Der Markt für Staatsanleihen ist zwar nervös, aber weit entfernt von den Problemen der Jahre 2010 bis 2012, als extrem hohe Zinsen viele Euro-Staaten an den Rand der Zahlungsunfähigkeit trieben. Der aktuelle Ausverkauf an den Aktienmärkten ging auch nicht von Paris oder Athen aus, sondern wurde ausgelöst von schwachen Konjunkturdaten aus den USA und China - den beiden weltgrößten Volkswirtschaften. Doch damals wie heute sind es vier Punkte, die für die konjunkturelle Flaute in der Euro-Zone und die Spannungen zwischen den Regierungen sowie zwischen Deutschland und der Europäischen Zentralbank (EZB) verantwortlich sind:

1. Ökonomen und Investoren befürchten, dass Deutschland mit seinem Beharren auf eine Sparpolitik auf dem Holzweg ist. Sie verhindert die notwendigen öffentlichen Investitionen, lautet der Vorwurf.

2. Die USA, der Internationale Währungsfonds (IWF) und andere Organisationen halten die bisherigen Anti-Krisen-Maßnahmen der EZB für nicht mutig und ausreichend genug.

3. Frankreichs und Italiens Weigerung eines raschen Defizitabbaus stellt die Autorität der EU-Kommission in Frage, die über die Haushalte der Mitgliedsländer wacht.

4. Griechenlands politisch motiviertes Vorpreschen, sich schon im kommenden Jahr aus dem Rettungsprogramm seiner internationalen Partner zu verabschieden, könnte im Chaos enden. Am Markt wird daran gezweifelt, dass sich das Land schon so schnell wieder selbst genügend Geld von Investoren leihen kann.

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"KRISE IST NICHT NACHHALTIG ÜBERWUNDEN"

"Die Angst ist zurück", sagt ein hoher EU-Diplomat. Zwar werde nicht mehr über ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone spekuliert. "Aber alle Gedanken, dass die Krise vorbei sein könnte, haben sich verflüchtigt." Das sieht Bundeskanzlerin Angela Merkel ganz ähnlich. "Die Krise ist noch nicht dauerhaft, noch nicht nachhaltig überwunden", sagte sie am Donnerstag in ihrer Regierungserklärung im Bundestag.

Mit Blick auf die Debatte über mehr Flexibilität bei der Auslegung der europäischen Stabilitätsregeln unterstrich Merkel: "Alle, ich betone an dieser Stelle noch einmal, alle Mitgliedsstaaten müssen die gestärkten Regeln des gestärkten Stabilitäts- und Wachstumspakts voll respektieren." Derzeit erfüllt vor allem Frankreich die Ziele zum Abbau des Staatsdefizits nicht. Merkels Koalition wiederum hält trotz wachsender Konjunkturrisiken am Ziel fest, im kommenden Jahr erstmals seit 1969 einen schuldenfreien Staatshaushalt vorzulegen - sehr zum Ärger in anderen europäischen Hauptstädten. Konjunkturprogramme lehnt auch der sozialdemokratischer Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel strikt ab.

EU-Offizielle versuchen nun einen Kuhhandel. Dieser könnte so aussehen: Deutschland investiert mehr in seine Infrastruktur, Frankreich und Italien verpflichten sich im Gegenzug für den Aufschub bei der Haushaltssanierung zu radikalen Wirtschaftsreformen, und die EZB druckt Geld, indem sie massenhaft Staatsanleihen aufkauft.

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BRICHT DIE EZB DAS LETZTE TABU?

Es war EZB-Chef Mario Draghi, der 2012 den Deckel auf die Schuldenkrise legte mit seinem Versprechen, alles für den Erhalt des Euro zu tun. Seither hat er die Zinsen auf das Rekordtief von 0,05 Prozent gedrückt, den Banken Strafzinsen für bei der EZB geparktes Geld aufgezwungen und den Kauf von Wertpapieren angekündigt. Nun könnte Draghi mit dem umstrittenen Kauf von Staatsanleihen erneut für Ruhe sorgen.

Ziel ist es, einen Deal beim EU-Gipfel am 18. und 19. Dezember in Brüssel abzuschließen, sagen EU-Vertreter. Bis dahin müssen aber noch jede Menge Vorbehalte aus dem Weg geräumt werden. Bundesbank und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble kritisieren die EZB bereits für den angekündigten Kauf von Kreditverbriefungen - sogenannte ABS - und Pfandbriefen. Mit ABS-Papieren können Banken Kredit-Risiken bündeln, aus der Bilanz auslagern und am Markt damit handeln. Idealerweise haben sie dann mehr Mittel frei, um neue Darlehen zu vergeben und so die Wirtschaft anzukurbeln. Den Kauf von Staatsanleihen - dem letzten Tabu der EZB - dürften Schäuble und Bundesbankchef Jens Weidmann erst recht scharf kritisieren.

Hinter den Kulissen verhandeln Berlin und Paris bereits über einen Deal. Allerdings besteht die Gefahr, dass am Ende Kompromisse herauskommen, die nicht ausreichen, um die Konjunktur anzuschieben und das Vertrauen der Märkte wiederherzustellen, warnen EU-Vertreter.

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RIESIGE DIFFERENZ

Wie groß die Zweifel der Finanzmärkte sind, zeigt der Risikoaufschlag für die zehnjährigen griechischen Staatsanleihen. Deren Zins liegt wieder über neun Prozent - viel zu teuer für den klammen Staat, um sich allein über Investoren zu finanzieren. Der deutsche Zins liegt gerade einmal bei 0,8 Prozent. Zu den Zweifeln am wirtschaftlichen Comeback des rezessionsgeplagten Landes an der Ägäis gesellen sich noch politische Unsicherheiten. Was, wenn bei der Wahl im kommenden März die linkgsgerichtete Syriza-Partei gewinnt? EU-Offizielle sagen, dass Griechenland zumindest eine vorsorgliche Kreditlinie seiner europäischen Partner benötigt.

Reuters