Staatliche Überschüsse statt immer nur neuer Schulden - das gab es Jahrzehnte nicht mehr und ist auch in Europa ziemlich einsame Klasse. Und jetzt das Luxusproblem: Wem gehört das Geld? Etwa den Steuerzahlern, weil sie es erwirtschaftet haben? Das wäre die naive Antwort, und deshalb kurz und knapp. Oder dem Staat - das ist die Antwort, die meist mit vielen Argumenten ausstaffiert und langatmig daherkommt: Dann werden riesige Finanzierungsbedarfe genannt - Infrastruktur, Rente, Bildung; alles gut. Der tatsächlich am schnellsten wachsende Ausgabenposten Flüchtlinge wird aus naheliegenden Gründen verschwiegen.

Gerade noch hat sich Kanzleramtsminister Peter Altmaier damit gebrüstet, dass Deutschland so stark sei, dass es diese Lasten ohne Steuererhöhungen, neue Schulden oder Leistungskürzungen für Einheimische bewältigt habe. Stillschweigend hat Altmaier das Gesetz der Steuerpolitik formuliert: Was wir haben, geben wir aus, aber nicht her. Und aus Sicht der Steuerzahler gilt der alte Spruch: Was weg ist, ist weg und kommt nimmermehr.

Die Kinderaugen der Politik



Nun sind aber derzeit die Steuermehr-einnahmen so klotzig, dass es selbst den schläfrigsten Steuerzahler alarmiert. Und das macht es den Politikern schwer: Wie sollen sie ihren Ausgabeschlendrian begründen? Denn was uns teurer kommt - die Flüchtlinge oder die Sozialgeschenke des Duos Nahles/Schwesig - ist noch nicht ’raus.

Nun haben ja Politiker bei Steuermehreinnahmen immer dieses Glänzen in den Augen, das wir sonst von Kindern vor Weihnachten kennen. Wünschen ist einfach und Ausgabenpläne easy steigerbar. Und es macht Politiker beliebt, wenn sie Geld verschenken dürfen. Dabei sind auf Bundesebene in den vergangenen zehn Jahren die Steuereinnahmen um mehr als 110 Milliarden gestiegen. 190 Milliarden an Steuern hat der Bundesfinanzminister 2005 eingenommen. Heuer werden es deutlich über 300 Milliarden sein.

Die Frage ist eher: Wo ist das Geld geblieben? Spürbare Ausgabensteigerungen etwa für eine wirkliche Bildungsinitiative, mehr und besser ausgestattete Polizisten oder eine deutliche Verbesserung der Infrastruktur sind nicht feststellbar. Wo sind sie also geblieben, die Steuermilliarden? Gut, die laufende Staatsverschuldung ist auf null gesunken. Aber dafür spart Schäuble wegen der Nullzinsen auch etwa 30 Milliarden, es können auch 40 Milliarden Euro sein; Tendenz: weiter steigend. Damit sinkt auf der Finanzierungsseite des Staates die Belastung beständig weiter, während dem Sparer dieser Betrag auf dem Konto fehlt. Die derzeitige Nullzinspolitik ist eine gigantische Umverteilung, wobei der Staat der Gewinner ist.





Wo ist das Geld geblieben?



Und seine Mehrausgaben? Hier ein paar Milliarden (3,5) für Beamte und deren Pensionserhöhung, dort für Straßen und Brücken (mickrige 5,8), der Großteil für Soziales (25). 110 Milliarden vertröpfeln in vielerlei Einzelposten, die sich der unmittelbaren kritischen Betrachtung entziehen. Gerade in den letzten Wochen sind ein paar Löcher sichtbar geworden, wohin das Geld so fließt: So finanziert Manuela Schwesig mit rund 100 Millionen unter anderem ihre Amigos wie die fragwürdige Amadeu Antonio Stiftung - eine Art privatisierte Wahlkampforganisation der SPD. Dort wird zum Beispiel selbst die CSU als "rechtsradikal" gebrandmarkt und generell jeder SPD-Gegner des Rechtsradikalismus verdächtigt.

Internet und Facebook zu zensieren, diese Aufgabe darf der Staat eigentlich genauso wenig an sich reißen wie Wahlkampfhilfe für bestimmte Parteien zu leisten - aber die Stiftung erhält genau dafür Steuermittel. Manuela Schwesig finanziert auch großzügig Organisationen, bei denen Aiman Mazyek und sein aus Ankara gesteuerter Zentralrat der Muslime in Deutschland die Hand aufhalten.

Es sind kleine Beträge, aber sie erklären die verlorenen Steuermilliarden: Egal ob Muslim, Parteifunktionär und -anhänger oder Einwanderer, längst ist der Bundeshaushalt eine Kasse, in die jeder greifen darf, der irgendwie einen Freund im Parlament oder Bundeskabinett hat. Die parlamentarische Kontrolle funktioniert nicht mehr. Denn auch Linke und Grüne dürfen mit ausgeben, wenn sie nur den Mund halten.

Der Steuerwahlkampf beginnt



Und nun also beginnt ein Steuerwahlkampf um klotzige Zahlen. Dabei geht es um die Antwort auf eine Frage: Zahlen wir nach der Bundestagswahl weniger Steuern? Die Antwort steht schon fest: Wir werden mehr zahlen. Offen ist nur, wie viel mehr. Der Steuerwahlkampf findet ohne Steuerzahler statt.

Von den erwarteten Steuermehreinnahmen der kommenden vier Jahre etwa will der CDU-Mittelstandschef Carsten Linnemann immerhin zwei Drittel an uns Steuerzahler zurückgeben; zur Glättung des "Mittelstandsbauchs", für Familien und Geringverdiener. Es ist das bislang weitestgehende und in sich geschlossenste Konzept. Das bedeutet: Einige würden entlastet, aber insgesamt gäbe es trotzdem ein höheres Steueraufkommen - es würde nur langsamer steigen als ohne Reform. Wir zahlen also nur weniger mehr. Die Tarife werden hier und da abgesenkt, das gesamte Steueraufkommen steigt aber weiter.

Wertentscheidung im Steuersystem



Um dieses weniger Mehr wird jetzt gezankt. Unausgesprochen ist die neue Staatsraison: Mehr Steuereinnahmen gehören automatisch dem Staat; Steuerrückgaben dagegen sind bösartige "Wahlgeschenke" oder "populistische Steuergeschenke".

Die Verschiebung der Maßstäbe verblüfft: Mehreinnahmen gehören einfach dem Staat. So einfach ist das. Denken die. Der Bürger hat zu zahlen. Steuerentscheidungen sind immer auch Wertentscheidungen - nicht nur bei den Ausgaben, wenn Projekte und Vorhaben materialisiert werden. Auch auf der Einnahmeseite: Wer soll wie viel zahlen? Gibt es eine Obergrenze der Belastung? Wie viel vom Erwirtschafteten bleibt bei den Erwirtschaftern, wie viel geht an den Staat?

In Deutschland sind es derzeit rund 53 Cent von jedem Euro, die beim Staat landen. Das Bundesverfassungsgericht betrachtet eine Abgabenlast von 60 Prozent noch als hinnehmbar. Einzelne Gruppen, wie etwa Ledige mit einem Jahreseinkommen ab 53 000 Euro, liegen da schon jenseits dieser Grenze. Sie gelten als Reiche im Sinne des Einkommensteuertarifs und werden für jeden zusätzlich verdienten Euro mit dem höchsten Abgabensatz belastet.



Gabriel macht die Sache kompliziert



Vermutlich hat kein Land der Welt so viele "Reiche" wie Deutschland, die trotzdem kein tolles Leben führen können. Und das ist nur die Oberfläche, die monatlich sichtbar ist. Zieht man alle vom Staat verursachten, steuerähnlichen Abgaben heran wie die 25 Milliarden für erneuerbare Energien, für die öffentlichen Rundfunkanstalten und mehrere Dutzend kleinerer, versteckter Posten, dann ist die Belastung ohnehin noch höher und kann deutlich über 60 Prozent liegen.

Kein Land der Welt redet Gutverdiener so schnell zu "Reichen" hoch und anschließend diese "Reichen" wieder zu betreuungsbedürftigen Armen runter, einfach weil es netto nicht mehr reicht. Mittlerweile wird das peinlich. Selbst Unionsfraktionschef Volker Kauder macht sich für Steuersenkungen für die Zeit nach 2017 stark. Er sieht Spielraum für Entlastungen in Höhe von 15 Milliarden Euro pro Jahr, immerhin.

Gerade deshalb wettern viele aus dem linken Lager: kein Geld da vom neuen Mehr der Steuereinnahmen. Es fehle die "Gegenfinanzierung". Dabei wird unterschlagen, dass es nicht um Finanzierung, sondern um Rückgabe der längst erbrachten Finanzierung geht und die Belastung nicht unbegrenzt ansteigen kann - sonst fehlt der Anreiz, noch etwas zu erwirtschaften.

Dabei sind die Steuern ohnehin nur ein Teil der Abgabenlast: Die Sozialbeiträge steigen auf über 40 Prozent. Die Große Koaliton verfrühstückt, was unter Bundeskanzler Gerhard Schröder mühsam erkämpft wurde. Zum 1. Januar 2017 wird der Beitragsatz zur Pflegeversicherung um 0,2 Prozent steigen, danach folgen die Krankenkassenbeiträge. Derzeit wird über eine Rentenreform diskutiert; im Wahlkampf heißt das: Anstieg.

Gabriel macht die Sache kompliziert



Im August mischte sich schließlich auch SPD-Chef Sigmar Gabriel in die Debatte ein. Er sprach sich ebenfalls gegen Steuersenkungen für alle aus. "Wofür wir sind, ist, dass wir Arbeitnehmer entlasten, Familien, Alleinerziehende", sagte der Wirtschaftsminister. "Die zahlen oftmals wenig Steuern, aber hohe Sozialabgaben." Klar, wer keine Steuern zahlt, kann steuerlich nicht entlastet werden. Rechtfertigt das aber die ständig steigende Belastung der letzten Steuerzahler?

Wie immer, wenn Gabriel etwas sagt, macht er die Sache noch komplizierter. Wer statt Steuern zurückzugeben diese in die Sozialkassen umleitet, macht einen Verschiebebahnhof auf und zerstört die Idee der Sozialversicherung. Dort sollen Beitragsleistung und Leistung der Kassen im Zusammenhang stehen, um die Eigenverantwortlichkeit zu stärken: höhere Beitragsleistung - höhere Rente.

Gabriel stellt dieses System so nebenbei infrage: Statt eigener Beiträge sollen Steuermittel fließen - oder die sozialen Sicherungssysteme werden endgültig abhängig von der Geberlaune der Bundesregierung. So macht man Menschen davon abhängig, dass die Politik sich ihrer annimmt - mit Geld, das die Bürger selbst erwirtschaftet haben.

Geld macht eben nicht glücklich. Sobald es bei Politikern anlangt, macht es nur noch Probleme. Übrigens: Die letzte große Steuerreform stammt von Hans Eichel, SPD, aus dem Jahr 2000. Schäuble muss sich entscheiden, ob er als Schwarze Null - was schwer genug ist - in die Geschichte eingehen will oder als Steuerreformator. Das ist noch schwieriger.