WORUM GEHT ES ÜBERHAUPT?



Die fünf führenden deutschen Automarken - VW, Audi, Porsche, BMW und Mercedes-Benz haben sich dem "Spiegel" zufolge seit den 1990er-Jahren in geheimen Treffen über Fahrzeugtechnik, Kosten, Zulieferer, Märkte und Strategien abgesprochen. Treffen die Vorwürfe zu, könnte es sich um eines der größten Kartelle der deutschen Wirtschaftsgeschichte handeln. Laut Bundeskartellamt liegen sowohl der Bonner Behörde als auch der EU-Kommission Informationen "zu möglichen Absprachen im technischen Bereich zwischen deutschen Autoherstellern" vor. Die Untersuchungen werden die Brüsseler Wettbewerbshüter federführend vorantreiben. Zu Details der Vorwürfe äußerten sich die Behörden nicht. Dem "Spiegel" zufolge haben die fünf Autobauer die Absprachen stetig ausgeweitet: Mehr als 60 Arbeitskreise hätten sich in mehr als 1000 Treffen zu zahlreichen Themen ausgetauscht, vom Sitz bis zum Motor, vom Harnstofftank bis zum Cabrioverdeck.

WIEVIEL KOOPERATION IST ERLAUBT?



Kooperationen sind in der Autobranche an der Tagesordnung. Allerdings betonen die Hersteller, dass es dabei nur um Teile und Komponenten gehe, die für die jeweilige Marke nicht differenzierend seien und die Konkurrenz nicht einschränkten. Über die "5er-Runden", also die Gespräche zwischen den fünf großen Autobauern, über die der "Spiegel" berichtet, kursieren in der Branche schon seit längerem Gerüchte. Bei den Treffen ging es Insidern zufolge meist um technische Details, die nicht wettbewerbsrelevant gewesen sein sollen. Inwieweit dabei gegen Gesetze verstoßen wurde, und welcher Schaden für Kunden oder Zulieferer entstanden ist, müssen die Ermittler nun klären.

Generell gilt laut EU-Kommission: Die Entwicklung einheitlicher technischer Standards für den gesamten Markt kann ebenso erlaubt sein wie Absprachen über Forschung, Entwicklung oder Technologietransfer, weil viele Firmen die hohen Kosten dafür nicht allein tragen können. "Vereinbarungen über gemeinsame Produktion, Ein- oder Verkauf oder Normung können ebenfalls zulässig sein." Verboten sind Absprachen zwischen Unternehmen, die den Wettbewerb einschränken. Unternehmen dürfen etwa nicht vereinbaren, sich gegenseitig keine Konkurrenz zu machen, oder Preise für ihre Produkte absprechen.

WELCHE STRAFEN DROHEN?



Werden nach Verstößen Kartellstrafen verhängt, kann dies die betroffenen Firmen finanziell empfindlich treffen. Bis zu zehn Prozent des einschlägigen Umsatzes kann die EU-Wettbewerbsaufsicht verlangen. Eine der höchsten Gesamtstrafen wurde im vergangenen Jahr gegen das sogenannte Lkw-Kartell verhängt: Zu fast drei Milliarden Euro wurden Daimler, Volvo/Renault, Iveco und DAF verdonnert, weil sie über 14 Jahre hinweg Verkaufspreise für Lastwagen abgesprochen und die mit strengeren Abgasvorschriften verbundenen Kosten abgestimmt an ihre Kunden weitergegeben hatten. Auf Daimler entfiel mit gut einer Milliarde Euro das höchste Bußgeld. Der VW-Tochter MAN wurde eine Strafe von 1,2 Milliarden Euro erlassen, weil sie die Ermittlungen durch eine Selbstanzeige ins Rollen gebracht hatte.

Allgemein sieht die Kronzeugenpolitik der EU-Kommission vor, diejenigen Kartellsünder, die aussagen und Beweise liefern, ganz oder teilweise von Geldbußen zu befreien. Wer sich als Erster der Behörde offenbart und entsprechendes Material liefert, kommt in den Genuss des vollständigen Straferlasses. Ein zweiter "Whistleblower" kann sich zumindest noch einen Nachlass sichern; wie hoch die Ermäßigung ist, hängt von der Qualität der gelieferten Informationen ab. Aus Kartellverstößen können zudem strafrechtliche Ermittlungen folgen. Verbraucherschützer oder Privatpersonen können womöglich Schadenersatz fordern.