Die Währungshüter setzten alle drei Leitzinsen herunter - erstmals überhaupt senkte die EZB dabei den Schlüsselsatz für die Geldversorgung des Bankensystems auf null. Sie weitete zudem ihr in Deutschland umstrittenes Anleihen-Kaufprogramm deutlich aus. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann - einer der prominentesten Kritiker des laxen Kurses - war dieses Mal nicht stimmberechtigt.

"Mit dem heutigen umfassenden Paket geldpolitischer Entscheidungen liefern wir erhebliche Anreize, um den erhöhten Risiken für das EZB-Preisstabilitätsziel entgegenzuwirken", erklärte Draghi. "Die Zinsen werden für eine sehr lange Zeit niedrig bleiben." Allerdings könnte das Ende der Fahnenstange erreicht sein: "Ich erwarte nicht, dass es notwendig sein wird, die Zinsen weiter zu senken", so Draghi. Neue Fakten könnten die Situation jedoch wieder ändern.

An den Finanzmärkten ging der Euro auf Achterbahnfahrt. Die Gemeinschaftswährung kletterte deutlich über 1,11 Dollar - nach dem Zinsentscheid war der Euro zunächst auf ein Fünfeinhalb-Wochen-Tief von 1,0823 Dollar gefallen. Der Dax zog zeitweise um 2,8 Prozent an, drehte dann aber deutlich ins Minus. "Die EZB hat mit der Verkündung ihrer Maßnahmen massiv überrascht und im Prinzip alles auf den Markt geworfen, was sie kann", sagte Anleihen-Experte Jan Holthusen von der DZ Bank. "Die Frage ist jetzt, ob noch mehr kommen könnte. Wohl eher nicht", ergänzte ein Händler.

Auf massive Kritik stießen die EZB-Maßnahmen in Deutschland. "Noch mehr billiges Geld und noch niedrigere Zinsen führen nicht zu mehr Investitionen", sagte Andreas Bley, Chefvolkswirt des Bankenverbandes BVR. "Das ist eine gute Nachricht für die Börsianer und für die Schuldenländer im Süden", ergänzte Anton Börner, Präsident des Exportverbandes BGA. Politisch berge das einen großen Sprengsatz, wenn man das mit der Flüchtlingskrise zusammentue. "Das ist brandgefährlich." Kritiker verweisen seit langem darauf, dass die Politik des billigen Geldes nötige Reformen in vielen Ländern verhindere.

NOCH MEHR ANLEIHENKÄUFE



Als Teil des Maßnahmenpakets stockten Draghi & Co ihr Anleihen-Programm massiv auf. Ab April steigen die monatlichen Käufe um 20 auf dann 80 Milliarden Euro. Damit erhöht sich der Gesamtumfang der bis Ende März 2017 geplanten Käufe auf 1,74 Billionen von bislang 1,5 Billionen Euro. Künftig sollen auch Unternehmensanleihen aufgenommen werden. Erst im Dezember hatte die EZB beschlossen, Regional- und Kommunal-Bonds ins Visier zu nehmen.

Mit den Käufen sollen Banken dazu bewegt werden, weniger in Anleihen zu investieren. Stattdessen sollen sie der Wirtschaft mehr Kredite gewähren, was die Konjunktur anschieben und die aus EZB-Sicht viel zu niedrige Inflation anheizen würde. Denn das Notenbank-Ziel einer Teuerungsrate von knapp zwei Prozent ist in weiter Ferne. Im Februar waren die Preise wegen des Ölpreisverfalls sogar um 0,2 Prozent gesunken. Knapp zwei Prozent Inflation gelten als optimaler Wert für die Wirtschaft. Auf breiter Front fallende Preise sind dagegen gefährlich, weil sich Konsumenten dann zurückhalten - in der Erwartung, Produkte bald noch günstiger zu bekommen. Unternehmen verdienen dann weniger und schieben Investitionen auf. So entsteht schnell eine Abwärtsspirale, die eine Wirtschaft auf Jahre lähmen kann.

Banken müssen zudem künftig einen höheren Strafzins zahlen, wenn sie über Nacht Geld bei der Notenbank parken. Die EZB setzte den bereits negativen Einlagensatz auf minus 0,4 Prozent von bislang minus 0,3 Prozent. Mit negativen Auswirkungen für die Ertragskraft der Geldhäuser rechnet Draghi nicht. Als Ausgleich winken den Instituten besonders günstige längerfristige Kreditlinien, die daran geknüpft sind, dass die Banken das billige Geld in Form von Krediten an die Wirtschaft weiterreichen. Draghi kündigte vier dieser Kreditlinien an. Die sogenannten TLTRO-Geschäfte haben eine Laufzeit von vier Jahren. Sie sollen im Juni 2016 starten.

Draghi verteidigte die ultra-lockere Geldpolitik der Notenbank gegen Kritik, er schüre damit einen Währungskrieg. "Wir sind überhaupt nicht in diesem Krieg." Es gebe keinen Wettlauf um den niedrigsten Zins weltweit. Der republikanische US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump kritisierte die Zinssenkungen scharf. Die weltweiten Abwertungen der Währungen entwickelten sich zur Gefahr für Arbeitsplätze in den USA, sagte Trump dem US-Sender CNBC.