Von seiner Tochter Michelle erhielt Carl Icahn vor Kurzem ein ganz besonderes Geschenk: Ein gerahmtes Bild von "Icahnolopoly - The Activist Edition", eine spezielle Abwandlung des berühmten Spiels "Monopoly". Auf den Spielfeldern sind alte und neue Ziele des berüchtigsten Investors der USA zu entdecken: TWA und Apple, Texaco und Herbalife, Transocean und Dell; in der Mitte des Spielfelds der 78-jährige Carl Icahn - überlebensgroß, mit Frack, Zylinder und roter Schleife, beide Hände in Siegerpose in die Luft werfend. "Großartiges Geschenk", twittert Icahn dazu, "die zweite Edition kommt bald. Ich hoffe, da ist dann auch Ebay drauf."

Die meisten Anleger, die auf die 80 zugehen, geben das Ruder aus der Hand und überlassen Jüngeren das Feld. Nicht so Icahn: "Was sollte ich sonst tun, etwa Shuffleboard spielen?" Nie war er engagierter als heute. Gerade hat er gut zwei Prozent der Anteile an Ebay gekauft - und gleichzeitig lautstark gefordert, dass deren Onlinebezahlsystem- Tochter an die Börse gebracht wird.

Im vergangenen Jahr siegte Icahn als aktivster aller Aktivisten im Ranking der britischen Datenbank Activist Insight. 14 öffentliche Kampagnen hat er durchgeführt und acht neue Investments getätigt - mit einer durchschnittlichen Anlagesumme von 1,2 Milliarden Dollar.

Warum Leser aber besonders aufhorchen sollten: Carl Icahn erwirtschaftete einen "Follower- Return" von sage und schreibe 40,8 Prozent. Im Klartext: Wer sich an dem Tag, an dem Icahn ein neues Engagement bekannt gab, die Aktien des Zielunternehmens ins Depot legte und bis zum Jahresende oder Zeitpunkt, an dem Icahn ausstieg, engagiert blieb, konnte voriges Jahr einen Gewinn von 40 Prozent einstreichen - über zehn Prozentpunkte mehr als der Vergleichsindex S & P 500.

Der Börsendino steht auf Platz 20 der reichsten US-Amerikaner und behauptet inzwischen, es gehe ihm um mehr als den schnöden Mammon. In seinen Augen dienten Fehden gegen Unternehmen wie Ebay oder Apple nicht nur seiner persönlichen Bereicherung, sie seien auch Kreuzzüge zum Wohle des Kapitalismus: "Ich brauche nicht mehr Geld. Was ich wirklich leisten kann, ist, Corporate Governance zu einer echten Demokratie zu machen und auf diesem Wege die Vormachtstellung Amerikas in der Welt zu retten."

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Haftbare Manager

Icahn will die Manager sogar haftbar machen: "Die Aufsichtsräte und Manager unserer Unternehmen töten Amerika. Sie sind völlig ineffizient." Ihn stört, dass die Aufsichtsräte häufig mit Freunden der Konzernchefs besetzt sind - ein Problem, das es freilich auch in Deutschland gibt. "Die Bosse sind meist sehr mittelmäßig und holen ihre Freunde in den Aufsichtsrat, die sie bei Fehlentscheidungen nicht rauswerfen."

Aufgewachsen ist Icahn in Far Rockaway, ein Stadtteil von New York. Die Lage ist eigentlich malerisch, doch reihen sich dort die Hochhäuser des sozialen Wohnungsbaus aneinander. Sein Vater war ein frustrierter Opernsänger, der einen Job als Kantor in einer Synagoge annahm, obwohl er Atheist war. Seine Mutter arbeitete als Lehrerin.

Der Spross der Familie studierte an der prestigeträchtigen Universität Princeton zunächst Philosophie, finanziert unter anderem mit Pokergewinnen. Ein anschließendes Medizinstudium brach er ab. Auf den Rat eines wohlhabenden Onkels und gegen den Willen seiner Eltern fing Icahn 1961 an der Wall Street an und kaufte 1968 einen Sitz an der New York Stock Exchange.

In den 80er-Jahren wurde er wegen seiner kreditfinanzierten feindlichen Übernahmen weltweit berühmt. Er kaufte Anteile von Firmen wie dem Tabakkonzern RJR Nabisco, von der Fluggesellschaft TWA, dem Ölkonzern Philips Petroleum, dem Finanzunternehmen Western Union oder von den Kabelnetzbetreibern Viacom und Time Warner. Die Pleite der Fluggesellschaft TWA, die Icahn auf Kredit übernahm und dann Stück für Stück ausschlachtete, geht auf seine Kappe. Das Buch "Barbaren vor der Tür" beschreibt seine Schlacht um RJR Nabisco - und seinen damaligen Ruf. Er wurde als "Geier-Kapitalist" beschimpft. Sein Motto lautete damals: "Gier ist gut."

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Furchtlos und sehr, sehr reich

Inzwischen hat sich sein Ruf gebessert, die Furcht vor ihm ist jedoch geblieben. Wenn Carl Icahn anruft, zittern noch heute die Konzernchefs. In seinem Büro, 47 Stockwerke oberhalb der eleganten Flaniermeile Fifth Avenue, sind die Flure mit Gemälden von Schlachtszenen geschmückt. Auf ein Ölgemälde von Ernest Meissonier, das Napoleon in der Schlacht von Friedland zeigt, ist er besonders stolz.

Das passt zu seinem Charakter. Denn vor einem heftigen Kampf hat auch Icahn sich nie gefürchtet. Sein Ziel waren Unternehmen mit Topbilanzen, die er bis auf den letzten Pfennig ausschlachten konnte.

Heute nennt sich Icahn viel vornehmer "Aktionärsaktivist" und erhält oft sogar Applaus für seine Engagements in Technologiefirmen wie Netflix, Dell, Ebay oder Apple. Icahn braucht auch keine Schulden mehr aufzunehmen, um sich in ein Unternehmen einzumischen: Mit seiner diversifizierten Investmentholding Icahn Enterprises gebietet er über mehr als 23 Milliarden Dollar. Er ist der reichste Hedgefondsmanager aller Zeiten. Der 78-Jährige verspricht, im öffentlichen Interesse aller Aktionäre zu agieren - auch wenn sein eigenes Konto am Ende am vollsten ist.

"Die Bilanzen von Technologieunternehmen quellen derzeit beinahe über vor Bargeld", erklärt Aktienhändler und Vermögensverwalter Joshua Brown. "Icahn ist der Einzige, der reich genug ist, um diese Firmen am Schlafittchen zu packen und zu sagen: Hör zu, ich werde nicht verschwinden, bevor du mir gibst, was ich will."

Auf Seite 4: Lukrativer Netflix-Deal

Lukrativer Netflix-Deal

Mit seinem Engagement in Aktien des Onlinevideo-Anbieters Netflix hat Icahn sein bislang lukrativstes Investment erzielt. Binnen 14 Monaten machte er 457 Prozent, ehe er im Oktober vergangenen Jahres verkündete, er werde die Hälfte des Investments abstoßen.

Schon einige Jahre her, aber nicht minder spektakulär ist ein anderer Deal: 2006 engagierte sich Icahn bei dem Pharmakonzern Imclone Systems, der damals durch einen Insiderskandal erschüttert wurde. Der Aktivist zwang den Aufsichtsrat, ein Übernahmeangebot von 36 Dollar je Aktie auszuschlagen, übernahm selbst den Aufsichtsratsvorsitz und verkaufte Imclone zwei Jahre später für 70 Dollar je Aktie an Eli Lilly. So verdreifachte er sein eingesetztes Investment von 196 auf 418 Millionen Dollar.

Heute helfen ihm ausgerechnet Social Media, schnell und mit wenig echtem Kapitaleinsatz ans Ziel zu kommen. Mithilfe von Twitter als öffentliches Megafon kommt Icahn oft schnell und ohne Konfrontation ans Ziel. Ein einziger Tweet von ihm zum Thema Apple schob die Aktie um fünf Prozent an - was ein Plus beim Börsenwert von 17 Milliarden Dollar bedeutete.

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Junger Gegenspieler

Sein größter Gegenspieler heißt momentan Bill Ackman vom Hedgefonds Pershing Square. Ackmann will als jüngerer Aktivist eigentlich in Icahns Fußstapfen treten. Doch der Alte schlägt zurück. Seit 2006 prozessieren die beiden wegen eines Deals innerhalb des texanischen Immobilienkonzerns Hallwood Realty. Und als Ackmann begann, auf fallende Kurse bei dem Diätpillenkonzern Herbalife zu setzen, positionierte sich Icahn öffentlichkeitswirksam dagegen. Ackman wirft Herbalife vor, ein illegales Schneeballsystem zu betreiben. Icahn hat inzwischen drei Aufsichtsratsposten an sich gerissen.

Der jüngste öffentliche Zoff entzündete sich jedoch an Ebay und der geforderten Abspaltung von Paypal. Ein Spin-off des Bezahldiensts wurde schon häufiger gefordert, weil Paypal schneller wächst und höhere Margen erwirtschaftet. "Ebay-Chef John Donahoe hat keine gute Arbeit geleistet. Unter seiner Ägide legte Ebay nur um 76 Prozent zu, während Visa und Mastercard um rund 300 Prozent stiegen", meckert Icahn.

Zuletzt gab sich der Starinvestor allerdings etwas weniger aggressiv: Es würde ausreichen, nur 20 Prozent von Paypal an der Börse zu listen, lenkte er ein. Auch das passt zu ihm. Schließlich geht er nicht immer als Sieger vom Feld. So hat sich Netflix verschiedenen Forderungen Icahns nie gebeugt, und doch machte er damit 825 Millionen Dollar.

"Icahn hat einen hervorragenden Blick für Unternehmen mit Kurspotenzial", sagt Brown. "Oft gewinnt er, auch wenn er keine einzige seiner Forderungen durchsetzt."

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