Die größte Akquisition in der mehr als 150-jährigen Firmengeschichte, die Aktie auf Allzeithoch: Gerresheimer hat zuletzt Branchenexperten und Börsianer gleichermaßen begeistert. Seit Jahresanfang verbucht die Aktie des MDAX-Unternehmens ein Plus von 50 Prozent. Damit hat der Titel die drittbeste Performance im MDAX hingelegt.

Mit der Übernahme der US-Firma Centor gibt der Hersteller von Glas- und Kunststoffverpackungen für die Pharma- und Kosmetikindustrie seinem operativen Geschäft einen neuen Wachstumsschub. 725 Millionen US-Dollar legt Gerresheimer-Chef Uwe Röhrhoff dafür auf den Tisch. Gestemmt wird diese Summe komplett über Fremdkapital.

Dafür bekommt Röhrhoff ein Unternehmen, das 2014 mit seinen 220 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 167 Millionen US-Dollar erzielte. Der Unternehmenswert für die Centor-Akquisition entspricht etwa dem Zehnfachen des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Firmenwert (Ebitda). Das ist ein stolzer Preis, den aber die hohe Profitabilität wieder aufwiegt: Centor kam 2014 auf eine Ebitda-Marge von 44 Prozent, mehr als das Doppelte der 20 Prozent von Gerresheimer im Geschäftsjahr 2013/14, das am 30. November endete.

Centor ist auf dem US-Markt führend bei Kunststoffverpackungen und Verschlüssen für Medikamente in Pillenform. Damit passt das Unternehmen laut Röhrhoff "ideal zu Gerresheimer". Das Düsseldorfer Unternehmen, das in früheren Zeit Getränkehersteller wie Coca-Cola belieferte, hatte in den USA bislang Verpackungen für injizierbare Medikamente im Produktsortiment.

Branchenexperten wie DZ-Bank-Analyst Sven Kürten sehen in dem Deal daher einen strategischen Schachzug: "Centor ist führend im Markt für individuell vorportionierte Arzneien. Das ist ein langsam, aber dafür stetig wachsendes Geschäftsfeld mit jährlichen Wachstumsraten von etwa zwei Prozent - bei zugleich hohen Markteintrittsbarrieren." Gerresheimer will die Akquisition bis Ende des laufenden Geschäftsjahres unter Dach und Fach bringen. Durch Centor soll der Amerika-Anteil am Gesamtumsatz von 20 auf 28 Prozent steigen.

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Gewinnschub lockt



Zugleich wird die zugekaufte Firma die Profitabilität von Gerresheimer steigern: Bereits im nächsten Geschäftsjahr wird Centor ein Fünftel des operativen Gewinns besteuern und die operative Marge von -zuletzt 20 auf 20,8 Prozent schieben. Auch die sogenannte Cash Conversion Rate, also das Verhältnis von Cashflow zum Unternehmensgewinn, soll sich von 41 auf 48 Prozent deutlich verbessern.

Dazu beitragen soll auch der angekündigte Verkauf des Röhrenglasgeschäfts für rund 196 Millionen Euro an den US-Konzern Corning. Gerresheimer war hier nach dem Glashersteller Schott der weltweit zweitgrößte Hersteller. Allerdings ist die Herstellung des Vorprodukts, das für die Weiterverarbeitung zu Injektionsfläschchen, Ampullen und Glasspritzen benötigt wird, sehr kapitalintensiv. Denn die Schmelzwannen müssen häufig erneuert werden.

Um nach dem Verkauf den eigenen Bedarf an Röhrenglas zu decken, hat Gerresheimer mit Corning einen Zehnjahresliefervertrag geschlossen. Zudem planen die beiden Firmen ein Gemeinschaftsunternehmen, das neue Glasverpackungen für die Pharmaindustrie entwickeln soll.

Für das laufende Geschäftsjahr erwartet Gerresheimer-Chef Röhrhoff ein Umsatzplus von ein bis drei Prozent. Das bereinigte Ebitda soll sich in einer Bandbreite von 255 bis 265 Millionen Euro bewegen, was dem Vorjahresniveau entspricht. Bleibt die Bewertung der Aktie nach den rasanten Kursgewinnen: Hier bezahlen Anleger derzeit das 16-Fache des für 2017 geschätzten Gewinns je Aktie. Auch wenn Gerresheimer über Centor bei den Margen deutlich zulegen wird, ist das kein Schnäppchen. Wer die Aktie hat, sollte am Ball bleiben.

Neueinsteiger können kleinere Rücksetzer zum Einstieg nutzen. Wir heben Kursziel und Stoppkurs für Gerresheimer an.

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