Die Kohlekumpel rund um die Stadt Katowice halten wenig von Klimaschutz. Sie wollen ihre mit bis zu monatlich 8000 Zloty (rund 1900 Euro) dotierten Arbeitsplätze behalten. Doch die für polnische Verhältnisse gut bezahlten Jobs sind nicht nur durch CO2-Ziele aus Brüssel, sondern insbesondere durch den Preisrückgang beim "schwarzen Gold" bedroht. Viele Minen arbeiten nicht mehr rentabel. Die Politik will jedoch den notwendigen Strukturwandel nicht mit der gebotenen Konsequenz in Angriff nehmen. Schon gar nicht vor den Parlamentswahlen im Oktober.

Um an der Macht zu bleiben, buhlen Ministerpräsidentin Ewa Kopacz und die liberale Bürgerplattform (PO) um Stimmen aus Schlesien. Kopacz kündigte jüngst ein ambitioniertes Investitionsprogramm für die Region und speziell für die Förderunternehmen an. Bei den Anlegern kann sie damit aber nicht punkten. Diesen fällt es schwer, in dem Programm betriebswirtschaftliche Logik zu erkennen. Der Chart des Kohleförderers Jastrzebska Spolka Weglowa zeigt weiter nach unten. Innerhalb eines Jahres verlor der an der Börse in Warschau gelistete Titel 75 Prozent. Ein konsequentes Restrukturierungsprogramm sowie klare Vorgaben, wie Polen die Abhängigkeit von Kohle als wichtigstem Energielieferanten abbauen kann, hätte den Vorstellungen der Investoren besser entsprochen.

Dennoch ist die Bürgerplattform Favorit der Anleger. Sie schätzen die seit 2007 regierende Partei unternehmerfreundlicher als die oppositionelle Gerechtigkeitspartei (PiS) ein. Die aber führt in den Umfragen derzeit mit deutlichem Abstand. Ihre populistischen Forderungen kommen an. So rät der vor Kurzem zum Staatspräsidenten gewählte Andrzej Duda seiner Partei beispielsweise die Erhöhung des Renteneintrittsalters wieder zurückzunehmen. Auch macht er sich für eine Anhebung der Bemessungsgrenze bei der Erhebung der Einkommensteuer stark. Wie die Wohltaten gegenfinanziert werden sollen, die sich auf umgerechnet 95 Milliarden Euro belaufen würden, dazu hat Duda auch einen Plan. Ausländische Banken und Supermarktketten sollen höhere Steuern zahlen. Fraglich, ob Polen dann weiter steigende Zuwächse bei Direktinvestitionen verzeichnen wird.

Banken unter Druck



Kopacz will das nicht, doch in einem Punkt ist sie sich mit Duda einig: Beide treten für eine Umwandlung der von rund 700 000 Polen vor einigen Jahren in Schweizer Franken aufgenommenen Kredite in Zloty ein. Seit der Abkoppelung des Franken- vom Eurokurs können viele ihre Schulden nicht mehr bedienen. Sollte es nach der Wahl tatsächlich zur Umschreibung der Kredite kommen, würden Institute wie die PKO Bank leiden. Schon jetzt verkaufen Anleger, die Aktie fiel in den vergangenen fünf Wochen um 13 Prozent.

Der nicht immer von wirtschaftspolitischer Vernunft dominierte Wahlkampf belastet die Kursentwicklung in Warschau. Nach einer zuletzt kräftigen Talfahrt bringt es der Leitindex WIG 20 seit Jahresanfang auf ein Minus von 1,2 Prozent. Der Abschwung sollte Investoren aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Polens Konjunktur in ausgezeichneter Form befindet. Seit 2008 wuchs das Bruttoinlandsprodukt kumuliert um 24 Prozent. Und das Momentum hält an. Für 2015 erwartet die Raiffeisen Zentralbank 3,9, für 2016 werden 3,6 Prozent Wachstum prognostiziert. Die Rahmenbedingungen für steigende Unternehmensgewinne in Polen sind daher gut, zumal auch die polnische Notenbank in den kommenden Monaten den Leitzins auf dem Rekordtief von 1,5 Prozent belassen wird.

Die sich daraus ergebenden Börsenchancen dürften Anleger verstärkt nutzen, sobald nach der Wahl Klarheit über den künftigen Kurs herrscht. Mutige steigen schon jetzt ein. Mit dem iShares MSCI Poland engagieren sie sich breit am polnischen Aktienmarkt. In dem ETF dominieren zwar Finanz- und Versorgerwerte, doch mittlerweile sind einige Titel relativ günstig. Auch außerhalb der beiden Branchen finden sich attraktive Einzelwerte. Die Raiffeisen Bank favorisiert unter anderem Asseco Poland. Der Softwarekonzern vertreibt seine IT-Lösungen an Finanzinstitute, Versicherungen und Regierungsbehörden in Osteuropa. Zu den Kunden zählt auch die Grenzschutzagentur der EU, Frontex. Für Anleger interessant ist zudem Cyfrowy Polsat. Der Pay-TV-Anbieter baut seinen Kundenstamm kontinuierlich aus.

Weiterhin Kurschancen bietet auch PKN Orlen. Der Konzern profitiert vom niedrigen Ölpreis und will sein Tankstellennetz erweitern. Laut der Gesellschaft für Trade und Investment erwarten Analysten 2015 ein Rekordergebnis.

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