Der Umgang der Deutschen Bank mit dem Fall Kirch löst bei Aktionären zunehmend Kritik aus. Nachdem die Münchner Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen ausgeweitet und Räume der Deutschen Bank durchsucht hat, sehen viele den im Februar geschlossenen teuren Vergleich mit den Kirch-Erben im Zivilverfahren noch kritischer.

Dieser kostet die Bank 925 Millionen Euro - und hätte zugleich die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Co-Chef Jürgen Fitschen beenden können. Ihm bot die Staatsanwaltschaft im Zuge des Vergleichs an, die Vorwürfe gegen Zahlung eines Ordnungsgelds ruhen zu lassen. Doch das lehnt Fitschen laut Medienberichten ab: Er fürchtet demnach ein Verfahren der Finanzaufsicht Bain, die bei einem Bußgeld seine Eignung als Bankchef überprüfen könnte.

Hintergrund ist die Frage, ob ehemalige Spitzenmanager, Rechtsvorstand Stephan Leithner und Fitschen im Prozess um die Schuld an der Pleite der Kirch-Gruppe kollektiv gelogen haben, um Schadenersatzansprüche gegen die Bank abzuwenden. Fitschen will von Absprachen nichts gewusst haben. Ihm wird die Verletzung seiner Aufsichtspflichten als Vorstand vorgeworfen.

Nun droht ihm eine Anklage wegen versuchten Prozessbetrugs - und der Bank ein langwieriges Verfahren. Die Staatsanwaltschaft erklärte auf Anfrage, es sei nicht abzusehen, wann die Ermittlungen gegen Fitschen abgeschlossen sein würden. Sollte sie in den kommenden Monaten Anklage erheben, muss ein Gericht erst über die Annahme des Falls entscheiden. Allein das kann Insidern zufolge bis 2015 dauern.

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Internationale Anleger verärgert

Aktionäre sind daher verärgert, dass der Vergleich das unsägliche Kapitel Kirch nicht beendet konnte. Die einflussreiche Aktionärsberatung ISS wollte sich zwar offiziell nicht äußern, von ihr beratene Deutsche- Bank-Investoren sollen aber die Vergleichssumme ohnehin als "sehr hoch" bewertet haben - "vor allem weil man so eine Einigung schon früher deutlich billiger bekommen hätte", wie es heißt. Dass Fitschen das Angebot der Staatsanwälte ablehne und die Bank auf halber Strecke stehen bleibe, mache den Vergleich noch fragwürdiger.

Für Kritik sorgt auch die Vergütung von Fitschen und Co-Chef Anshu Jain, die für 2013 je 7,5 Millionen Euro bekommen - je 2,7 Millionen mehr als im Vorjahr. Dabei hatte Aufsichtsratschef Paul Achleitner das Ergebnis der Bank als "wenig zufriedenstellend" bezeichnet. Der Anlegerschutzverein DSW sieht den Vergleich mit den Kirch- Erben ebenfalls kritisch. "Auf der Hauptversammlung werden wir fragen, woher der plötzliche Gesinnungswandel kommt, nachdem man jahrelang nicht gegenüber der Kirch- Seite nachgeben wollte", sagt Vizepräsident Klaus Nieding. "Wir wollen den Nachweis, dass sich die Chancen der Deutschen Bank im Hauptprozess verschlechtert haben."

Auch Analysten wundern sich über die Kehrtwende. "Die Bank hat sich lange gegen einen Vergleich gewehrt und dann einer teuren Einigung zugestimmt. Aus meiner Sicht geschah das auch, um Fitschen in den Ermittlungen um Prozessbetrug aus der Schusslinie zu nehmen", sagt Dieter Hein, Analyst bei Fairesearch.

Dass Fitschen einen Prozess riskiere, zeige seine Furcht vor der Ba- in. Trotzdem habe der Vergleich einen hohen Wert, sagt Dirk Becker, Bankexperte bei Kepler Cheuvreux. "Damit konnte die Bank das permanente Sperrfeuer der Kirch-Anwälte, das ihre Handlungsfähigkeit behindert hat, endlich beenden."

Bei all der Unruhe gerät eine Frage beinahe in Vergessenheit - die, wer für den Vergleich zahlt. Auf die Managerhaftpflichtversicherung von Ex-Chef Rolf Breuer, der aus Sicht der Kirch-Seite mit einem Interview die Pleite der Firma ausgelöst hat, kann sich die Bank nicht verlassen. "Die Aussichten, dass sie für den Schaden aufkommt, sind gering", sagt Burkhard Fassbach, Rechtsanwalt beim Beratungsunternehmen Hendricks & Co., das auf Managerhaftpflichtpolicen spezialisiert ist. Unter den Versicherungsschutz falle lediglich fahrlässiges Handeln, nicht Vorsatz. Gedeckt seien zudem nur Managemententscheidungen. "Das damalige Interview von Herrn Breuer zählt eindeutig nicht dazu."

Doch der Aufsichtsrat um Achleitner muss Regressforderungen gegen Breuer prüfen - dazu ist er gesetzlich verpflichtet. Laut Fassbach kann die Bank dessen Privatvermögen theoretisch bis zur Pfändungsfreigrenze aufzehren. Dann blieben ihm monatlich bestenfalls rund 3200 Euro.

Dass die Bank gegen ihren Ex-Chef so weit geht, ist indes unwahrscheinlich. Stattdessen könnte sie einen Vergleich mit Breuer schließen, wonach er privat Schadenersatz leistet. Spekuliert wird über einen Beitrag von drei Millionen Euro - viel Geld, aber ein Bruchteil des Schadens von 925 Millionen Euro. Solch einen Deal müssten die Aktionäre auf der Hauptversammlung absegnen. Dort reicht eine Minderheit von zehn Prozent gemessen am Grundkapital für ein Veto. Und für neuen Ärger für die Deutsche Bank.