Die fast verdoppelte Gewinnausschüttung soll ein Knüppel zwischen die Beine der Prevent-Eigentümerfamilie Hastor sein. Die Investoren aus Bosnien halten über ihre Beteiligungsvehikel Halog und Cascade knapp über 20 Prozent an Grammer und planen die Macht im obersten Kontrollgremium der Oberpfälzer zu übernehmen. Die Brüder vom Balkan, Kenan und Damir Hastor, wollen auf der Hauptversammlung am 24. Mai fünf der sechs Aufsichtsräte austauschen und anschließend Vorstandschef Hartmut Müller absägen. Ihr Vorwurf: Obwohl Grammer seinen Umsatz seit Jahren steigert, erodieren die Margen während das Management tatenlos zusieht.

Die Angreifer sind der Zuliefer-Branche weder Unbekannte noch unerfahrene Akteure. Prevent gehören die VW-Lieferanten Car Trim und ES Automobilguss. Angst sich mit den großen der Szene anzulegen haben die knallharten Brüder dabei nicht. Normalerweise buckeln die Dienstleister vor ihren Kunden, sind sie doch von deren Aufträgen abhängig. Ihre Machtposition nutzen die Autokonzerne aus und pressen bei Preisen und Konditionen raus was möglich ist. Wie aber die Hastors auf diesen Druck reagieren, erlebte Autodeutschland vergangenes Jahr. Während eines Rechtsstreits mit Wolfsburg stellten die Prevent-Firmen ihre Anlieferungen ein. Bei Volkswagen standen die Bänder still, die Folge war ein Schaden in Millionenhöhe. Vom Versuch die Macht bei Grammer zu erlagen sind deshalb weder die Wolfsburger noch Daimler oder BMW begeistert: Allesamt sind sie Großkunden von Grammer.

Doch Grammer-Chef Müller tut mehr, als nur mit Aktionärsgeschenken um Stimmen für Aufsichtsrat und Vorstand auf der Hauptversammlung zu werben. Er entkräftet auch die Vorwürfe von Prevent. Die Gesellschaft profitierte 2016 von der gut laufenden Autokonjunktur. Der Umsatz legte um 19 Prozent auf 1,7 Milliarden Euro zu. Gut lief vor allem das Geschäft mit Mittelkonsolen für die Autoindustrie. Wegen Kostensenkungen verdiente die Gesellschaft auch mehr. "Das Geschäftsjahr 2016 verlief sehr positiv für uns", sagte Müller bei der Bilanzvorlage für 2016. Unter dem Strich machte der Autozulieferer und Sitzhersteller im vergangenen Jahr 45,2 Millionen Euro Gewinn und damit fast doppelt so viel wie ein Jahr zuvor. Bis 2021 solle der Umsatz auf über 2,2 Milliarden Euro steigen und die Ebit-Marge sieben Prozent erreichen. Sollte sich der ungeliebte Großaktionär Hastor jedoch mit seinen Forderungen durchsetzen, sei die Auftragslage existenziell gefährdet, so Grammer. Der Konzern rief daher seine Aktionäre zur Teilnahme an der Hauptversammlung am 24. Mai auf. Dabei sollten die Anteilseigner den Anträgen der Hastor-Gesellschaft Cascade nicht folgen.

Im frühen Aktienhandel legten die Aktien um 5,23 Prozent zu und lagen damit an der Indexspitze. "Wir ernten jetzt die Früchte aus unserer in den letzten Jahren konsequent umgesetzten internationalen Wachstumsstrategie", betonte Müller. Mit der Rekord-Dividende setze Grammer ein klares Signal für die starke wirtschaftliche und strategische Basis und die positiven Erwartungen für die künftige Unternehmensentwicklung. Grammer habe die Wettbewerbsposition trotz anhaltend schwieriger Absatzmärkte im vergangenen Jahr weiter verbessert. Dabei habe der Konzern die Profitabilität signifikant gesteigert.

Tatsächlich aber haben beide Recht, Müller und die Hastors. In den vergangenen fünf Jahren ist der Umsatz kontinuierlich gewachsen, während die Marge und damit das Ebit nur in den Jahren 2013 und 2016 zulegte. Dafür aber hat Grammer stets investiert, in neue Mitarbeiter und neue Fabriken. Die Bayern haben zum Beispiel in Mexiko die Produktionskapazität verdoppelt, zwei zusätzliche Werke in den USA eröffnet und sechs Fertigungshallen in China. Durch die neuen Kapazitäten sollen weitere Kunden gewonnen werden. Die ersten neuen Aufträge seien bereits eingegangen, etwa vom US- Autokonzern Ford, so Grammer. Wenig verwunderlich hält man bei Grammer die Kritik der Hastors für völlig überzogen. "Unsere Strategie zahlt sich nun wie erwartet aus", sagt Müller. Allerdings geht das Gewinnplus des vergangenen Jahres maßgeblich auf umfangreiche Einsparungen zurück. Während die Gesellschaft so im Umsatz von der gut laufenden Autokonjunktur profitierte stiegen die Kosten nur unterdurchschnittlich.

Ganz Unrecht hatten die Hastors also offenbar nicht, als sie das Kostenmanagement von Grammer bemängelten. Welche Sparpotentiale noch in dem Konzern stecken, zeigt Müllers Ausblick. Obwohl bei den Einnahmen mit geplanten 1,75 Milliarden Euro nur ein Plus von drei Prozent erwartet wird, soll die Ebit-Marge auf fünf Proznet steigen. Wird das Ziel erreicht läge der Gewinn vor Steuern und Zinsen 2017 bei rund 87 Millionen Euro und damit fast ein Fünftel höher als im Vorjahr. Doch nicht nur der Beweis, dass Grammer sehr wohl Umsatz und Margen steigern kann, gibt Müller Rückendeckung. Mitte April kann der chinesische Autozulieferer Ningbo Jifeng, den Grammer kürzlich als Partner an Bord geholt hat, eine Wandelanleihe in Aktien tauschen und die Grammer-Führung mit seinem 9,2 Prozent starken Aktienpaket stützen. Strategisch verspricht sich Grammer von Jifeng besseren Zugang zum chinesischen Automarkt, vor allem zu den lokalen Herstellern und Lieferanten. "Wir gehen davon aus, dass wir einen Partner gefunden haben, der auch langfristig unsere Ziele unterstützt und auch umgekehrt", sagte Müller. Nach der Partnerschaft in Asien sucht Grammer nun nach Zukäufen vor allem in den USA, auch um sich ein neues Produktsegment zu erschließen. Das Unternehmen habe die Liste der möglichen Ziele auf vier eingegrenzt, sagte Müller. Für Übernahmen könne Grammer 100 bis 150 Millionen Euro ausgeben.

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Einschätzung der Redaktion



Ob die Hastors Grammer wirklich übernehmen wollen ist nicht klar. Ihre Anteile bleiben seit dem Angriff unter 30 Prozent. Ab diesem Wert wird ein Kaufangebot Pflicht. Stattdessen erinnert das Verhalten, die Unternehmensführung öffentlich scharf anzugreifen, eher an die Taktik von Finanzinvestoren. Diese steigen bei Firmen ein bei denen sie Managementfehler zu erkennen glauben und posaunen diese öffentlichkeitswirksam heraus. Die Bloße Androhung von drastischen Änderungen im Management und der Unternehmensführung reicht dabei oftmals schon aus, um den Kurs und damit den Wert des Investments zu steigern. So gesehen tut Grammer den Hastors einen Gefallen. An der erhöhten Dividende würden die Brüder, falls auf der Hauptversammlung abgesegnet, kräftig mitverdienen, während es auch operativ weiter aufwärts gehen sollte. Sofern es nicht wirklich die Absicht der Bosnier ist Grammer zu schlucken, stören sie daher wert- und kurstreibende Maßnahmen wenig. Auch wenn der Machtkampf um den Aufsichtsrat weiter ein Risiko bleibt, ist die Aktie ein Kauf.

Kursziel: 65,00 Euro Stoppkurs: 43,00 Euro