Denn die kurze Bemerkung im ZDF machte jedem Unions-Rebellen sofort klar, dass der von ihnen erhoffte Aufstand in der Flüchtlingspolitik ausfallen wird - zumindest vorerst. Auch wenn Hardliner wie Hans-Peter Uhl (CSU) oder Christian von Stetten (CDU) in der Fraktionssitzung Grenzschließungen fordern sollten - ihr Rückhalt dürfte erheblich geschmolzen sein.

Denn der Auftritt des CSU-Chefs in der Fraktion ist ebenso selten wie demonstrativ: Ausgerechnet der Kronzeuge für eine aus Sicht der Hardliner missglückte Flüchtlingspolitik greift der Kanzlerin nun unter die Arme. Dabei hatte Uhl noch am Wochenende in einem Interview orakelt, dass Merkel nur Kanzlerin bleiben könne, wenn sie die deutschen Grenzen schließe.

Doch nach monatelangen persönlichen Attacken gegen die Kanzlerin signalisierte Seehofer am Montag Versöhnung. Er sei für den Moment zufrieden, sagte er zu dem am Sonntag vorgelegten gemeinsamen Positionspapier von CDU und CSU. Seine Begründung: "Endlich" erkläre die Union insgesamt, die hohen Zahlen von Zuwanderern senken zu wollen. "Endlich" schwenke die CDU damit auf den Kurs der Schwesterpartei ein, schwingt dabei mit.

SCHATTENBOXEN DER UNIONSPOLITIKER



Aus Sicht der CDU-Führung zeigt diese Bemerkung, dass Seehofer in den vergangenen Tagen vor allem politisches Schattenboxen betrieben hatte. "Denn seit Wochen widmet Merkel 90 Prozent ihrer Arbeitszeit der Aufgabe, die Zahl der Flüchtlinge endlich zu senken", sagte ein CDU-Vorstandsmitglied. Der eigentliche Dissens habe darin gelegen, dass die CDU-Chefin die zunehmend überforderten Bayern vor vermeintlich einfachen Lösungen gewarnt habe. Eine echte Lösung könne man eben nicht an der deutsch-österreichischen Grenze erreichen, sondern nur an der türkisch-griechischen, ist sich Merkel sicher.

Gelöst ist der unionsinterne Streit damit aber nicht. Am Montag drückten sich die Parteioberen jedenfalls um klare Aussagen, was passiert, wenn es am Donnerstag keine Einigung mit der SPD über Transitzonen geben wird. Zumindest attackierte SPD-Chef Sigmar Gabriel die vorgesehenen Einrichtungen im Grenzgebiet erneut als Haftanstalten. Da nutzt es wenig, wenn in Unionskreisen immer wieder betont wird, dass seit zwei Wochen alle Verantwortlichen in der Regierung genau wüssten, dass dies nicht das Konzept sei. Ein missverständlicher Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums sei längst aus dem Verkehr gezogen.

Aber wenn die SPD nicht zustimmt, steht die Union erneut vor der Frage, was sie dann machen soll - nachdem sie Transitzonen am Sonntag zur "vordringlichsten Maßnahme zu besseren Kontrolle unserer Grenzen" erklärt hat. Dann, so die Sorge der CDU-Spitze, könnte die CSU doch wieder mit Grenzschließungsplänen kommen. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt wies im Deutschlandfunk am Montag jedenfalls darauf hin, dass darüber diskutiert werde, Flüchtlinge zurück nach Österreich zu schicken. Merkel lehnt aber genau dies kategorisch ab, weil sie eine katastrophale Kettenreaktion in Europa fürchtet. Die Hardliner in der Union sind deshalb nicht zufrieden mit den Beschlüssen. Als "enttäuschend" bezeichnete sie etwa der Berliner Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann (CDU).

DER NEUE GEMEINSAME GEGNER - DIE SPD



Allerdings bracht das Wochenende für die Union zumindest eine wichtige strategische Entscheidung. Wenn man schon nicht schnell vorankommt in der Flüchtlingskrise, dann sollen künftig vor allem die aus Unionssicht Verantwortlichen klar benannt werden - "die SPD und andere Oppositionsparteien", wie CSU-Landesgruppenchefin Hasselfeldt in einem Versprecher im Deutschlandfunk sagte. Die Einigung auf einen äußeren Gegner soll CSU und CDU künftig davor schützen, sich weiter selbst zu zerfleischen. Seit Sonntagnachmittag kritisieren etliche Unionspolitiker jedenfalls eine "Blockadehaltung" der SPD.

Und die Strategen von CDU und CSU glauben damit auf der sicheren Seite zu sein. Laut ZDF-Politbarometer sprechen sich 71 Prozent der Deutschen für Transitzonen aus. Das Kalkül in der Union: Bleiben die Zahlen der Flüchtlinge so hoch, dürfte die Zustimmung zu härteren Maßnahmen weiter zunehmen. Die zuletzt umstrittene Merkel könnte damit wieder auf den Mehrheitstrend in Umfragen einschwenken - ohne ihre generelle Flüchtlingspolitik aufgeben zu müssen.