischen Montabaur stammte und von Bekannten als beliebt und ruhig beschrieben wird. Die Staatsanwaltschaft startete Durchsuchungen in Düsseldorf und Montabaur, wo der Pilot wohnte.

Die Passagiere hätten vermutlich erst im letzten Moment erkannt, dass sie gleich sterben würden, sagte Robin. Ganz am Ende der Aufnahmen des Stimmenrekorders seien Schreie zu hören. Unmittelbar darauf sei der Airbus A320 zerschellt. Der Staatsanwalt berief sich auf das Protokoll der letzten 30 Minuten vor dem Absturz von Flug 4U9525, das anhand der Rekorderaufnahmen aus dem Cockpit erstellt wurde. In der Aufzeichnung sei zu hören, wie der Kapitän seinen Copiloten zur Übernahme des Steuers auffordere und dann - wohl für eine Toilettenpause - das Cockpit verlasse. Kurz darauf habe Andreas L. dem Bordcomputer die Anweisung erteilt, in den Sinkflug überzugehen. Dies könne nicht versehentlich geschehen, sondern setze eine bewusste Entscheidung voraus. Dann habe er den Piloten nicht mehr ins Cockpit gelassen, sagte Robin.

Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 ist es Vorschrift, dass die Pilotenkabine in Passagierjets von einer gepanzerten Tür geschützt sein muss. Andreas L. habe weder auf Rufe noch auf Schläge gegen die Tür reagiert, erklärte der Staatsanwalt. Anscheinend habe der Pilot noch versucht, die Tür einzutreten. Auch Aufforderungen des Towers in Marseille, einen Notruf abzusetzen, habe Andreas L. ignoriert. In den knapp zehn Minuten bis zum Zerschellen des A320 sei von ihm kein Wort mehr zu hören. Auf der Aufnahme sei nur noch sein ruhiges Atmen zu vernehmen.

KEIN HINWEIS AUF TERRORISTISCHEN HINTERGRUND

All dies lasse darauf schließen, dass Andreas L. die Maschine absichtlich zum Absturz gebracht habe, sagte Robin. "Wir müssen von einer willentlichen Tötung ausgehen. (...) Er hat sich bewusst geweigert, die Tür zu öffnen, und er hat bewusst den Knopf (zur Einleitung des Sinkflugs) gedrückt, um die Maschine runterzubringen." Bisher hatte die Staatsanwaltschaft in Marseille nur wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung ermittelt.

Bei dem Absturz am Dienstag etwa 100 Kilometer nördlich von Nizza kamen alle 144 Passagiere und sechs Besatzungsmitglieder um, unter ihnen nach Angaben des Auswärtigen Amtes 75 Deutsche. Germanwings war bisher von 72 toten Deutschen ausgegangen. Nach Erkenntnissen der Ermittler waren alle Menschen an Bord wohl sofort tot.

Warum der Copilot die Maschine zum Absturz brachte, konnte der Staatsanwalt nicht sagen. "Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen deutet nichts auf einen Anschlag hin", sagte der Ermittler. Das Wort Selbstmord wollte er nicht in den Mund nehmen. "Ich habe Probleme mit dem Begriff Selbstmord, wenn man 150 Menschen in den Tod mitreißt", betonte er. Die Familie des Copiloten sei zum Trauern nach Frankreich gekommen und werde getrennt von den anderen Hinterbliebenen betreut.

"WEISS NICHT, OB DAS SCHRECKLICHE STEIGERUNGSFÄHIG IST"

Bei der Lufthansa sorgten die neuen Erkenntnisse für Fassungslosigkeit. "Was vor zwei Tagen passiert war so schrecklich - ich weiß nicht, ob das noch steigerungsfähig ist, wenn man jemanden verloren hat", sagte Konzernchef Carsten Spohr, dem die Worte stockten. Das Unternehmen wähle seine Piloten sehr sorgfältig aus und prüfe sie auch auf ihre psychologische Eignung. Fliegerisch sei Andreas L. völlig unauffällig gewesen. Die Lufthansa werde sich nun mit Experten zusammensetzen und schauen, was sie künftig besser machen könne. Zugleich sprach Spohr den verbleibenden Piloten sein "absolutes und volles Vertrauen" aus. "Was passiert ist, ist für mich ein tragischer Einzelfall."

Die Vorschriften für die Besetzung der Cockpits will die Lufthansa nach seinen Worten nicht ändern. Dagegen kündigte der Billigflieger Norwegian Air Shuttle an, die Regeln zu ändern. Demnach müssen ab sofort zu jedem Zeitpunkt eines Fluges zwei Personen anwesend sein.

Andreas L. hatte nach Lufthansa-Angaben 630 Flugstunden absolviert und flog seit September 2013 für Germanwings. Er begann seine Ausbildung bei der Lufthansa nach Spohrs Worten 2008, pausierte zwischendurch aber mehrere Monate. Zu den Gründen wollte sich der Manager nicht äußern. Danach sei aber wieder die Eignung des Mannes für den Pilotenberuf festgestellt worden. Er habe alle Checks bestanden und sei "hundert Prozent flugtauglich" gewesen. rtr