Auf den ersten Blick ist die Investmentstory schnell erzählt: Mit einer Dividendenrendite von rund vier Prozent ist die Telekom-Aktie gerade wegen der noch lange anhaltenden Niedrigzinsphase ein attraktives Langfristinvestment. Daran wird sich auch so schnell wenig ändern. Das Wachstum der Ausschüttung für die Jahre 2016 bis 2018 wird dem Anstieg des Free Cash-Flows folgen. Je Aktie ist dabei eine Untergrenze von mindestens 0,50 Euro vorgesehen. Ein Blick in den Rückspiegel zeigt, dass die Telekom ihr Dividendenversprechen trotz zum Teil schwieriger Marktbedingungen gehalten hat. Nach den Nullrunden in 2002 und 2003 erhielten Aktionäre zuletzt mindestens 0,50 Euro.

Es wäre allerdings ein Fehler, Aktien nur wegen der Dividendenrendite zu kaufen. Diese leidvolle Erfahrung mussten in den vergangenen Jahren auch die Anleger bei RWE und E.ON machen. Bei der Deutschen Telekom sieht es operativ durchwachsen aus. Sorgen bereitet weiterhin das Heimatgeschäft, die Bonner schafften es zuletzt nicht, den Kunden- und Umsatzschwund in Deutschland zu stoppen. Telekom-Chef Timotheus Höttges hat daher die Ärmel hochgekrempelt und will den Bereich nach Angaben von Insidern in Sparten für Privatkunden, Firmen, Service und Technik unterteilen. Die Neuausrichtung ist dringend nötig, immer mehr Aufgaben können inzwischen von Computern erledigt werden. Zudem sollen die verschiedenen Kundenservice-Bereiche in Deutschland zusammengelegt werden. Von der neuen Struktur sind rund 15.000 Mitarbeiter betroffen. Ob auf dem wichtigen deutschen Markt, der für rund 30 Prozent des Gesamtumsatzes steht, aber auch die lang erhoffte Trendwende gelingen wird, ist offen. Auch ein Verkauf von T-Systems ist denkbar, zudem steht das Engagement in Osteuropa und Griechenland auf dem Prüfstand. Entscheidend für die Aktie ist aber nicht so sehr die Entwicklung auf dem Heimatmarkt sondern T-Mobile US. Und hier sollten Anleger ganz besonders wachsam sein.

Heiß begehrte Tochter



Gerüchte sind an der Börse das Salz in der Suppe. Bereits vor gut zwei Jahren scheiterte eine Fusion von T-Mobile US und Sprint an den US-Aufsichtsbehörden. Der Sprint-Mutterkonzern Softbank scheint aber noch immer Interesse zu haben, die Pläne liegen in der Schublade. Gerüchten zufolge wollen die Japaner einen weiteren Anlauf wagen, wenn ein neuer Chef in der US-Regulierungsbehörde FCC ernannt wird. In der Vergangenheit wechselte der Posten häufig nach den US-Präsidentschaftswahlen. Zum Jahreswechsel könnte es somit wieder spannend werden, zumal Softbank verstärkt Konkurrenz fürchten muss. Bereits im Sommer vergangenen Jahres waren Spekulationen aufgekommen, die US-Kabelfirma Comcast könnte T-Mobile US kaufen. Comcast-Chef Brian Roberts will bis Mitte 2017 seinen eigenen drahtlosen Service starten.

Fakt ist: Die früher unliebsame US-Tochter ist inzwischen ein wichtiger Wachstumstreiber für den Mutterkonzern geworden. Inzwischen steuert die Tochter etwa 37 Prozent zum operativen Konzernergebnis bei. Der schillernde Chef John Legere hat das Unternehmen wieder in die Erfolgsspur geführt, im vergangenen Jahr war T-Mobile US zum drittgrößten Mobilfunkanbieter in den USA aufgestiegen. Die Begeisterung scheint ungebrochen, wie die vor wenigen Tagen gemeldeten Vorabzahlen zeigen. Im noch laufenden dritten Quartal ist die Zahl der Vertragskunden bisher um 750.000 gestiegen und lag damit über dem Wert des starken Vorquartals. Schätzungen zufolge sind mehr als 250.000 Vertrags- und Prepaid-Kunden vom Wettbewerber Verizon zur Tochter der Deutschen Telekom abgewandert, von AT&T seien 400.000 und von Sprint 300.000 gekommen. Die nach den ersten sechs Monaten erhöhte Prognose wurde vorerst unverändert gelassen. Im laufenden Jahr sollen 3,4 bis 3,8 Millionen Vertragskunden hinzukommen, beim Ebitda werden 9,8 bis 10,1 Mrd. Dollar erwartet. Die Papiere von T-Mobile US legten in den vergangenen sechs Monaten um rund 20 Prozent zu und stehen knapp unter der im August erreichten Rekordmarke.



Charttechnische Grenzen sind klar abgesteckt



Das Kursbild des Mutterkonzerns sieht hingegen nicht ganz so überzeugend aus, die 200-Tage-Linie verläuft seit dem Jahreswechsel fallend. Allerdings wurden die Papiere in den vergangenen Monaten immer im Bereich zwischen 13,40 bis 14,20 Euro gekauft. Mit Kursen von aktuell 14,80 Euro bleibt das Risiko somit überschaubar. Steigt die Aktie anders als in der jüngeren Vergangenheit über den 200-Tage-Durchschnitt, dürften weitere Anleger einsteigen. Die nächsten Barrieren liegen dann bei 16,20 und mittelfristig 17,50 Euro. Vor dem Hintergrund des wettbewerbsintensiven Marktumfelds in Europa und regulatorischer Herausforderungen sind von den restlichen Segmenten in Europa vorerst kaum größere Überraschungen zu erwarten. Für frischen Schwung sorgt vorerst nur das US-Geschäft, die Bonner halten noch zwei Drittel der Anteile an der Tochter. Dank der starken Entwicklung in den USA sind auch die Analystenschätzungen für 2016 in den vergangenen Monaten von 0,87 Euro Mitte April auf aktuell 0,91 Euro gestiegen. Für das kommende Jahr zeigen die Schätzungen ein nahezu unverändertes Bild von 0,97 Euro. Das darauf abgeleitete KGV von 15,4 liegt leicht oberhalb des 10-Jahres-Durchschnitts von 15,1. Die Telekom ist somit kein Kandidat für Schnäppchenjäger. Nüchtern betrachtet bietet die Aktie neben der attraktiven Dividendenrendite vor allem eine Wette auf die US-Tochter. Während die gute Geschäftsentwicklung in den USA bereits zum Großteil eingepreist sein dürfte, könnten sich verdichtende Übernahmespekulationen den Kurs der Telekom kräftig einheizen.



Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen (DAF), Gastautor bei n-tv und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare, referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD) und betreute mehrere Jahre für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily. www.index-radar.de