Doch über das sogenannte OMT-Programm hinaus steht aktuell die Frage im Raum, wie weit die Europäische Zentralbank (EZB) in ihrer Geldpolitik noch gehen darf. Denn die Frankfurter Notenbanker haben nur eine Woche Zeit, die Bewertung des Generalanwalts zu analysieren. Schon auf ihrer geldpolitischen Sitzung am 22. Januar könnten sie dann entscheiden, nach dem Vorbild der USA massenhaft Staatsanleihen zu kaufen, um die lahme Wirtschaft in Europa anzuheizen und den aus EZB-Sicht gefährlichen Preisverfall zu stoppen.

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass die EZB tätig wird, ohne vom EuGH eine gewisse Unterstützung zum Thema OMT erhalten zu haben", sagt etwa Finanzmarktexperte Bert van Roosebeke vom Centrum für Europäische Politik (CEP) in Freiburg. Auch Wirtschaftsprofessor Roland Vaubel von der Universität Mannheim meint, dass die Einschätzung des Generalanwalts Einfluss darauf haben wird, in welcher Form die EZB Staatsanleihen kauft. Insidern zufolge sondiert die Notenbank derzeit beim sogenannten "Quantitative Easing" (QE) eine gemischte Strategie: So könnte sowohl die EZB Staatsanleihen kaufen als auch die nationalen Zentralbanken die Bonds auf eigenes Risiko in ihre Bücher nehmen.

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Legen die Luxemburger Richter der EZB Fesseln an?



OMT und QE weisen eine Reihe von Unterschieden auf: Ersteres zielt auf den möglichen Ankauf von Staatsanleihen angeschlagener Euro-Staaten, um die Zinsaufschläge für die Bonds zu drücken und die Länder solvent zu halten. Im Gegenzug müssen die Staaten Reformauflagen erfüllen. Gerade wegen dieser Vorgaben sehen Kritiker in OMT kein legitimes Instrument der Geld-, sondern der Wirtschaftspolitik, die in dieser Form für die EZB nicht zulässig sei. QE ist dagegen nicht an Reformauflagen geknüpft und die Notenbank kauft in dem Fall gewöhnlich Anleihen aus dem gesamten Währungsraum.

Trotzdem sieht der Anwalt des CSU-Politikers Peter Gauweiler, einem der Kläger in dem Fall, gewisse Parallelen zwischen dem niemals angewandten OMT-Verfahren und dem QE-Programm, das nun von der EZB vorbereitet wird: "Aus meiner Sicht ist auch QE jenseits des Aufgabenbereichs (der EZB)", erklärt Gauweilers Anwalt Dietrich Murswiek. Ein juristisches Nachspiel sei deshalb im Falle von QE ebenfalls nicht ausgeschlossen.

Nach den Schlussanträgen des Generalanwalts, die für den Gerichtshof nicht bindend sind, vergehen bis zu einem Urteil in der Regel drei bis sechs Monate. Oft folgen die Luxemburger Richter der Einschätzung des Generalanwalts.

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Der Rechtsstreit über das OMT-Programm muss in Luxemburg entschieden werden, da im Februar das Bundesverfassungsgericht erstmals in seiner Geschichte dem EuGH ein Verfahren vorgelegt hat. Die Karlsruher Richter haben aber deutlich gemacht, dass sie das Vorgehen der EZB kritisch sehen. Der Ball werde vom EuGH vermutlich nach Karlsruhe zurückgespielt, sagt CEP-Experte Roosebeke. Er gehe davon aus, dass der EuGH am Ende nur sehr abstrakte Kriterien für eine Entscheidung liefern werde. Vor dem Verfassungsgericht müsse dann aber womöglich die Frage geklärt werden, ob die EZB ohne Obergrenze bei den Anleihenkäufen eines Tages die Haushaltsrechte des Bundestages gefährde.

Wirtschaftsexperte Vaubel von der Uni Mannheim rechnet damit, dass der EuGH den Deutschen entgegenkommt. "Wenn das Ganze zu einem totalen Gesichtsverlust des Verfassungsgerichts führt, wird es sich das nicht gefallen lassen." Die Konsequenz daraus könnte dann sein, dass die Karlsruher Richter in Zukunft keine Entscheidungen mehr an ihre Luxemburger Kollegen abgeben.

Der Beschluss der EZB im Herbst 2012, notfalls die Gelddruckmaschine anzuwerfen und selbst Anleihen zu kaufen, hatte den Kursverfall der Euro-Staatsanleihen gestoppt. Die Maßnahme hatte allerdings heftige Kritik und Klagen von über 35.000 Bundesbürgern ausgelöst.

Reuters