Evotec-Chef Werner Lanthaler dürfte heute den Veltliner aus dem Weinschrank holen. Um private oder geschäftliche Erfolge zu feiern, hat der gebürtige Österreicher immer einer der frischen Weißweine kühl gestellt. Und zum Anstoßen hat der Manager allen Grund. Die von ihm geführte Biotechfirma Evotec hat 2016 Rekordergebnisse erzielt. Während der Umsatz um 29 Prozent auf 164,5 Millionen Euro stieg, sprang das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) mit gut 36 Millionen Euro um rund 314 Prozent in die Höhe. Damit übertraf Evotec sowohl seine eigene Prognose als auch die Erwartungen der Analysten. "2016 war für Evotec ein sehr starkes Jahr und es wurden zahlreiche Fortschritte erzielt. Durch verschiedene neue und erweiterte Kooperationen erreichten wir mit unseren Finanzergebnissen eine neue Dimension", kommentiert Lanthaler die Ergebnisse.

Getrieben wurden die Ergebnisse durch die Auftragsforschung von Evotec. Die Hamburger übernehmen für große Pharmakonzerne präklinische Forschung im Labor. Hier testen automatisierte Analysesysteme biologische Substanzen auf ihre Fähigkeit, bestimmte Moleküle zu blockieren, die als Krankheitsauslöser eine Schlüsselrolle spielen. Die untersuchten Substanzen und Wirkstoffe gehören dabei nicht den Hamburgern, sondern den jeweiligen Auftraggebern. Die Umsätze in dem EVT Execute genannten Segment stiegen 2016 bereinigt um Geschäft zwischen den eigenen Tochterfirmen um fast 30 Prozent auf 137,8 Millionen Euro. Der Anstieg ging im Wesentlichen auf das wachsende Geschäft mit der Basisforschung, das Erreichen von Meilensteinen und den Großkunden Sanofi zurück.

Den Medikamentenherstellern bringt die Vergabe der Frühphasenforschung an einen Dienstleister flexiblere Kostenstrukturen, während der TecDax-Konzern von dem anhaltenden Trend der Forschungsauslagerung profitiert. Weitere Pluspunkte des Modells sind, dass die vorklinische Untersuchung und Identifizierung von Wirkstoffen mit 10 bis 15 Millionen Dollar deutlich weniger kostet als die Erforschung eines neuen Medikaments mittels Tests am Menschen. Die vor einer Zulassung als neues Präparat notwendigen drei klinischen Studien können schnell hohe dreistellige Millionenbeträge verschlingen und sich über mehr als zehn Jahre ziehen. Im Erfolgsfall winken dafür Milliardenumsätze mit den neuen Präparaten. Je nachdem wie die Kooperation zwischen Evotec und den Medikamentenfirmen aussieht, verdienen die Hanseaten aber auch an diesen Einnahmen über Meilensteinzahlungen und Umsatzbeteiligungen mit. Mittlerweile haben die Hamburger eine Entwicklungspipeline mit über 70 Wirkstoffkandidaten mit namenhaften Partnern wie Roche, Bayer oder Novartis aufgebaut, von denen sich sechs in der klinischen Forschung befinden. Wie sehr sich die Fokussierung auf die aller ersten Schritte in der Wirkstoffentwicklung auszahlt zeigt das Ebitda. Das operative Ergebnis im Execute-Bereich hat sich 2016 mit 50,2 Millionen Euro mehr als verdoppelt.

Aber das TecDax-Unternehmen findet für die großen Pharmakonzerne nicht nur vielversprechende Wirkstoffe, es forscht zusammen mit Partnern auch an eigenen Medikamenten. Der Umsatz des Innovate getauften Standbeins stieg im vergangenen Jahr mit einem Plus von 24 Prozent auf 26,4 Millionen Euro deutlich an. Allerdings kostet die Eigenentwicklung Geld, mit einem Ebidta von 14 Millionen Euro machten die Eigenentwicklungen Verlust. Welche Möglichkeiten in dem Bereich stecken zeigen jedoch die jüngsten Partnerschaften. Mit Bayer wird an Mitteln gegen Nierenerkrankungen geforscht und Ende des vergangenen Jahres wurde mit Celgene eine neue Kooperation geschlossen. Es geht um neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer. Im Rahmen der Vereinbarung erhielt Evotec eine Vorabzahlung in Höhe von 45 Millionen Dollar und hat Anspruch auf Meilensteinzahlungen von bis zu 250 Millionen sowie Umsatzbeteiligungen im unteren zweistelligen Prozentbereich aus den jeweiligen einlizensierten Programmen.

Dank dem Mix aus Auftrags- und Eigenentwicklung konnte Evotec das Jahr 2016 trotz Investitionen von 18 Millionen Euro in die Forschung mit einem Jahresüberschuss von 26,8 Millionen Euro und 126 Millionen Euro liquider Mittel abschließen. Im Gegensatz zu vielen anderen Biotechfirmen erwirtschaften die Hanseaten damit nicht nur Gewinn sondern verdienen auch genug, um die eigenen Projekte zu finanzieren. Zusätzlich verbessert wurde die Kapitalausstattung durch die Holdinggesellschaft Novo. Die Dänen investierten über eine Kapitalerhöhung rund 90 Millionen Euro in Evotec und sind mit 8,9 Prozent aller Anteile der zweitgrößte Aktionär der Deutschen.

Vor dem Hintergrund der jüngsten Erfolge gibt Evotec-Chef Lanthaler "einen sehr positiven Ausblick auf 2017". Der Umsatz soll um mindestens 15 Prozent steigen, während sich das Ebitda "signifikant" verbessern soll. Die Annahme beruht laut Evotec auf dem derzeitigen Auftragsbestand, den absehbaren Neuverträgen und Vertragsverlängerungen sowie den Aussichten auf Meilensteinzahlungen.

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Einschätzung der Redaktion

Dank seiner zweigleisigen Aufstellung bietet Evotec die Chancen und das Kurspotential eines klassischen Biotech-Unternehmens kombiniert mit der Ertragssicherheit eines Auftragsforschers. Der Geschäftswert der ausgelagerten Forschung allein wird von Analysten auf einen Wert von 8,24 Euro je Aktie geschätzt. Dabei arbeiten die Hanseaten sowohl in ihrem Segment Execute wie auch in der eigenen Forschungspipeline überwiegend an Mitteln gegen Krebs, Alzheimer, Diabetes oder Depressionen. Im Falle eines Forschungserfolges winken damit Milliardenmärkte. Evotec daher nach klassischen Maßstäben wie dem sehr hohen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) zu bewerten macht wenig Sinn. Angesichts der guten Kapitalausstattung, dem profitablen und wachsenden Kerngeschäft und dem Wert der Entwicklungspipeline scheint ein Kurs von elf Euro angemessen. Kaufen

Kursziel: 11,00 Euro Stoppkurs: 6,50 Euro