Die jüngsten Börsenturbulenzen in China mit Kursverlusten von bis zu elf Prozent innerhalb von drei Tagen haben Schwachpunkte der exportabhängigen deutschen Industrie offengelegt. Zur Unruhe an den Aktienmärkten trägt vor allem die Sorge um die sich abkühlende Konjunktur im Reich der Mitte bei.

Dies bekommen deutsche Konzerne zu spüren - allen voran die Autobranche, aber auch der Maschinenbau -, die bislang stark von Exporten nach China profitierten. Das Land war in den vergangenen Jahren der wichtigste Wachstumstreiber für viele Unternehmen, insbesondere aus dem DAX. So liegt der Umsatzanteil in China etwa beim Chiphersteller Infineon bei 20 Prozent, bei Adidas bei zwölf und bei der Deutschen Post bei acht Prozent. Allein der deutsche Maschinenbau und die Autobranche lieferten 2014 Produkte im Wert von 80 Milliarden Euro nach China.

Deutliche Abkühlung



Die Volksrepublik ist das viertgrößte Zielland deutscher Exporte nach Frankreich, USA und Großbritannien. Mit sieben (Vorjahr: 7,4) Prozent erwartet das Land in diesem Jahr das geringste Wachstum seit einem Vierteljahrhundert. Der historische Boom geht in eine Phase moderaterer Zuwächse über.

DAX-Vorstandschefs betrachten die Entwicklung in der größten Volkswirtschaft des Globus mit Sorge. Der Industriekonzern Siemens stellte soeben Ergebnisse für das zweite Geschäftsjahresquartal vor, die Entwicklung in China war dabei eines der brennendsten Themen. "Offiziell werden sieben Prozent Wachstum ausgewiesen, wie viel es wirklich ist, vermag niemand zu sagen, vielleicht sind es bloß fünf oder sechs Prozent. Die -Dynamik hat spürbar abgenommen. Die Schwankungen machen sich in unseren Geschäften bemerkbar", sagte Vorstandschef Joe Kaeser gegenüber Analysten und Pressevertretern.

Laut Vorstand läuft es in der starken Medizintechniksparte auch in China noch rund. Im konjunktursensiblen Bereich -Industrieautomatisierung mit seinen Kunden aus Automobilbranche und Maschinenbau verzeichneten die Münchner demnach aber währungsbereinigt Rückgänge. Siemens erzielt knapp zehn Prozent seines Umsatzes in China.

30 Prozent Gewinnrückgang



Die Autobranche profitierte lange Zeit von traumhaften Zuwachsraten im Reich der Mitte. Neuerdings sind die Neuzulassungen rückläufig. Bei Volkswagen hat sich das laut UBS-Schätzungen von April bis Juni mit -einem Minus beim operativen Gewinn von etwa 17 Prozent -gegenüber dem ersten Quartal niedergeschlagen. "Ohne den Einfluss des Euro wäre der operative Gewinn um etwa 30 Prozent gesunken", sagt UBS-Analyst Philippe Houchois. Für die Wolfsburger ist die weitere Entwicklung in China wegen der Stärke der margenträchtigen Premiummarke Audi entscheidend.

Hier werden nach Schätzungen bis zu 60 Prozent des Gewinns erzielt. Experten sehen die Perspektiven eingetrübt. "Das Wachstum in China lässt nach, die Preise und die Gewinnmargen der Hersteller dürften unter Druck geraten", sagt Houchois. 2014 übergab der Konzern dort 3,7 Millionen Autos an Kunden - mehr als jedes dritte der weltweit verkauften zehn Millionen Fahrzeuge. Für 2015 rechnet VW in China bestenfalls mit Stagnation. Finanzchef Hans Dieter Pötsch stuft China mittelfristig weiter als attraktiven Markt ein, der allerdings mit mehr Kostenbewusstsein erschlossen werden müsse.

Nach einer Studie der Commerzbank drohen den deutschen Autozulieferern als Folge der China-Schwäche in den kommenden Jahren niedrigere Gewinnspannen (2014: durchschnittlich 7,0 bis 7,5 Prozent operative Marge). China ist der wichtigste Einzelmarkt für diese Unternehmen. Immerhin konnten sich manche Unternehmen dem Negativtrend bislang entziehen, darunter der Chiphersteller Infineon - trotz seines hohen China-Anteils im Geschäft. Die Rückgänge dort gleicht Infineon mit Umsätzen in anderen Kernmärkten wie Amerika oder Europa aus. Branchenkonkurrent STMicroelectronis musste dagegen Umsatzeinbußen von bis fünf Prozent verbuchen.