Für die Tokioter Börse, den Kabutocho, waren das gute zwölf Monate. Neun Prozent Plus schaffte der Leitindex Nikkei 225 im zurückliegenden Jahr 2015. Allerdings war es ein wilder Ritt. Nach relativ stetigem Anstieg in den Sommer hinein kam es ab Mitte August zu einem ordentlichen Crash, der sich wie auch an der Börse New York oder den europäischen Marktplätzen bis Ende September hinzog. Danach berappelten sich die Kurse.

Das Hin und Her hatte seine Gründe. Zum einen wertete China - neben den USA der wichtigste Handelspartner Japans - die Landeswährung Renminbi ab, was den Exportunternehmen Nippons so gar nicht schmeckte. Dazu lief es im zweiten und dritten Quartal insgesamt nicht gut. Japans Wirtschaft schrumpfte in diesen sechs Monaten. Und gegen Ende des Jahres kam die Nachricht, dass die Industrieproduktion erstmals seit drei Monaten gesunken sei, ebenso der Umsatz im Einzelhandel. Allerdings scheint dies nur ein temporärer Wackler zu sein. Wer etwas tiefer blickt und die langfristige Entwicklung betrachtet, kann zu dem Schluss kommen, dass es insgesamt doch nach oben geht. Einige Indizien dafür: Zum ersten Mal seit 22 Jahren herrscht in Japan wieder nahezu Vollbeschäftigung. Dadurch steigen die Einkommen, was wiederum die Binnenwirtschaft belebt. Dass mit Nippon Suisan Kaisha, Meiji Holdings, Nisshin Seifun und Nichirei gleich vier der zehn besten Nikkei-Aktien des vergangenen Jahres aus dem Konsum- und Lebensmittelbereich kommen, verwundert daher nicht. Wichtig zu wissen: Der private Konsum trägt 60 Prozent zur japanischen Wirtschaftsleistung bei.

Und noch mehr Indizien: Japans Firmen werden 2015 so viel verdient haben wie lange nicht mehr. Dafür sorgt eben der bessere Konsum im Land, aber auch die bessere Lage der Exportunternehmen, die sowohl vom schwachen Yen wie auch den günstigeren Energie- und Rohstoffpreisen profitieren. Das bessere Klima für die Unternehmen sollte auch 2016 anhalten: Ab Januar sinken die Unternehmenssteuern.

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Kurspflege auf Japanisch



In Japan bewegt sich was. Das hat viel zu tun mit der Politik der Regierung unter Premier Shinzo Abe, der seit seinem Amtsantritt im Dezember 2012 versucht, das Land aus seiner Starre zu lösen. Dafür gibt es viel Kritik, da die Maßnahmen teils unerhört sind und manchen an wirtschaftspolitisches Harakiri denken lassen.

Das gilt vor allem für den von Abe ernannten Notenbankchef Haruhiko Kuroda. Seine Methoden, die Geldpolitik zu lockern, suchen ihresgleichen. Extremstes Beispiel: Die Bank of Japan (BOJ) kauft Aktien auf - das gibt es sonst nirgends auf der Welt. Noch vor Weihnachten hat Kuroda angekündigt, diese Aktienkäufe nun zu verdoppeln, von jährlich 300 Milliarden Yen auf 600 Milliarden Yen - das sind umgerechnet 4,5 Milliarden Euro. Eine "zusätzliche Maßnahme", sagt er. Gekauft werden dabei über ETFs bevorzugt solche Unternehmen, die im Inland investieren, mehr Menschen einstellen oder die Löhne erhöhen. Kurspflege auf Japanisch.

Die "normalen" Maßnahmen, also der Kauf von Staatsanleihen, wie es auch die Europäische Zentralbank und die US-Notenbank Fed in den zurückliegenden Jahren gemacht haben, verblassen dagegen fast. Aber nur fast. Auch dort geht es um immense Summen. Seit 2013 kauft die BOJ jedes Jahr für 80 Billionen Yen Staatspapiere auf - umgerechnet gut 600 Milliarden Euro per annum. Das sind 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts!

So umstritten das alles ist - Japan kann ja gar nicht anders. Der Inselstaat ist, was die demografische Entwicklung betrifft, den anderen Top-Wirtschaftsregionen dieser Welt - etwa Europa und China - um Jahre voraus. Allerdings im negativen Sinn. In Japan schrumpft nämlich schon seit 30 Jahren die Zahl der Arbeitstätigen. Seit drei Jahrzehnten leidet das Land daher unter einer fast schon legendären Nachfrageschwäche, die sich vielleicht erst jetzt durch die extreme Politik zum Positiven wendet. Man denke an die gut laufenden Konsumaktien.



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Ein Fortschritt als Zwischenschritt



Das Übel, das die Regierung Abe bekämpft, ist viel zitiert: die negative Teuerungsrate, auch Deflation genannt. Und eben das zwingt die BOJ zu einer immer extremeren Geldpolitik. Wo das letztlich und langfristig hinführt, steht in den Sternen. Aktuell jedenfalls liegt die Inflationsrate bei einem Prozent. Ein Fortschritt. Angestrebt werden indes zwei Prozent.

Klar scheint daher, dass Versuche, die Geldpolitik zu normalisieren - wie aktuell in den USA -, noch lange nicht möglich sind. Aber es ist ein gefährliches Spiel. Die Kehrseite der Medaille ist die, dass die Märkte irgendwann das Vertrauen in die BOJ und die Währung Yen verlieren könnten, was eventuell Hyperinflation zur Folge hätte. Aber das sind Spekulationen. In Sachen Geldpolitik bewegt sich ja nicht nur Japan in unerforschten Welten.

Solange man in Japan mittelfristig auf dem eingeschlagenen Kurs bleibt - das scheint recht sicher - dürften die Kurse 2016 weiter laufen. Es bewegt sich in Japan nämlich auch abseits der Politik etwas, sozusagen freiwillig: Ein neuer Kodex an der Börse Tokio beispielsweise soll dazu beitragen, dass mehr Geld als bisher über Dividenden und Aktienrückkäufe an die Investoren fließt.



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