Alle drei stecken im selben Dilemma: Einerseits gibt es weder für die Union als stärkste Gruppe in der Bundesversammlung noch für die SPD eine verlässliche Mehrheit, wenn im Februar über einen neuen Bundespräsidenten abgestimmt wird. Andererseits gibt es in Union und SPD Parteikreisen zufolge die Erwartung, eigene Kandidaten aufzustellen. In der SPD fordern Politiker wie Fraktionsvize Axel Schäfer, dass man notfalls auch einen rot-rot-grünen Kandidaten im dritten Wahlgang durchsetzen sollte, in dem dann eine einfache Mehrheit reichen würde. Das Risiko gilt aber derzeit bei allen Varianten für die Parteivorsitzenden als groß, sich eine blutige Nase zu holen. CDU-Chefin Merkel hatte entsprechende Erfahrungen bereits bei der Wahl Joachim Gaucks gemacht, als ihr damaliger Koalitionspartner FDP plötzlich ins oppositionelle Gauck-Lager überlief.

AUFREGUNG BEI JEDEM NAMEN



Eigentlich gab es zwischen Merkel, Seehofer und Gabriel ohnehin die Grundüberzeugung, dass es für Deutschland angesichts des Erstarkens der rechtspopulistischen AfD und der generellen Unsicherheiten in Europa wünschenswert wäre, aus der Präsidentenfrage keine parteipolitische Schlammschlacht werden zu lassen. Dafür gilt die Frage des Bundespräsidenten im Vergleich zur 2017 ebenfalls anstehenden Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen einfach als zu unwichtig für den Ausgang der Bundestagswahl. Die drei Parteivorsitzenden hatte deshalb die lockere Absprache getroffen, dass jeder bis Ende Oktober mit jedem reden solle, um zu sehen, was geht und was nicht.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber betonte am Montag, dass dieses Ziel im Prinzip nicht aufgegeben sei. Die Verschiebung des Termins auf November zeige vielmehr, dass sich alle drei noch einmal umschauen wollen - ansonsten könnte etwa die SPD doch jetzt schon stramm in Richtung "Lagerkandidaten" marschieren, heißt es in der Union. "Ich finde, wenigstens die drei Parteivorsitzenden sollten sich an diese Disziplin halten", mahnte Seehofer. SPD-Generalsekretärin Katarina Barley sagte Reuters-TV, dass man "natürlich" weiter mit der Union rede.

NAME STEINMEIER SOLL DRUCK AUFBAUEN



Der Name Steinmeier ist insofern aus Sicht der SPD keine echte Festlegung - auch wenn dies bei Grünen und Linkspartei so empfunden wird. Er soll nur der dezente Hinweis sein, dass die Sozialdemokraten eben mit dem laut Umfragen beliebtesten Politiker einen respektablen Kandidaten hätten, der zumindest nicht erklärt, nicht zur Verfügung zu stehen.

Genau an dem Punkt hat es die SPD besser als die Union: Denn die CDU hätte mit Bundestagspräsident Norbert Lammert zwar ebenfalls einen Kandidaten, für den sich gerade ostdeutsche Bürgerrechtler ausgesprochen haben. Im Bundestag, der immerhin die Hälfte der Wahlleute in der Bundesversammlung stellt, genießt der Nordrhein-Westfale wegen seines Verhaltens nach dem missglückten Putsch in der Türkei parteiübergreifendes Ansehen. Das Problem: Lammert hat gerade seinen Rückzug aus der Politik erklärt - und das klingt endgültig. Dabei hatte sich sogar der thüringische Ministerpräsident und Linksparteipolitiker Bodo Ramelow für Lammert ausgesprochen.

DIE SEHNSUCHT NACH EINEM KONSENSKANDIDATEN



In der Union haben weder Merkel noch Seehofer ohne Not Lust auf eine Lagerwahl - schon weil unklar ist, mit wem im Falle einer erneuten Regierungsbeteiligung von CDU und CSU dann eine Koalition gebildet werden könnte. Ein ausdrückliches schwarz-grünes Signal durch die Präsidentenwahl will Seehofer nach Angaben aus CSU-Kreisen auf keinen Fall. Der CSU sind die Träume einiger CDU-Politiker von einer schwarz-grünen Bundesregierung nach 2017 suspekt: Die bayerische Partei blickt schließlich 2018 auf ihre eigene Landtagswahl und will die Grünen nicht aufwerten. Ob Gabriel wiederum ein rot-rot-grünes Signal vor der Bundestagswahl will, wird in der Union bezweifelt.

Am Montag wurde deshalb in der CDU betont, dass man noch viel, viel Zeit habe - möglicherweise sogar bis Dezember. Schon vor Wochen war einmal das Ziel "vor Weihnachten" locker in die Debatte geworfen worden. Merkel habe ja schließlich noch nicht einmal die machtpolitisch viel wichtigere Frage geklärt, ob sie 2017 wieder Bundeskanzlerin werden wolle.

rtr