Die Finanzdienstleistungsbranche steht vor einem grundlegenden Umbruch. Immer neuere Technologien halten Einzug in diese Industrie, das moderne Bankhaus von morgen ist virtuell und mobil. Und immer mehr Menschen werden die neuesten Technologietrends auch für ihre Geldgeschäfte nutzen. Die Schlagworte in der Branche lauten E-Commerce, Crowdinvesting, Social Trading, Mobile Payment, Big Data oder Cloud-Computing. Zusammengefasst wird das Wortwirrwarr unter dem Begriff Fintech.

Dieser moderne Geschäftszweig lässt neue Firmen entstehen, die zunehmend traditionelle Dienstleister wie etwa Banken bedrängen und in absehbarer Zeit diesen sogar den Rang ablaufen könnten. Ein Unternehmen, das von diesem Trend stark profitieren will, ist die Fintech Group. Der börsennotierte Finanzdienstleister, der bis vor Kurzem unter dem Namen Flatex firmierte, hat in Zukunft viel vor. Neben dem bereits etablierten Brokerage-Geschäft, das über die Töchter Flatex, Aktionärsbank und den CFD- und Forexbroker Cefdex abgedeckt wird, will die Fintech- Gruppe demnächst auch zahlreiche Online-Bankdienstleistungen anbieten und diverse Financial-Services-Technologien und Geschäftsmodelle entwickeln und finanzieren. Hilfreich für die Umsetzung dieser Strategie ist die Vollbanklizenz der Tochter Aktionärsbank, die damit die offizielle Erlaubnis zur Erbringung von Bankdienstleistungen besitzt.

Der neueste Coup der Fintech Group soll die mehrheitliche Übernahme des Finanzdienstleisters XCOM werden, zu dem auch die Biw Bank gehört. Diese besitzt als Einlagenkreditinstitut ebenfalls eine Vollbanklizenz und agiert bislang als Outsourcing- und Transaktionspartner für Banken, Finanzdienstleister und weitere Vertriebspartner. Zu den wichtigsten Partnern der Biw Bank zählt der Onlinebroker Flatex. Die Zusammenarbeit der Partner war zuletzt sehr angespannt, Konflikte könnten durch einen Zusammenschluss aber gelöst werden. Gestritten wurde vor allem um die Fragen, wem die Kunden der eng verzahnten Flatex-Biw-Konten gehören und wer die Kundengelder von geschätzt rund 700 Millionen Euro, die bislang unverzinst auf diesen Konten brachliegen, gewinnbringend nutzen kann. Bei einem Zusammenschluss würden sich diese Themen erübrigen.

Auf Seite 2: Eine selbstbewusste Zielsetzung



Die gemeinsame Gruppe könnte allein durch aktives Management der Kundengelder schnell einen zusätzlichen Gewinn in zweistelliger Millionenhöhe heben. Die Bewertung von XCOM liegt laut unseren Informationen bei rund 80 Millionen Euro. Fintech müsste für den geplanten Mehrheitserwerb von 54 Prozent gut 43 Millionen Euro berappen. Ein Viertel davon soll zeitnah über eine Kapitalerhöhung eingesammelt werden, der größere Rest über Mezzanine-Darlehen finanziert werden. XCOM verfügt über Eigenkapital in Höhe von 30 Millionen Euro plus einer Nettokasse von 25 Millionen Euro und dürfte auch das operative Geschäft von Fintech befeuern. Der Finanzdienstleister machte 2013 bei einem Umsatz von 60 Millionen Euro knapp fünf Millionen Gewinn vor Steuern. Bereits 2015 erwartet Firmenchef Frank Niehage für Fintech einen Umsatz von 100 Millionen Euro und ein Vorsteuerergebnis von mindestens 15 Millionen. Wenn man die Daten mit denen von 2013 (siehe Tabelle rechts) vergleicht, sind die Ziele durchaus sportlich. Unrealistisch sind sie freilich nicht.



Bei allen Chancen, die ein Investment in die Fintech Group bietet, sollten Anleger sich auch des Klumpenrisikos der Beteiligungen im Wirkungskreis des Großaktionärs Bernd Förtsch bewusst sein. Förtsch besitzt nicht nur einen wesentlichen Anteil an Fintech, sondern zieht auch bei vielen Ablegern der Gruppe als Gründer oder Investor die Fäden.

Auf Seite 3: Einschätzung zur Aktie